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Fès el-Jdid - Eine königliche Festung und ihr Platz in der Geschichte Marokkos

Die Stadt Fès, deren Ursprünge bis ins Jahr 789 zurückreichen, entstand mit der Gründung von Fès el-Bali (der Medina) durch Idris II. Dieser älteste Teil bildet bis heute das historische Herz der Stadt. Durch die Errichtung von Fès el-Jdid, 1267, erweiterten die Meriniden das Stadtgefüge. Mit seinen mächtigen Mauern und imposanten Toren, vermittelt Fès el-Jdid  immer noch den Eindruck einer  uneinnehmbaren Festung. Später, während des französischen Protektorats, ab 1912, entstand mit der Ville Nouvelle ein moderner Stadtteil, der das traditionelle Fès um eine zeitgemäße Dimension erweiterte.

Von den Höhen der Meriniden-Gräber bietet sich ein beeindruckender Blick auf die weitläufige Ausdehnung der ineinander verschmolzenen Gebäude. Fès el-Jdid scheint wie ein untrennbarer Teil von Fès el-Bali mit seinen beiden Städten al-Qarawiyyin und al-Andalus. Doch bereits ein kurzer Spaziergang in Fès el-Jdid zeigt den deutlichen Unterschied von der alten Medina, sei es durch die Architektur, die geografische Anordnung oder die Eigenheiten seiner Bewohner.

Fès el-Jdid: Eine Stadt mit militärischem und administrativem Charakter

Fès el-Jdid, gegründet etwa 500 Jahre nach den älteren Stadtteilen, verkörpert das Erbe einer militärischen und administrativen Vergangenheit. Anders als die traditionellen Stadtteile wurde es nicht nach dem Modell einer typischen Medina konzipiert. Es fehlen die für alte Städte charakteristischen Märkte für spezifische Handelswaren und Viertel für bestimmte Handwerke wie Tischlerei, Schmiedekunst oder Gerberei. Auch ein Handelszentrum wie die Qaysariyya („القيصرية“) sucht man vergeblich. Der gesamte Handel konzentriert sich auf die zentrale Hauptstraße, die Fès el-Jdid von Bab as-Samarin  im Westen bis zum Platz Bab al-Machwar al-Jadid durchzieht. Diese als „auf- und absteigende“ Straße (tale‘ u habet „طالع وهابط“) bekannte Achse bildet die Lebensader des Viertels.

Schon bei der Gründung wurde die Hauptstraße von Fès el-Jdid, ebenso wie die angrenzenden Gassen, großzügig und durchdacht angelegt. Entlang der geradlinigen Straße reihen sich Geschäfte und einige Gasthäuser, was einen deutlichen Kontrast zu den labyrinthartigen Gassen der alten Medina darstellt. Zahlreiche Türme und Befestigungsanlagen betonen zudem den militärischen Charakter der Stadt, während der ausgedehnte königliche Palast (Dar al-Makhzen) ihre herausragende Bedeutung unterstreicht.

Palasttor bei el Mellah

Fès el-Jdid als königliche Hauptstadt

1276 n. Chr. wurde Fès el-Jdid von Sultan Abu Yahya Abu Bakr ibn Abdalhaqq als königliche Festung und Hauptstadt des Merinidenreiches gegründet. Fès el-Jdid blieb das politische und administrative Zentrum Marokkos bis zur Verlegung der Hauptstadt nach Rabat im Jahr 1912, mit Ausnahme der Herrschaftszeit der Saadier-Dynastie (1510–1659), die Taroudant und später Marrakesch als Hauptstädte wählte.

Marrakesch,Jamaa Elfna, Märchenerzähler, Foto: Eberhard Hahne

Die Wahl der Meriniden, Fès zur Hauptstadt zu machen, war nicht nur ein Symbol für eine neue Ära der politischen Macht in Marokko, sondern auch eine Notwendigkeit zur Untermauerung der religiösen Legitimation. Fès galt bereits unter den Idrisiden als das spirituelle und kulturelle Zentrum des unabhängigen Königreichs, im Gegensatz zu den Umayyaden in Andalusien und den Abbasiden in Bagdad.

Das Mausoleum von Moulay Idris, der Gründer der Stadt Fès

Fes el Bali, die Medina, Fes Altstadt

Einige Historiker berichten zudem, dass die Gründung der unabhängigen Stadt Fès el-Jdid auf Spannungen zwischen der damaligen Regierung der Meriniden und der Bevölkerung von Fès zurückging. So berichtet der Ibn Khaldun, dass die Einwohner von Fès während der Abwesenheit von Sultan Abu Yahya gegen seine Vertreter rebellierten, was eine neunmonatige Belagerung der Stadt zur Folge hatte.

Um ihre Unabhängigkeit von der religiösen und wissenschaftlichen Autorität der Universität al-Qarawiyyin zu betonen, ließ der Meriniden-Sultan Abu Sa'id ließ 1320 die Madrassa von Fès el-Jdid errichten. [Die Madrassa von Fès el-Jdid war nach der Seffarine-Madrassa (1271), die zweite Madrassa, die unter den Meriniden in Fès erbaut wurde. Ein Jahr nach der Fertigstellung wurde zudem die Sahrij-Madrassa in der Nähe der al-Andalus-Moschee erbaut].

Unter dem französischen Protektorat, nach 1924, erfuhr die Madrassa eine weitere Restaurierung, was ihr weiteres Überleben als historisches Gebäude sicherte.

Trotz ihrer Renovierungen und Umbauten blieb die Madrassa von Fès el-Jdid jedoch im Vergleich zu den anderen größeren und prestigeträchtigeren Lernzentren eine Randerscheinung. Der Plan, ein bedeutendes wissenschaftliches Zentrum in dieser Madrassa zu etablieren, konnte nicht realisiert werden.

Hassan al-Wazzan, ein bedeutender Zeitzeuge der Wattasiden-Dynastie, beschreibt die Stadt in seiner „Beschreibung von Afrika“ und sagt: „Die Stadt Fès el-Jdid ist von wunderschönen, hohen und äußerst befestigten Mauern umgeben. Sie wurde in einer angenehmen Ebene nahe dem Fluss gebaut, etwa eine Meile westlich der alten Stadt, etwas südlicher. Zwischen den beiden Mauern verläuft ein Arm des Flusses, der nach Norden zieht, an dem die Mühlen stehen. Der andere Arm des Flusses teilt sich in zwei Zweige, von denen einer zwischen der alten und der neuen Stadt verläuft, neben der Kasbah, während der andere sich weiter durch das Tal zieht, vorbei an den Obstplantagen in der Nähe der alten Stadt, bis er von Süden her in diese eintritt. Der Arm, der die Kasbah durchquert, führt an der Schule von König Abi Anan vorbei. Diese Stadt wurde von Ya'qub ibn Abd al-Haqq, dem ersten König der Meriniden-Dynastie, erbaut.“

Hassan al-Wazzan genannt Los Afrikanos, Foto Sebastiano del Piombo auf commons.wikimedia

Die Meriniden-Dynastie prägte das Stadtbild von Fès nicht nur durch architektonische Meisterwerke, sondern auch durch die Errichtung von prächtigen Gärten und Parks. Sultan Abu Yusuf Ya'qub plante einen weitläufigen Park, der später von seinem Sohn vollendet wurde. Zudem schufen sie erstmals in der Geschichte Marokkos ein neues Gebiet im südlichen Teil von Fès el-Jdid, eine eigenständige Stadt (al-Mellah) mit eigenen Toren, Mauern und einem Park, die völlig von den Wohnvierteln von Fès el-Jdid isoliert war. Hier wurde die größte und älteste jüdische Gemeinde Marokkos angesiedelt. Dieses Gebiet, das zuvor ein Salzlager war, wurde „al-Mellah“ genannt - ein Begriff, der später für alle jüdischen Viertel in den Städten, Dörfern und Oasen Marokkos verwendet wurde, mit Ausnahme von Safi und Essaouira.

Fes, Der jüdischer Friedhof bei el-Mellah, Foto: Eberhard Hahne

Fes el-Jdid, Hauptstrasse des Mellah, das Ehemalige Judenviertel, Foto: Eberhard Hahne

Die Dynastie der Wattassiden

Nach der Meriniden-Dynastie im Jahr 1465 und dem Aufstieg der Wattassiden unter der Führung von Muhammad al-Sheikh Wattassi, kam es zu einem Stillstand im urbanen Aufbau in allen drei Stadtteilen von Fès. Ereignisse zwangen sie, ihre materiellen Ressourcen in die Aufrüstung und Stärkung des Militärs zu investieren, um Kriege zur Niederschlagung von Aufständen und Revolten zu führen, die mit ihrer Machtergreifung einhergingen. So erkannten die führenden Persönlichkeiten von Fès in der späten Merinidenzeit 1464 Abu Abdullah al-Idrissi an. 1471 besetzten die Portugiesen die Stadt Asilah, gefolgt von vielen weiteren Küstenstädten entlang der Atlantikküste. Der Fall von Granada im Jahr 1492 und die Flucht der Andalusier nach Marokko, unter ihnen Abu Abdullah al-Ahmar hatten ebenfalls Auswirkungen auf den urbanen Stillstand. Diese Entwicklungen führten dazu, dass der Fokus auf militärische Auseinandersetzungen gelegt wurde, während das Interesse an medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Hospizen sowie an der Pflege von Parks und Gärten nachließ.

Die Dynastie der Saadier

Unter der Herrschaft der Saadier (سعديون), 1510-1659, entstanden prächtige Arkaden in der Qarawiyyin-Moschee, die Mauern der Altstadt wurden aufwendig restauriert, und imposante Türme wurden errichtet, die die beiden Idrissiden-Städte (al-Qarawiyyin und al-Andalus) majestätisch überragen. In Fès el-Jdid ergänzte man die ohnehin mächtigen Stadtmauern um drei zusätzliche Festungsanlagen. Darüber hinaus wurden an den westlichen Mauern der Stadt weitere Befestigungen vorgenommen und mehrere bedeutende Monumente errichtet, die das städtebauliche Erbe dieser Ära nachhaltig prägten.

Al Qarawiyyine-Moschee, Foto Eberhard Hahne

Die alawitische Dynastie

Nach dem raschen Zerfall der Saadier-Dynastie übernahm 1666 die alawitische Dynastie die Herrschaft über Marokko, und mit ihr kam das Interesse an der Stadt Fès el-Jdid wieder auf, abgesehen von der Regierungszeit von Sultan Mulay Ismail, der die Hauptstadt nach Meknès verlegte.

Sultan Mulay Rachid ordnete 1671 den Bau eines weiten, rechteckigen Hofs im östlichen Teil des Palastes an. Dieser Bau stellte eine der zahlreichen Erweiterungen des Palastes auf Kosten der öffentlichen Wohngebiete in Fès el-Jdid dar.

Mulay Rachid errichtete zudem die Kasbah von Cherarda im Norden von Fès el-Jdid, um seine Truppen, bestehend aus verschiedenen Stämmen, unterzubringen. Der Bau von Kasernen für die Truppen fügte der Stadt neue Flächen hinzu, einschließlich des nordwestlichen Teils, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts als „Hay Mulay Abdullah el-Jadid“ bekannt wurde. Hier residierte Sultan Mulay Abdullah, eine große Moschee sowie ein königliches Grabmal für die alawitische Dynastie errichten ließ.

Im 18. Jahrhundert wurde das Minarett der Moulay-Abdallah-Moschee erbaut. Im 19. Jahrhundert entstanden bedeutende Einrichtungen wie die Waffenfabrik „Dar al-Makina“ und der Park „Jnan Sbil“. Diese Bauten schufen neue Verbindungen zwischen der alten Medina und Fès el-Jdid und untermauerten die Rolle der Stadt als Zentrum der politischen und militärischen Macht.

Jnan Sbil

Jnan Sbil

Jnan Sbil

Jnan Sbil

Quintessens 

Fès el-Jdid hat sich durch einen bemerkenswerten Mix von Einwohnern aus verschiedenen Regionen des Maghreb hervorgetan, was es von anderen Städten unterscheidet. Ihre Bewohner zeichneten sich durch eigene Bräuche, Traditionen und Riten bei Festen und Trauer aus. Auch die starke Verbindung zur jüdischen Gemeinschaft, die dort über Jahrhunderte ansässig war, sowie zum „Dar al-Makhzen“, prägten die Stadt und machten sie zu einem Zentrum für die Verwaltung und das Militär, das maßgeblich die politische Zukunft Marokkos beeinflusste.

Über den Autor Idriss Al-jay
Übersetzung aus dem Arabischen