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Vom Lebenselixier zur Weltanschauung - Ein Trank formt Kulturen

Wenn Wasser als Urquell allen Lebens das primäre Getränk der Menschheit darstellt - ein universelles Elixier, das kein Wesen entbehren kann -, so entfacht die Frage nach dem zweitrangigen Trank eine umso tiefere Kontroverse. Manche messen seine Bedeutung an der bloßen Masse des Konsums, andere an der Vielzahl jener, die sich ihm zuwenden.

Gleichgültig, welcher Maßstab angelegt wird, führt die Spur unweigerlich zu zwei kulturellen Giganten, deren Einfluss weit über den Gaumen hinausreicht: Amerika und China, verkörpert in Coca-Cola und Tee.

Tee und Coca Cola

Tee und Coca (الشاي وكوكا) aus „Anthologie der Tafel“ (ديوان المائدة) von Saad Sarhane

Marokkanischer Minztee, Foto: Jaida Stewart auf unsplashEine der bekanntesten Legenden über die Entdeckung des Tees geht auf den chinesischen Kaiser Shen Nong, im Jahr 2737 v. Chr. zurück, der ein großer Kenner heilender Kräuter gewesen sein soll. Der Überlieferung nach saß er eines Tages mit einer Schale heißen Wassers, als der Wind einige Blätter eines nahegelegenen Strauches in sein Gefäß trug. Das Wasser färbte sich, und neugierig kostete der Kaiser davon - und war von dem Geschmack sogleich angetan.

Coca-Cola hingegen wurde aus einer ganz anderen Absicht heraus entwickelt: als medizinisches Mittel gegen Kopfschmerzen und Entzündungen. Der amerikanische Apotheker John Pemberton erfand es 1886 in Atlanta, und die ersten Verkäufe fanden in einer örtlichen Apotheke statt. Bereits 1892 wurde die Coca-Cola Company gegründet und begann ihren unaufhaltsamen weltweiten Aufstieg. Der Schlüssel zu ihrem Erfolg lag nicht nur in den Spuren von Kokain, die ihr zunächst eine treue Kundschaft sicherten, sondern auch in einem wohlgehüteten Geheimnis: Die Rezeptur blieb und bleibt ein wertvolles Firmengeheimnis - so geheim, dass nur zwei Personen sie kennen und es ihnen untersagt ist, gemeinsam zu reisen. Sollte einer von ihnen einem Unfall zum Opfer fallen, würde das Rezept nicht verloren gehen.

Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Tee und Coca-Cola sind zu zahlreich, um sie auf wenigen Seiten zu erfassen. Sie unterscheiden sich nicht nur in Farbe, Geruch, Geschmack und Aroma, sondern vor allem in den kulturellen Werten und Traditionen, die sie verkörpern. Altersmäßig trennt die beiden Getränke eine gewaltige Spanne: Neben dem uralten, ehrwürdigen Tee wirkt die verspielte, schwarzbraune Coca-Cola wie eine launische Jugendliche.

Coca-Cola rühmt sich ihres großen Geschäftsgeheimnisses, doch Tee ist in gewisser Weise das geheimnisvollere Getränk, denn seine Sortenvielfalt kennt keine Grenzen. Wer hätte sich je träumen lassen, dass Jahrhunderte nach Kaiser Shen Nong jemand auf die Idee käme, Tee mit Kirscharoma zu versetzen? Oder dass ein marokkanischer Teemeister elf verschiedene Kräuter - darunter Safran - in seinen Tee mischen würde?

Coca Cola, Foto: jonathan auf unsplashDie berühmte geschwungene Glasflasche von Coca-Cola hat viele Entwicklungsstufen durchlaufen, bis sie 1915 ihre endgültige Form erhielt. Diese an den weiblichen Körper angelehnte Silhouette wurde zum Sinnbild der Marke. Die Flasche ist nicht nur ein Behältnis für ein kohlensäurehaltiges Getränk, sondern auch ein Symbol für Individualismus, Freiheit, Schnelligkeit und Modernität. Ihr Design war ein Marketinginstrument, das von der Coca-Cola Company weiter verfeinert wurde: In den 1930er Jahren beauftragte die Firma den Künstler Haddon Sundblom mit einer Werbekampagne für die Weihnachtszeit - und so schuf er das Bild des Weihnachtsmanns, wie wir ihn heute kennen: in Rot und Weiß, genau in den Firmenfarben von Coca-Cola.

Coca-Cola hat sich in vielen Bereichen der Gesellschaft etabliert - nicht zuletzt im Sport. Seit den Olympischen Spielen von 1928 in Amsterdam ist Coca-Cola offizieller Sponsor, und bei den Spielen von 1996 in Atlanta hatte die Marke sogar großen Einfluss auf die Organisation. Die Olympischen Spiele hätten eigentlich in Athen stattfinden sollen, da sie dort vor über 2000 Jahren geboren wurden - doch Atlanta, die Heimatstadt von Coca-Cola, setzte sich durch. So betrat Coca-Cola das olympische Siegerpodest in einem Triumphzug der kommerziellen Macht über symbolische Werte.

Tee hingegen benötigt keine Werbung, um sich weltweit zu behaupten. In vielen armen Ländern ist er fester Bestandteil der täglichen Mahlzeiten, oft zusammen mit Brot - und wird so zum Getränk der bescheidenen Schichten. Aber auch nach üppigen Mahlzeiten wird Tee als Verdauungshilfe getrunken, meist ohne dass sich die Konsumenten bewusst sind, dass er Antioxidantien enthält, die arterielle Verkalkung verhindern und die Durchblutung fördern. Möge Gott Kaiser Shen Nong segnen!

Während Coca-Cola von Individualismus geprägt ist, ist Tee ein soziales Getränk. Man spricht von "Teestuben", "Teepartys" und "Teesitzungen" - allesamt Begriffe, die eine gesellige Atmosphäre widerspiegeln. Die Zubereitung von Tee ist in den meisten Kulturen eine Aufgabe für die Ältesten, da das Ritual Erfahrung und Würde erfordert. Es wäre unvorstellbar, die Zubereitung des Tees einem Teenager zu überlassen.

Coca-Cola wird stets als fertiges Produkt serviert - eine genormte, unveränderbare Erfahrung. Tee hingegen erlaubt eine unendliche Vielfalt: verschiedene Sorten, unterschiedliche Mengen an Zucker, unterschiedliche Ziehzeiten und Temperaturen - ein Raum für Kreativität und Individualität. Selbst die Art der Darreichung variiert: In Marokko wird Tee auf einem glänzenden, runden Tablett namens as-Siniya (die Chinesin) serviert - eine Hommage an seine chinesische Herkunft.

Es gibt eine weitere Legende über die Entstehung des Tees, die mit dem Zen-Buddhismus verbunden ist. Ein buddhistischer Mönch soll neun Jahre lang in stiller Meditation verharrt haben. Als er schließlich vor Erschöpfung zusammenbrach und erwachte, riss er sich die Augenlider ab und warf sie zu Boden. An der Stelle, an der sie landeten, wuchs eine Teepflanze. Vielleicht haben diese Mönche noch heute ihre Nachfahren: In ländlichen Gebieten setzen sich ältere Männer oft in kreisender Haltung zusammen und lassen den Würdigsten unter ihnen den Tee zubereiten. Die Qualität des Tees bestimmt dabei die Würde des Zubereitenden - je länger er sich der Zubereitung widmet, desto höher sein Ansehen.

So erhebt sich die Teekanne, um die Tassen zu füllen, und bildet dabei eine schäumende Kuppe - die Krone des Tees. Dieses Ritual spiegelt sich im Verhalten seines Trägers wider: Er hält die Tasse mit beiden Händen, als würde er einen heiligen Gegenstand umklammern - fast so, als wäre Tee der Elixier der Meditation.

So steht der Tee für Weisheit, Kontemplation und Geselligkeit, während Coca-Cola für Geschwindigkeit, Individualismus und Konsumkultur steht. Coca-Cola ist die Olympiade der modernen Welt - Tee ist die Meditation der Vergangenheit und Zukunft.

Über Saad Sarhane
Übersetzung aus dem Arabischen