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Fes, Labyrinth der Sinnlichkeit

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Fès, konnte wie keine andere vergleichbare Stadt der Welt ihre kulturelle Identität bewahren. Hier haben die Jahrhunderte den Atem angehalten. Vor 1.200 Jahren vom Urenkel des Propheten Mohammed gegründet, herrscht in der Medina von Fès bis heute mittelalterliches Treiben. 

Fes: Labyrinth der Sinnlichkeit, Bab Bujloud, Foto: Fes, Medina von Eberhard Hahne

  Zeit für Minztee

Das winzige Café von Allal el Duali an der Ecke Ain Allou bietet eine willkommene Pause beim Thé de la Menthe, dem Nationalgetränk Marokkos. Zuckersüß und kochend heiß wird der Minztee getrunken. Das Glas mit den drei Fingern der rechten Hand gehalten und bitte nicht pusten, das sei verpönt, erklärt mir Abdallah. Sidi Allal ist in seinem Viertel eine Berühmtheit, seitdem ihn Prinzessin Lalla Hasna, Schwester des Königs Mohammed VI., zu einer Pilgerfahrt nach Mekka einlud, weil er so freundllich war. Er flog erster Klasse, wohnte im 5-Sterne-Hotel und durfte den Rest des Reisebudgets behalten. 

Möge Allah mit dir sein

„9.400 Gassen warten auf dich, möge Allah mit dir sein.“ Der Fahrer des roten Minitaxis grinst von einem Ohr zum anderen, als er vor dem Bab Boujloud anhält, einem der zwölf mächtigen Eingangstore der Altstadt von Fès. Ich stehe vor der größten Medina Nordafrikas, einer riesigen „Fußgängerzone“, in  der kein Fahrzeug die Luft verpestet, keine Reklame blendet und keine Maschinen dröhnen. Es duftet nach Zedernholz und Melonen. Noch immer umschließt die Wehrmauer aus dem 13. Jahrhundert die Altstadt vollständig. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war es Ungläubigen nur unter Einsatz ihres Lebens möglich, die streng bewachten Pforten zu durchschreiten.

Abendländische Reisende verkleideten sich als osmanische oder jüdische Händler, um die mysteriöse Stadt unbehelligt erkunden zu können und bangten stets, als Ungläubige enttarnt zu werden. „Am Tore wacht der Kaid mit scharfem Auge auf alle Kommenden, und gewiss lässt er keinen Christenhund nach seinem heiligen marokkanischen Mekka hinein“, vermerkte der Schweizer Abenteurer und Maler Frank Buchser im Jahr 1858 in seinen Aufzeichnungen. Fès war die große Unbekannte, die Geheimnisvolle.

Hinab ins Herz der Medina

Heutzutage bewachen aufdringliche „Faux Guides“, also selbsternannte Führer, die Eingangspforten, um den Fremden durch das Gassenlabyrinth der 2,8 Quadratkilometer großen Altstadt zu führen. Meist enden diese Art Führungen schnell in einem Teppichhaus, in der Hoffnung auf eine saftige Provision. Abdallah Barmaki, ein offizieller Führer, ausgewiesen durch eine blankpolierte Messingplakette auf seinem Kaftan und mit seinem rotem Fès – die gleichnamige Kopfbedeckung – nicht zu verfehlen, begrüßt mich mit einem herzlichen „As-salamu aleikum“. Er wirkt wie ein willkommenes Schutzschild gegen die aufdringlichen Helfer und andere Unbill.

Kaum sind die mächtigen Holzflügeltore des Bab Boujloud durchschritten, bricht orientalisches Leben wie eine gewaltige Woge über mich herein. Ein paar Cafés und Restaurants flankieren noch den kleinen Platz Sarrajine, doch schon nach ein paar Metern verengt er sich auf wenige Meter Breite, das Licht wird dämmrig, die Luft würzig.  

Abdallah geht flotten Schrittes voran. Hammelköpfe präsentieren sich liebevoll aufgereiht, an schweren Haken hängen ganze Tierhälften. Nun riecht es säuerlich. Hühnern wird vor den Augen der geneigten Kunden der Kopf abgeschnitten, gesalzene Kamelköpfe hängen auf Augenhöhe.  Der Souk Guezzarine, der Markt der Metzger, bildet den Anfang der Talaa Kbira, der großen Steige. Sie durchzieht die Medina wie eine Schlagader und führt geradewegs hinab ins Zentrum von Fès el Bali, dem alten Fès. Auf ihrer ganzen Länge, auch in den Seitengassen und kleinen Plätzen, reiht sich ein Laden an den nächsten.  

„Schon die Namen der Gassen und Plätze geben Auskunft über die angebotenen Waren“, erklärt Abdallah: Souk el Attarine, der Markt für Gewürze und Arzneikräuter, Souk Chemmaine, der Markt für Nüsse, Datteln und Feigen, Souk el Henna, ein wunderschöner Markt für Amber, Moschus, Henna, Khol und magische Substanzen, der Ledermarkt und natürlich gäbe es auch einen Markt für Handys und einen für Werkzeuge.

 

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Die hier angebotenen Waren unterscheiden sich nicht nach Art, sondern nur nach Qualität, Menge und natürlich dem auszuhandelnden Preis. Ladenschilder, Schaufenster, Etiketten, Werbung oder Kassen gibt es nicht. Die Waren sprechen für sich und jedes Geschäft ist garantiert inhabergeführt.

Marktbesuch für alle Sinne
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