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Die Tore von Fès: Eine historische, gesellschaftliche und politische Erzählung - Bab Ftouh

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Bab Ftouh

Bab Ftouh (Arabisch: باب الفتوح), das „Tor der Eroberung“ oder „Tor des Sieges“, bildet den östlichen Eingang zur Adwat al-Andalus (Andalusisches Viertel) von Fès. Dieses Tor, gemeinsam mit der angrenzenden Festung im Stadtteil Hay al-Keddan (حي الكدان), wurde als militärischer Stützpunkt errichtet. Der Bau erfolgte infolge eines erbitterten Machtkampfes zwischen den beiden Zenata-Prinzen nach dem Tod ihres Vaters, Dunas ibn Hamama (دوناس ابن حمامة).

Nach dem Niedergang der Idrisiden-Dynastie wurde Fès zur Hauptstadt des Magrawiden-Reiches. Während der Herrschaft von Dunas ibn Hamama erlebte die Stadt eine Blütezeit. Wie der Historiker al-Nasiri (الناصري) im Werk al-Istiqsa (كتاب الاستقصى) beschreibt: „Fès erreichte eine große Bedeutung, wuchs und florierte. Ihre Vororte dehnten sich aus, und Menschen sowie Händler aus allen Richtungen kamen in die Stadt. Dunas ließ eine Mauer um die Vororte errichten und baute zahlreiche Moscheen, Bäder und Herbergen. Die Stadt entwickelte sich zu einem bedeutenden kulturellen und wirtschaftlichen Zentrum und wurde zur Hauptstadt des Maghreb. Von dem Tag an, an dem er die Herrschaft übernahm, widmete sich Dunas einzig dem Bau und der Stärkung der Stadt.“

Im Jahr 1060 übernahm nach dem Tod von Dunas dessen ältester Sohn Foutouh die Herrschaft über den Staat. Er wählte Adwat al-Andalus (عدوة الأندلس) als seinen Regierungssitz. Seinem jüngeren Bruder Ajissa (عجيسة) hingegen übertrug er die Verwaltung des Viertels Adwat al-Qarawiyyin (عدوة الْقرَوِيين). Al-Nasiri berichtet über diese Zeit: Doch sein jüngerer Bruder Ajissa erhob Anspruch auf die Macht. Er war mutig und kriegerisch. So übernahm er die Kontrolle über Adwat al-Qarawiyyin und riss die Herrschaft an sich. Das Reich von Fès wurde durch diesen Konflikt geteilt, und es kam zu einem offenen Krieg zwischen den Brüdern.“

Bab Ftouh ist somit nicht nur ein symbolträchtiger Eingang in die Stadt, sondern auch ein stiller Zeuge der politischen Spannungen und historischen Konflikte, die das Schicksal von Fès im 11. Jahrhundert prägten.

Die Teilung von Fès: Krieg, Hunger und der Wiederaufbau

Die beiden Brüder, Foutouh und Ajissa, residierten in den gegenüberliegenden Stadtteilen von Fès - Adwat al-Andalus und Adwat al-Qarawiyyin - und führten erbitterte Kriege gegeneinander. Diese innerstädtischen Konflikte hinterließen tiefe Spuren in der Bevölkerung und führten zu einer verheerenden Hungersnot. Die Zenata (الزناتيين) plünderten die Häuser der Bewohner und raubten deren Vorräte. Über diese Notzeit schreibt Ibn Abi Zar (ابن أبي الزرع) in seinem Werk Rawd al-Qirtas (روض القرطاس): „Die Bewohner von Fès begannen, Vorratsgruben in ihren Häusern anzulegen, um Getreide zu lagern, zu mahlen und zu kochen, ohne dass jemand das Geräusch der Mühlen hören konnte. Zudem errichteten sie Räume ohne Treppenaufgänge. Am Abend stiegen sie mit einer Leiter hinauf, zusammen mit ihren Familien und Kindern, und zogen die Leiter anschließend hoch, um sich vor plötzlichen Überfällen zu schützen.“

Die beiden Stadtviertel Adwat al-Andalus (عدوة الأندلس) Adwat al-Qarawiyyin (عدوة الْقرَوِيين) wurden durch Mauern voneinander getrennt und dadurch vollständig isoliert. Diese Spaltung zerriss die anfängliche Einheit der Stadt. Die Rivalität zwischen den Brüdern Foutouh und Ajissa schwächte Fès und machte es anfällig für äußere Einflüsse.

Im Jahr 1062 betrat der Almoraviden-Prinz Yusuf ibn Tashfin (الأمير المرابطي يوسف ابن تاشفين) die politische Bühne. Nachdem er Fès eingenommen hatte, erkannte er sofort die zerstörerischen Folgen dieser Teilung. Die beiden Stadtviertel, einst durch gemeinsame Geschichte und Kultur verbunden, hatten sich zu rivalisierenden Einheiten entwickelt.

Um die Einheit der Stadt wiederherzustellen, befahl Yusuf ibn Tashfin den Abriss der trennenden Mauern. Dieser strategische Schritt beschleunigte die Wiedervereinigung der Stadt und legte den Grundstein für eine neue Phase der Stabilität und Blüte unter der Herrschaft der Almoraviden.

Das Eingreifen von Yusuf ibn Tashfin markierte somit eine Wende in der Geschichte der Stadt, indem es die Zerrissenheit überwand und Fès erneut zu einer vereinten und starken Metropole des Maghreb machte.

Zerstörung und Wiederaufbau unter den Almohaden

Es scheint, dass die Mauern von Fès nach ihrer Zerstörung wieder vollständig um die Stadt errichtet wurden. Andernfalls hätte der Autor von Rawd al-Qirtas (القرطاس) nicht über die Belagerung von Fès im Jahr 1145 durch Abd al-Mu’min ibn Ali al-Kumi berichtet: „Er schnitt der Stadt den Fluss ab, der sie speiste, indem er das Wasser mit Holz, Planken und Mauerwerk aufstaute, sodass der Fluss sich oberhalb der Stadt in der Ebene sammelte. Als das Wasser seinen ursprünglichen Pegel erreichte, durchbrach er den Damm, und das Wasser strömte plötzlich in die Stadt. Es riss Teile der Stadtmauer nieder und zerstörte mehr als zweitausend Häuser.“

Dieser Akt der Zerstörung entsprang der Wut von Abd al-Mu’min (عبد المومن بن علي الكومي) über den erbitterten Widerstand der Bevölkerung von Fès. Überliefert ist sein berühmter Ausspruch: „Wir brauchen keine Mauern. Unsere Schwerter und unsere Gerechtigkeit sind unsere Schutzmauern.“ (إنا لا نحتاج إلى سور، وإنما الأسوار سيوفنا وعدلنا).

Wie bereits die Almoraviden vor ihnen, nutzten auch die Almohaden Fès als zentrale Basis für ihre militärischen Feldzüge, insbesondere die nach Spanien. Dennoch sah sich später der vierte Almohaden-Kalif, Muhammad an-Nasir (محمد الناصر Regierungszeit: 1199 bis 1213), gezwungen, die Mauern, die sein Großvater Abd al-Mu’min zerstört hatte, wiederaufzubauen. Er ließ die gesamte Stadt erneut von einer massiven Befestigungsmauer umgeben, von der Teile bis heute erhalten sind. Darüber hinaus ließ Muhammad an-Nasir entlang dieser Mauern beeindruckende Tore errichten. Eines der bekanntesten und prächtigsten dieser Tore ist Bab Mahrouq (باب المحروق Tor des Verbrannten), das bis heute als Wahrzeichen der almohadischen Baukunst gilt.

Bab Ftouh: Ein Tor mit wirtschaftlicher, militärischer und religiöser Bedeutung

Das Bab Ftouh spielte im Laufe der Geschichte eine herausragende Rolle - nicht nur für das Viertel Adwat al-Andalus, sondern für die gesamte Stadt Fès. Es war ein zentraler Knotenpunkt, an dem Karawanen mit Waren und Gütern ankamen oder von dem aus sie zu Handels- und Pilgerreisen in den Osten aufbrachen. Darüber hinaus diente das Tor als Ausgangspunkt für zahlreiche militärische Feldzüge in Richtung Osten und nach Nordafrika.

In der Nähe des Tors befinden sich auch bedeutende Begräbnisstätten, in denen viele Gelehrte ruhen, die eine prägende Rolle in der intellektuellen und religiösen Geschichte von Fès und der gesamten westlichen islamischen Welt gespielt haben.

Zu diesen Persönlichkeiten zählen ad-Daras ibn Ismail (الدراس ابن اسماعيل), einer der größten Rechtsgelehrten seiner Zeit, dem die Verbreitung der malikitischen Rechtsschule in Nordafrika zugeschrieben wird; Ibn Ajrum as-Sanhaji (ابن جروم الصنهاجي), der Verfasser der berühmten grammatischen Abhandlung al-Ajrumiyya (الأجرومية في النحو); Uthman as-Salalaji (عثمان السلالجي), der die asch’aritische Glaubenslehre (العقيدة الأشعرية) in Marokko verbreitete; sowie der Sufi-Meister Ibn Harzem (الشيخ الصوفي إبن حرزهم), in dessen Grab auch der erste Sultan der Alawiden-Dynastie, Moulay ar-Rashid (الرشيد), seine letzte Ruhestätte fand.

Das rechte Innere des Bab Ftouh wurde während der französischen Kolonialzeit als Polizeistation und Zollstelle genutzt - eine Funktion, die auch nach der Unabhängigkeit Marokkos beibehalten wurde.

Neben Bab Boujloud gehört das Bab Ftouh zu den bedeutendsten Toren von Fès. Es stellt den Ausgangspunkt für Reisen in die umliegenden Dörfer und Städte dar, darunter das Heilbad Sidi Harazem sowie die östlichen Städte Taza und Oujda. Darüber hinaus befindet sich hier der zweite Bahnhof von Fès.

Das Tor war auch bekannt als Eingang zur Gegend von Sahrij Gnawa (صهريج كناوة), die bis in die frühen 1980er Jahre ein beliebter Ort für die traditionelle Straßenschauspielkunst der Halqa war. Ebenso befand sich in diesem Bereich der einzige Fußballplatz des Viertels Adwat al-Andalus.

Das östlich gelegene Bab Ftouh gehört zu den ältesten Toren von Fès und stammt aus der Zeit der Idrisiden-Dynastie (الدولة الإدريسية). Bis heute zeugt es von der historischen und strategischen Bedeutung der Stadt als wirtschaftliches, militärisches und geistiges Zentrum im westlichen islamischen Raum.

Folgende Tore werden in diesem Artikel beschrieben: Bab Ftouh - Bab L‘Khoukha - Bab Sidi Boujida - Bab Gissa - Bab Chorafa - Bab Mahrouk - Bab Boujloud - Bab L‘Khmis, Bab Sagma - Bab Dekkakin - Bab s-Semmarin - Bab Jyaf - Bab Amr - Bab L‘Hdid - Bab Jdid - Bab L‘Hamra - Bab Sid L'Awwad. Zurück auf Seite 1.

 

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