Was mir die Maler erzählten - Eine poetische Reise durch die Seele der Kunst
In „Ce que m'ont dit les peintres (Was mir die Maler erzählten)“ entfaltet Abdelhak Najib ein faszinierendes literarisches Mosaik, das die Leser:innen auf eine intime Reise in die Welt der Malerei entführt. Das Buch, zugleich Essay, Reflexion und poetische Hommage, versteht sich als Brücke zwischen den inneren Welten der Maler und den unzähligen Interpretationen, die ihre Werke hervorrufen. Es ist ein Dialog zwischen der Stimme des Autors und den unausgesprochenen Worten, die die Leinwände zu flüstern scheinen.
Najib beginnt seine Erzählung mit einer elementaren Frage: Wie kann die Kunst das Unsichtbare sichtbar machen? Mit dieser Ausgangsbasis erkundet er das Wesen der Malerei als Sprache des Unaussprechlichen, als Ausdruck von Emotionen, Sehnsüchten und existenziellen Fragen. Der Autor reflektiert über das unaufhörliche Streben der Maler, Licht und Schatten, Formen und Farben in eine universelle Wahrheit zu verwandeln, die über das Individuelle hinausgeht und das Menschliche im Allgemeinen berührt.
Durch eine Reihe von Begegnungen mit Malern - seien sie historisch oder zeitgenössisch, real oder imaginär - zeichnet Najib eine facettenreiche Landkarte künstlerischer Visionen. Die Gespräche, die der Autor mit diesen Künstlerfiguren führt, sind sowohl introspektiv als auch philosophisch und bewegen sich zwischen konkreten Schilderungen von Atelier-Szenen und tiefgehenden Überlegungen zu Themen wie Kreativität, Inspiration und die Bedeutung der Kunst in einer Welt voller Widersprüche.
Besonders beeindruckend ist Najibs Fähigkeit, das Leben der Maler mit ihren Werken zu verweben. Er beschreibt, wie ihre Biografien, ihre Kämpfe und ihre Triumphe in die Struktur ihrer Gemälde eingeschrieben sind. Jedes Bild wird zu einer Art offener Text, den Najib meisterhaft dechiffriert. Er lädt die Leser:innen ein, nicht nur mit den Augen zu sehen, sondern mit dem Herzen zu fühlen, was die Pinselstriche zu erzählen versuchen. Kunst wird hier nicht als etwas Statisches präsentiert, sondern als lebendiger Dialog, als eine Suche nach Sinn und Schönheit in einer oft chaotischen Welt.
Ein zentraler Aspekt des Buches ist die Betonung der Spiritualität der Malerei. Najib argumentiert, dass das Schaffen von Kunst ein zutiefst spiritueller Akt sei, der über das Materielle hinausgeht. In einer Zeit, die oft von Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit geprägt ist, zeigt das Buch, wie Kunst uns ermutigt, innezuhalten, zu reflektieren und uns mit etwas Größerem zu verbinden. Der Autor erinnert uns daran, dass die Leinwand nicht nur ein Ort der künstlerischen Schöpfung ist, sondern auch ein Spiegel unserer innersten Sehnsüchte und Ängste.
Die Sprache Najibs ist dabei ebenso kunstvoll wie die Werke, die er beschreibt. Seine Sätze sind wie Pinselstriche: mal fein und zart, mal kräftig und expressiv. Er schafft es, die Sinnlichkeit der Malerei in Worte zu fassen, ohne sie auf einfache Beschreibungen zu reduzieren. Es ist eine Sprache, die sich ihrer eigenen Grenzen bewusst ist und doch versucht, das Unfassbare zu greifen.
Insgesamt ist „Ce que m'ont dit les peintres“ weit mehr als ein Buch über Malerei. Es ist ein Liebesbrief an die Kunst, eine Einladung zur Selbstreflexion und ein Plädoyer für die transformative Kraft der Kreativität. Abdelhak Najib gelingt es, die Leser:innen auf eine sinnliche und intellektuelle Reise mitzunehmen, die lange nachhallt. Dieses Werk ist ein idealer Anlass, über die Bedeutung der Kunst in unserem Leben nachzudenken - und darüber, wie sie uns helfen kann, die Welt und uns selbst besser zu verstehen.
Leseprobe
„Die Leinwand ist keine bloße Fläche, die darauf wartet, gefüllt zu werden. Sie ist ein Echo, das die Stille des Universums widerspiegelt. Als ich das Atelier von Pierre betrat, umgeben von unfertigen Gemälden, roch es nach Öl, Terpentin und einer undefinierbaren, zeitlosen Sehnsucht. Er sprach nicht viel, doch seine Hände erzählten Geschichten, während sie über die Leinwand glitten. ‚Ich male nicht die Welt, die du siehst,‘ sagte er schließlich, ohne mich anzusehen. ‚Ich male die Welt, wie sie sich in meinem Inneren verzerrt, gefiltert durch Erinnerungen, Träume und das, was ich nicht in Worte fassen kann.‘
Ich fragte ihn, ob er Angst habe, sich in dieser inneren Welt zu verlieren. Er lächelte - ein leises, fast schüchternes Lächeln - und antwortete: „Nein, die Kunst ist mein Kompass. Sie zeigt mir den Weg zurück, auch wenn ich manchmal nicht weiß, wo „zurück“ überhaupt ist.“ Seine Worte trafen mich wie ein sanfter Schlag. Ich dachte an die vielen Stunden, die ich damit verbracht hatte, Gemälde anzusehen, ohne sie wirklich zu sehen, an meine Unfähigkeit, hinter die Oberfläche zu blicken. Pierre lehrte mich, dass jedes Bild ein Rätsel ist - ein Geheimnis, das der Künstler nur andeutet, ohne es jemals vollständig zu enthüllen.
Später, als die Dämmerung das Atelier in ein sanftes Gold tauchte, deutete Pierre auf ein unfertiges Gemälde, das an der Wand lehnte. „Siehst du das?“, fragte er, und ich nickte, obwohl ich unsicher war, was genau er meinte. „Das ist der Moment, bevor die Wahrheit Gestalt annimmt. Die Linie, die Form, die Farbe - sie alle tanzen auf einem unsichtbaren Faden. Wenn ich Glück habe, finde ich diesen Faden. Wenn nicht, bleibt nur Chaos... „Aber weißt du“, fügte er hinzu, „manchmal ist das Chaos schöner als jede Ordnung.“
Seine Worte blieben bei mir, lange nachdem ich das Atelier verlassen hatte. Es war, als hätte ich nicht nur einen Künstler, sondern einen Alchemisten getroffen, der es verstand, das Unsichtbare in sichtbare Formen zu verwandeln. Und vielleicht, so dachte ich, ist das genau die Essenz der Malerei: ein Versuch, das, was jenseits unserer Sinne liegt, für einen flüchtigen Moment greifbar zu machen.“