Reiseführer-Landkarte K14: Im Fokus der Dorfbewohner
Begeben wir uns heute von Tafraoute auf die R105 Richtung Aït Baha auf Erkundungstour, um nach knapp 20 km rechts auf eine Piste Richtung Ighir Ouriz abzubiegen. Die Piste ist gut ausgebaut, Hinweisschilder an Weggabelungen lassen keine Zweifel aufkommen, nur die letzten Meter hinunter zum Dorf werden etwas holprig.
Im Ort hat man Zeit, mit Interesse wird unsere Ankunft beobachtet. Offensichtlich ist den Männern klar, aus welchem Anlass wir vorfahren: ein Besuch des ca. 7 km entfernten gleichnamigen Speichers Ighir Ouriz, der in eine Felswand gebaut wurde. Wir erhalten nützliche Tipps, da es ab hier nur noch zu Fuß weiter geht: festes Schuhwerk sei angemessen, ausreichend Essen und Wasser sollte im Rucksack sein. Solch ein Empfang verrät menschliches Interesse, Sorge um das Wohlergehen von Besuchern. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich bei unserer anfangs etwas unsicheren Suche nach dem richtigen Pfad ein Mann schweigend anschließt, dann die Führung übernimmt. Sein gleichmäßiges, angenehmes Tempo verrät Erfahrung als Guide.
Auch wenn wir keine gemeinsame Sprache sprechen, gelingt uns mit Gesten und Zeichensprache eine Verständigung. Unterwegs zeigt er uns duftenden, wilden Rosmarin, weiß blühenden Kümmel. In dieser Landschaft, die nur aus Geröll und Felsen besteht, beschäftigt uns die Frage, ob diese Pflanzen wohl gänzlich ohne Wasser leben können?
Dann erreichen wir einen Felsblock, entdecken unter uns Ruinen eines verlassenen Dorfes, ein betonierter schmaler Weg führt aufwärts. Neugierig steigen wir ihn hoch und stehen unvermittelt vor einem hölzernen Eingangstor. Unter den Felsen gebaut schmiegt sich eine Speicherburg, deren Kammern tief in den gewachsenen Felsen hineingehen. Die senkrechten Fronten sind gekalkt, einerseits um die Hitze abzuhalten, aber wohl auch, um böse Geister zu vertreiben?
Beim Durchstreifen zählen wir 42 Kammern, sie sind auf verschiedenen Ebenen angeordnet, alle über einen außen umlaufenden Gang begehbar. Manche erreicht man über Trittsteine oder kleine, in den Felsen gehauene Treppen. Groß sind die Kammern, haben vier bis fünf Abteile, gut belüftet durch kleine Öffnungen. Wir entdecken viele große Tonkrüge, Körbe mit alten Holzdokumenten, verzierte Türen, Reste alter Holzschlösser. Eine Schatzsuche ist nichts dagegen!
Wie mühsam müssen der Bau des Speichers und das Unterbringen der Lasten gewesen sein. Das Innere manch einer Kammer ist nur kriechend erreichbar. Hier lagerten einst Säcke mit Getreide, Gemüse, Krüge mit Öl, Honig oder Butter gefüllt.
Bevor wir uns wieder auf den Abstieg begeben, lassen wir den Blick noch über das Ruinendorf und das heute trockene Flussbett wandern. Doch halt, was ist das? Ein aus Lesesteinen gebautes Aquädukt überspannte einst den Fluss, heute existieren auf der einen Seite noch zwei intakte Bögen, auf der anderen Seite einer. Sicher die alte Wasserzufuhr für das Dorf. Jedenfalls ein Wunder an Baukunst - schließlich hat man es zur damaligen Zeit im bestimmt nicht gerade wasserarmen Fluss gebaut, auch muss die Fließgeschwindigkeit genau berechnet worden sein. Und das alles war ohne die uns heute so geläufige Technik möglich.
Vor dem langen Rückweg hat unser Begleiter noch ein Ass im Ärmel. Zielstrebig führt er uns durch das zerfallene Dorf zu einer Holztür, die er behutsam öffnet. Vorsichtig tasten wir uns im Halbdunkel einige Stufen abwärts und registrieren - nachdem sich unsere Augen an das Dämmerlicht gewöhnt haben -, dass wir uns in einer alten Moschee befinden. Hohe, von vielen Berührungen blank gewetzte Holzsäulen stützen einen großen Raum, die Deckenbalken sind alle farbig verziert mit roten, weißen und schwarzen geometrischen Mustern, eine Wand trägt rote und grüne Ornamente. Zu unserer Verwunderung hat diese Moschee zwei reich verzierte Gebetsnischen.
Prall gefüllt mit Erlebnissen treten wir den Rückweg an. Ob es an unserer Erschöpfung liegt, dass er uns deutlich länger erscheint, als der Hinweg? Trotzdem lehnen wir den im Dorf angebotenen Atay - süßer grüner Tee, gewürzt mit Minze - ab, entlohnen unseren angenehmen, zurückhaltenden Begleiter, denn wir wollen uns einen anderen Weg Richtung Tafraoute suchen. Es muss nicht immer der kürzeste sein, wenn Ziele locken!
Dafür rollen wir nicht Richtung R105, sondern steuern über Aït Bensaid Taghaout an. Vergessen sind die Strapazen der gerade zurückgelegten Wanderung, das auf einem Bergplateau liegende, längst verlassene große Ruinendorf reizt uns. Hier sind keine besorgten Bewohner, die uns beobachten, keine stille Begleitung folgt uns, das heute noch bewohnte Dorf Taghaout liegt weit unten im Tal. So suchen wir uns am Hang selber den Weg bis wir die ausgedehnte Ruinenlandschaft erreichen. Diese Größe deutet auf einen wohl einst bedeutenden Ort hin, als sich die Landschaft hier bestimmt noch ganz anders präsentierte. Das lässt uns nachdenklich absteigen, stoßen wir doch bei unseren Ausflügen immer wieder auf einst blühende Dörfer, die heute nahezu verlassen sind aus Wassermangel, in dessen Folge die Vegetation spärlich wird. Oft sehen Bewohner die Landflucht dann als einzige Möglichkeit zum Überleben.
Auf einwandfrei befahrbaren Pisten erreichen wir am späten Nachmittag die P1927 und legen, bevor wir im Tal auf die R107 stoßen noch eine kleine Aussichtspause ein. Jedes Mal verblüfft es uns aufs Neue, die Rochers bleus, die von Jean Verame bemalten Steine aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Weit leuchten die ungewöhnlichen Farben, der Anblick vom gegenüberliegenden Berghang vermittelt den Eindruck, ein Kind habe hier mit seinem Farbkasten gekleckst!
Die persönliche Aufnahmekapazität ist erreicht, zufrieden kehren wir nach Tafraoute zurück.
Unseren Ausflug sowie weitere zahlreiche Ziele einschließlich GPS-Daten, Fotos und vielen Informationen können Sie nachvollziehen auf der touristischen Landkarte K14: Tafraoute • Amtoudi • Aït Mansour • Tanalt • ISBN 9783931099411
Dreisprachige (de. / en. / frz.) äußerst detaillierte Landkarte / Reiseführer von Marokko mit fast 140 Zielen + viele mit Koordinatenangabe + Hintergrund-Informationen zur Geschichte, zu Besichtigungsmöglichkeiten und weiteren Besonderheiten
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Bereits in dieser Serie erschienen:
Aufgrund des Verlagswechsels wurden neue ISBN-Nummern vergeben. Hier die Übersicht:
GPS Waypoints Marokko - Morocco - Maroc: Alte ISBN 9783931099176
Neue ISBN 9783943752359
Stadtplan Agadir - Cityplan: Alte ISBN 9783931099299
Neue ISBN 9783943752366
J12: Agadir • Taghazout • Imouzzer + Cityplan Agadir, 2019: alte SBN: 9783931099282
Neue ISBN 9783943752373
K13: Tafraoute nord - Tizourgane – Igherm: Alte ISBN 9783931099275
Neue ISBN 9783943752380
K14: Tafraoute • Amtoudi • Aït Mansour • Tanalt • 1:120.000, 2023: alte ISBN: 9783931099411
Neue ISBN 9783943752397
K15: Amtoudi • Fam El Hisn • Ifrane • Taghjijt, 2022, ISBN: alte 9783931099329
Neue ISBN 9783943752649
L11: Asni • Imlil • Oukaïmeden • Setti-Fatma + Wanderkarte Toubkal &Lac d`Ifni, 2021: alte ISBN: 9783931099305
Neue ISBN 9783943752656
L14: Tata - Akka - Tadakoust - Jbel Bani: Alte ISBN 9783931099428
Neue ISBN 9783943752663
M11 Aït-Ben-Haddou • Ouarzazate • Skoura + Straße der Kasbahs I, 2022: alte ISBN 9783931099312
Neue ISBN 9783943752670
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