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An-Nejjarine - Das pulsierende Herz von Fès - Wiedergeburt des Funduq

Seite 2 von 3: Wiedergeburt des Funduq

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Funduq historisches Foto

Die Wiedergeburt des Funduq

Funduq historisches FotoWenn von den historischen Funduqs (Karawanserais) von Fès die Rede ist - und davon gibt es in nahezu allen Handels- und Handwerksvierteln der Altstadt wie auch in Fès Jdid dutzende -, fällt unweigerlich der Name Funduq an-Nejjarine. Besonders in der ‘Adwat al-Qarawiyyin, dem Viertel rund um die große Qarawiyyin-Moschee, waren viele dieser Gästehäuser angesiedelt, da dort Handel und Handwerk am intensivsten florierten. Zu den bekanntesten gehört der Funduq at-Tetwaniyin, errichtet von den Meriniden (1244-1465), mit seinem prächtigen geschnitzten Eingang und den kunstvoll verzierten Eisenklopfringe.

Doch der Funduq an-Nejjarine übertrifft sie alle - an Schönheit, handwerklicher Raffinesse und baulicher Größe. Besonders nach seiner jüngsten Restaurierung strahlt er eine Pracht aus, die ihresgleichen sucht. Die Funduqs unterschieden sich in Größe und Funktion je nach Viertel und Standort. Manche dienten als Herbergen für Händler samt ihrer Tiere, ausgestattet mit großzügigen Innenhöfen. Andere waren vor allem Lager- und Werkstätten für Handwerker oder Zwischenlager für Waren - meist kleiner, oft mit ein oder zwei Etagen. Einige wiederum fungierten ausschließlich als einfache Herbergen für Reisende - traditionelle Gasthäuser, vergleichbar mit heutigen Hotels.

Viele dieser Gebäude gehörten dem religiösen Stiftungswesen (Hubous) ganz oder teilweise. Doch unter all diesen war der Funduq an-Nejjarine das schönste Bauwerk - das zweite architektonische Juwel des Platzes nach dem Wasserbrunnen. Er wurde 1711 von Amin Abdelkhalek ‘Addil errichtet, dessen Haus und die dazugehörige Gasse im Stadtviertel Oued Rchacha bis heute den Namen Dar ‘Addil tragen. Dieses Haus wurde später von den Franzosen zum ersten Museum der Stadt umfunktioniert - dem Musée des Arts et Traditions Populaires, bevor es 1915 in den Palais al-Batha verlegt wurde. Später wurde es zu einem Institut für andalusische Musik umgewandelt.

Wie viele Gebäude der Stadt erlebte auch der Funduq an-Nejjarine wechselhafte Zeiten. Im 18. Jahrhundert - zurzeit Sultan Moulay Isma‘ils (1672-1727) - war er ein florierendes Handelszentrum. Im 19. Jahrhundert wurde er unter Sultan Moulay Abd ar-Rahman (1822-1859) zu einem Lagerhaus des Staates umgewandelt. Danach verfiel er zusehends. 1916 wurde er von den französischen Protektorat Behörden zum historischen Denkmal erklärt, in den 1940er Jahren jedoch in ein Polizeirevier umgewandelt - eine Funktion, die er bis in die 1970er Jahre behielt.

Funduq heute, Foto: Eberhard Hahne

Funduq heute, Foto: Eberhard HahneSeine Renaissance begann in den 1990er Jahren unter der Schirmherrschaft des damaligen Premierministers Karim al-‘Amrani. Zwischen 1990 und 1996 wurden der Platz, der Wasserbrunnen, die Gassen Darb Mina und Zqaq ad-Dermami vollständig restauriert. 1998 schließlich wurde der Funduq als Holzmuseum neu eröffnet - in direkter Verbindung zu den benachbarten Tischlerwerkstätten.

Seine monumentale Fassade mit zwei gewaltigen Türen erinnert an die Eingänge königlicher Paläste. Darüber spannt sich ein kunstvoll verzierter Bogen aus Stuck und Mosaik, eingefasst von einem Dach aus fein gearbeiteten Holzintarsien - ein Sinnbild marokkanischer Handwerkskunst. Das Innere des Gebäudes ist durchzogen vom Duft edlen Holzes, belebt durch Vitrinen voller kunstvoller Fensterrahmen, Möbelstücke, Gitterwerke und Intarsien - stille Zeugen einer Jahrhunderte alten Handwerkskultur.

Der Boden ist mit kunstvoll gelegtem Kieselpflaster bedeckt - mit Mustern, die an römische oder griechische Mosaiken erinnern. Mächtige, runde Säulen - im unteren Teil mit Holz verkleidet - tragen Bögen aus fein modelliertem Stuck und rahmen die zentrale Halle ein. Zwei große, alte Waagen erinnern an die Zeit, in der der Funduq noch als Handelszentrum diente: Jeder Käufer konnte hier das Gewicht seiner Ware prüfen, um sicherzugehen, dass er nicht betrogen wurde.

In den oberen Stockwerken setzen sich die kunstvollen Details fort: Korridore mit Holzbrüstungen, getragen von verzierten Säulen, und ein zweites Stockwerk, dessen fein gearbeitete Geländer, Bögen und Holzstrukturen in perfekter Harmonie mit dem darunterliegenden stehen - ein architektonisches Meisterwerk, das sich dem Himmel öffnet und seine Wiedergeburt als Museum und Wahrzeichen der Stadt dem angrenzenden Tischlermarkt verdankt.

An-Nejjarine ist weit mehr als nur ein geografischer Mittelpunkt in der Altstadt von Fès - An-Nejjarine ist ein Spiegel der Stadtgeschichte, ein Knotenpunkt des Handels und kulturellen Austauschs. Vom prachtvollen Wasserbrunnen bis zum Funduq, von lebhaften Märkten und Gassen, von Werkstätten voller Leben bis zu Geschichten der Mystiker - dieser Platz vereint Vergangenheit und Gegenwart in einzigartiger Dichte. Wer hier verweilt, durchquert nicht nur Räume, sondern Zeiten - und erlebt Fès in seiner vielschichtigen Form.

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Ayn ‘Allu und Sidi Moussa
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