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Dar Al-Batha: Ein Meisterwerk andalusisch-marokkanischer Architektur

Wer hätte gedacht, dass jene unscheinbare Ebene namens Al-Batha - wie das arabische Lexikon sie beschreibt, ein „weitläufiges, flaches Gelände, in dem sich Wasser sammelt und Erde sowie kleine Kiesel zurücklässt“ - eines Tages zu einem der prominentesten und bedeutendsten Wahrzeichen der Stadt Fès werden würde?

Dar Al-Batha, Foto: marokko.com

Einst geprägt von kleinen, abgeschiedenen Bauten, eingeklemmt zwischen der Altstadt von Fès al-Bali und dem neueren Fès al-Jadid, sollte dieser Ort, der als Dar Al-Batha bekannt wurde, eines Tages zur Pilgerstätte für alle werden, die das Wesen der Traditionen und Bräuche sowie die Schönheit der andalusisch-marokkanischen Architektur ergründen möchten.

Mehr noch: Dar Al-Batha entwickelte sich zu einem lebendigen Spiegel der intellektuellen und religiösen Kultur, der Lebenskunst von Fès und seiner Umgebung. Wer hätte ahnen können, dass dieses Gelände einst zum Schauplatz eines Museums und eines dauerhaften Ausstellungsraums werden würde, in dem die beeindruckende Handwerkskunst des marokkanischen Kunsthandwerkers gewürdigt wird?

Hier entfalten sich die vielfältigen Schöpfungen und kreativen Werke, die eine Brücke schlagen zwischen dem Alltagsleben und den Zeremonien festlicher Anlässe - von Feiertagen bis hin zu familiären Feiern. Dar Al-Batha ist heute ein Ort der Besinnung und Bewunderung, an dem die Kreativität und der schöpferische Geist einer reichen Tradition in all ihren Facetten erstrahlen.

Die Geschichte von Dar Al-Batha

Dar Al-Batha, historisches Foto

Dar Al-Batha, Foto: marokko.comEinst war dieses Stück Land weder bekannt noch von städtebaulicher oder historischer Bedeutung - bis Sultan Hassan I. im Jahr 1873 den Thron bestieg und beschloss, die beiden Teile der Stadt Fès durch eine Reihe von Mauern, Palästen und königlichen Gärten wie dem Jnan Sbil miteinander zu verbinden. Im Rahmen dieses ehrgeizigen Projekts wurde das Land von Dar Al-Batha von der wohlhabenden Fassi-Familie Benjelloun erworben und dem Gelände des Dar Al-Bayda-Palastes (auch bekannt als Qasr Boujloud) angegliedert.

Zeitgenössische europäische Reisende berichteten, dass dieser Palast im Stil der Renaissance errichtet wurde, vermischt mit maurischer Architektur, und von europäischen Handwerkern gebaut wurde, die zum Islam konvertiert waren. Er diente als Sommerresidenz, Gästehaus für prominente Besucher und Erweiterung des königlichen Palastes.

1886 begann Sultan Hassan I. mit dem Bau von Dar Al-Batha, einem neuen Palast, doch er starb 1894, bevor das Gebäude vollendet war. Sein Sohn, Sultan Abdelaziz, übernahm noch im selben Jahr die Herrschaft und setzte die Bau- und Dekorationsarbeiten fort, bis der Palast 1907 fertiggestellt wurde. Nur ein Jahr später, 1908, wurde Abdelaziz entmachtet, und sein Bruder, Sultan Abdelhafid, trat die Nachfolge an. Abdelhafid war der letzte unabhängige Sultan Marokkos, bevor das Land durch den Vertrag von Fès am 30. März 1912 unter französisches Protektorat gestellt wurde.

Nach der Unterzeichnung des Vertrags verzichtete Abdelhafid auf die marokkanische Souveränität, und sein Bruder Yusuf wurde als Sultan eingesetzt. Während seiner kurzen Regentschaft widmete sich Abdelhafid der Verschönerung des benachbarten Dar Al-Bayda-Palastes, während Dar Al-Batha weiterhin als königliche Sommerresidenz und Empfangsort diente.

Mit der Etablierung des französischen Protektorats wandelte sich jedoch die Funktion dieser Paläste grundlegend. Dar Al-Batha und Dar Al-Baida wurden Sitz des französischen Generalresidenten Louis Hubert Gonzalve Lyautey. Er blieb bis 1925 im Amt und verlegte seinen Hauptsitz später nach Rabat, das seit 1912 zur Hauptstadt Marokkos erklärt worden war.

So erzählt die Geschichte von Dar Al-Batha von einem Ort, der vom namenlosen Landstück zu einem Symbol königlicher Pracht und schließlich zu einem zentralen Schauplatz kolonialer Macht wurde - ein Spiegel der wechselvollen Geschichte Marokkos.

Bis 1915 erfüllte der Palast Dar Al-Batha administrative Aufgaben, bevor der „Musée des Arts Locaux“ (Museum für lokale Künste) dorthin verlegt wurde. Dieses Museum hatte zuvor seinen Sitz im Haus von Amin Adil im Stadtviertel Oued Raschascha in der Altstadt von Fès. Im Laufe der Zeit entwickelte sich das Museum zu einem nationalen ethnografischen Museum und einem bedeutenden kulturellen Zentrum. 

1924 wurde Dar Al-Batha offiziell zum nationalen Denkmal erklärt. Ein Jahrzehnt später, 1936, wurde eines der zahlreichen, weitläufigen Häuser innerhalb des Palastkomplexes für einen besonderen Zweck umfunktioniert: Es diente als erstes Sendestudio des regionalen Rundfunks von Fès. Dieses Studio blieb bis 1961 in Betrieb, bevor es in ein neues Gebäude in der modernen Stadt (Ville Nouvelle) umzog, deren Bau auf Anordnung von General Lyautey begann. 

Bereits 1913 hatte Lyautey den Bau moderner Städte in Marokko angestoßen, wobei er besonderen Wert auf die Bewahrung des mittelalterlichen Charakters der Altstädte legte. Unter der Leitung des Pariser Architekten Henri Prost, Preisträger des Prix de Rome für Stadtplanung, wurden ab 1915 Studien und Pläne für diese neuen Stadtteile erstellt. Schließlich fiel die Wahl auf die Region Dar Dbibegh als Standort für die moderne französische Stadt, die später das Gesicht von Ville Nouvelle prägte. 

Die Geschichte von Dar Al-Batha zeugt von seiner Wandlungsfähigkeit: von einem Palast und Verwaltungssitz über ein nationales Denkmal bis hin zu einem kulturellen Leuchtturm, der tief in der historischen und modernen Entwicklung von Fès verwurzelt ist.

Architektonisches Bindeglied und Zeugnis der Geschichte von Fès

Dar Al-Batha, Foto: marokko.com

Im Kontext von Fès als damaliger Hauptstadt Marokkos spielte der Bau des Palastes Dar Al-Batha eine zentrale Rolle. Als südwestliches Tor zum königlichen Palast und Endpunkt einer Reihe von Palästen und königlichen Einrichtungen, die sich von der merinidischen Stadt Fès al-Jadid bis zu den westlichen Vorhöfen der Altstadt erstreckten, öffnete Dar Al-Batha zugleich eine Verbindung zur westlichen und nördlichen Peripherie der Stadt.

In seiner Umgebung entstanden bedeutende Verwaltungs- und Repräsentationsbauten, darunter die Postverwaltung, das britische Konsulat, das Amtsgericht sowie prachtvolle Residenzen. So etwa der Palast des Paschas Tazi oder der Palast von Thami El Glaoui (1878-1956). Letzterer, der einst loyal zum Königshof stand, wandelte sich später zu einem der größten Rebellen, indem er sich der französischen Protektoratsmacht anschloss.

In der Nähe wurden weitere Residenzen hochrangiger Persönlichkeiten errichtet, darunter die Häuser von:

  • Mohammed El Mokri (1860-1957): Er erlebte fünf Sultane und mehrere französische Generalresidenten und wurde vom Protektorat zum Großwesir ernannt. Als Befürworter des umstrittenen Berber-Dahirs und der Verbannung Mohammeds V. nach Korsika hinterließ er eine zwiespältige historische Spur.
  • El-Hadjib Tahami Ababou: Als königlicher Haushofmeister wurde er später von Mohammed V. seines Amtes enthoben.
  • Mehdi El-Menebhi: Einst ein einfacher Bote im Dienst von Ba Ahmed, dem Großwesir von Sultan Abdelaziz, stieg er zum Kriegs- und Außenminister sowie Botschafter in Deutschland und England auf. Nach seinem Tod 1936 in Tanger wurde sein Haus zunächst zum Sitz von General Lyautey, später zur ersten weiterführenden Schule von Fès, bevor es von der berühmten Moulay-Idriss-Schule abgelöst wurde.
  • Mohammed Makwar (1892-1988): In seinem Haus wurde die Unabhängigkeitserklärung Marokkos geschrieben und unterzeichnet.

Diese und viele weitere Gebäude, die einst von einflussreichen Persönlichkeiten bewohnt wurden, machen die Gegend um Dar Al-Batha zu einem lebendigen Archiv der politischen, kulturellen und sozialen Geschichte von Fès - und letztlich von ganz Marokko.

Künstlerisches Meisterwerk voller Geschichte und Geheimnisse

Dar Al-Batha, Das Museum, historisches Foto

Der Palast von Dar Al-Batha ist ein einzigartiges Kunstwerk, das den nostalgischen Geist andalusischer Eleganz widerspiegelt. Seine beiden symmetrischen Flügel wirken wie ein Gedicht, in dem die Vergangenheit von den Zwängen der Moderne befreit erscheint. Sobald der Besucher das massive Tor durchschreitet, taucht er in eine prachtvolle Szenerie ein, die einem sagenhaften Märchen entsprungen zu sein scheint - doch sie ist erstaunlich real.

Im ersten weitläufigen Bereich, der als Dar Al-Kabira (das große Haus) bekannt ist, dominieren hohe Säulen und majestätische Türen. Es ist ein Labyrinth aus miteinander verbundenen Gängen, Räumen und Innenhöfen. Die verschlungenen Wege und unvorhersehbaren Verbindungen ähneln einem rätselhaften Spiel, das den Besucher auffordert, einen verborgenen Schatz zu finden. Einige dieser Räume bilden eigenständige kleine Häuser mit symmetrischen Zimmern, einer zentralen Fontäne und den notwendigen Einrichtungen. Ohne Führung könnte man sich leicht verirren und in diesem komplexen Netz aus Gängen und verschlungenen Wegen den Ausgang nicht finden.

Bis in die 1970er-Jahre beherbergte dieser Bereich zahlreiche historische Schätze, darunter Säulen, Statuen und Artefakte aus der antiken maurischen Hauptstadt Volubilis (ca. 3000 v. Chr. bis 285 n. Chr.). Auch die prächtige Pferdekutsche von Sultan Hassan I. war hier zu sehen, ebenso wie der berüchtigte Käfig, in dem der Rebellenführer Bou Hmara (1860-1909) gefangen gehalten und durch das Land geführt wurde. Bou Hmara, der sich 1901 als ältester Sohn von Sultan Hassan I. ausgab, war mit einem Esel durch die nordöstlichen Regionen Marokkos gezogen und hatte eine Rebellion angeführt.

Weiterhin beherbergte der Palast europäische Kanonen und Waffen, die in der berühmten Schlacht von Oued Al-Makhazin (1578) eingesetzt worden waren, bevor sie größtenteils ins Militärmuseum des Borj Nord (Borj An-Nour) verlegt wurden. Ebenso fanden sich hier kunstvoll geschnitzte Minbars (Kanzeln) aus der Zeit der Almoraviden und Almohaden.

Heute umfasst das Ethnografische Museum von Dar Al-Batha mehr als 6.500 Objekte, die die Vielfalt des marokkanischen Handwerks repräsentieren. Zu den Ausstellungsstücken gehören:

  • Kalligrafie- und Malereikunst, historische Koranausgaben, Astrolabien, Waagen und Maßeinheiten.
  • Traditionelle Musikinstrumente, Kleidungsstücke, Schmuck und kunstvoll geknüpfte Teppiche.
  • Restaurierte Fragmente architektonischer Elemente aus der Idrisidenzeit, darunter Überreste des Minbars der Andalous-Moschee aus dem 9. Jahrhundert, gefertigt unter der Schirmherrschaft der Umayyaden, Fatimiden und Andalusier.
  • Werke aus der Merinidenzeit, darunter ein Minbar der Madrassa Abu Inan aus dem 14. Jahrhundert, sowie zahlreiche Keramiken, landwirtschaftliche Werkzeuge und Geräte zur Ölpressung.

Die Exponate sind liebevoll nach Themen und Räumen geordnet, was den Besuch des Museums zu einer Reise durch die kulturellen, handwerklichen und historischen Schätze Marokkos macht. Dar Al-Batha bleibt ein lebendiges Zeugnis der reichen Geschichte von Fès und seiner handwerklichen Meisterwerke.

Natur und Kultur im Palast Dar Al-Batha

Dar Al-Batha, Foto: Eberhard Hahne

Gegenüber dem großzügigen Bereich des Dar Al-Kabira liegt der sogenannte Dar Al-Saghira (das kleine Haus), dessen Eingang ein eleganter, mit feiner Mosaik ausgelegter Hof ziert. In der Mitte des Hofes plätschert ein Brunnen, umgeben von mehreren Räumen, die heute keramische Kunstwerke ausstellen. Zwischen diesen beiden Bereichen erstreckt sich ein prachtvoller Garten, der wie ein tieferliegendes Geschoss wirkt und über Treppen von allen vier Seiten erreichbar ist.

Der Garten, der einen bedeutenden Teil des Palastareals einnimmt, wurde 1915 vom französischen Landschaftsarchitekten Jean-Claude Nicolas Forestier angelegt, um den Gästen, besonders im heißen Sommer, Erholung zu bieten. Er ist mit einer zentralen Fontäne und erhöhten Wegen ausgestattet, die an chinesische Gestaltungselemente erinnern: kunstvoll verzierte Holzdächer und filigran geschnitzte Säulen rahmen die Wege ein. Der Garten beherbergt eine Vielzahl von Pflanzen und Bäumen, darunter Palmen, Jacaranda, Ebenholz, Hibiskus, Akazien und duftende Blumen, die dem Ort eine bezaubernde Atmosphäre verleihen.

Die mit bunten Mosaiken ausgekleideten Böden des Palastes sind eine Hommage an die andalusisch-marokkanische Architektur, die sich in ihrer Perfektion und Harmonie widerspiegelt. Der Palast erinnert an die prächtigen Bauten der Nasriden in Granada sowie an das Erbe der Umayyaden und Almohaden in Cordoba. Seine Schönheit liegt nicht nur in seiner historischen Bedeutung, sondern auch in der Vielseitigkeit seiner Räume, die unterschiedlichste kulturelle und spirituelle Aktivitäten ermöglichen.

Ein besonders beliebtes Highlight ist die jährlich errichtete Bühne im vorderen Bereich des Palastes. Hier finden während des Festivals der spirituellen Musik abendliche Konzerte und Nachmittagsveranstaltungen statt, die unterschiedlichste musikalische Stilrichtungen zelebrieren. Gleichzeitig dienen die Räume des Palastes als Treffpunkte für intellektuelle und wissenschaftliche Beiträge, die Teil des Festivals sind.

Darüber hinaus hat der Palast viele kulturelle und künstlerische Veranstaltungen beherbergt, darunter Theaterfestivals wie das Improvisationstheater oder soziale und feministische Initiativen. Auch als Filmkulisse hat Dar Al-Batha bereits Geschichte geschrieben. In seinen Mauern wurden bedeutende Werke über die islamische Geschichte Andalusiens gedreht, etwa Serien wie Die Taifa-Könige oder Die Almoraviden.

Der Palast von Dar Al-Batha vereint in perfekter Harmonie architektonische Pracht, natürliche Schönheit und kulturelle Lebendigkeit, wodurch er zu einem unverzichtbaren Symbol des kulturellen und künstlerischen Erbes von Fès wird.