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Surfurlaub in Taghazout, Marokko

„Paddle faster, Papa!“, ruft Mehdi, während Joschi versucht, die ideale Startposition auf der Welle zu erwischen. Joschi paddelt, was seine Arme hergeben, hebt den Oberkörper an und springt im richtigen Moment auf das Brett – ready to take off. Kurzes Schwanken, dann findet er die Balance und reitet die Welle - wow, was für ein Gefühl! Dieser Adrenalinschuss entschädigt für alle Fehlversuche vorher.

Surfurlaub in Taghazout, auf der gemütlichen Dachterrasse des Surfcamps Lapoint (Foto: Astrid Därr)

 

Hinter der Brechungslinie, im Line-Up, warten die Surfanfänger auf das nächste einkommende Set. Der Surflehrer Mehdi kündigt das Set an, paddelt vor und zeigt eine gute Position. Um eine Welle zu erwischen, braucht es Kraft, Übung und Erfahrung. Paddelt Joschi zu langsam, läuft die Welle unter ihm durch. Wenn er zu weit vor die Welle gerät, bricht sie über seinem Kopf zusammen und ihn spült es wie im Schleudergang der Waschmaschine durchs Weißwasser – Whipe out! Joschi steigt noch stundenlang nach dem Surfen das Salzwasser aus den Nebenhöhlen in den Mund.

Surfkurs am Banana Beach nahe Taghazout (Foto: Astrid Därr)

Mehdi trägt die für marokkanische Surflehrer obligatorische Frisur mit blonden Strähnen auf dem lockigen Wuschelkopf. Er hat immer einen lustigen Spruch parat und für jeden seiner Schüler einen Spitznamen. Joschi nennt er nur „Papa“, weil wir zusammen mit unserem 5 Monate alten Sohn Nelion angereist sind. Surfen fällt für mich als Mami mit Säugling zwar leider aus, obwohl ich sonst für jedes sportliche Abenteuer zu haben bin. Aber relaxen am Sandstrand und über die Stürze der Surfer lachen ist ja auch nicht schlecht.

Im sehr gut organisierten Surfcamp Lapoint in Taghazout nördlich von Agadir gehören wir als Familie zu den Exoten. Die anderen Surfer im Camp sind ungefähr 20 Jahre jünger als wir und Singles. Auf der Dachterrasse herrscht abends nach dem üppigen Büffet lockere Partystimmung mit Musik und Drinks von der Bar. Wir sind zwar Methusalems zwischen den Studenten aus Dänemark, Deutschland, der Schweiz und den USA, doch alle - ob Personal, Surflehrer oder andere Surfer - sind unheimlich nett und freuen sich über den Babysurfer im Camp. Wir haben wie die meisten ein Paket für eine Woche Unterkunft mit Halbpension, Surfausrüstung und Kurs gebucht. Die billigste Option ist eine Übernachtung im Dorm mit mehreren Betten, wir sind in einem gemütlichen, hellen Doppelzimmer mit Bad, kleinem Balkon und Klimaanlage untergebracht. Das hübsche Café La Paix im Erdgeschoss bietet leckere Wraps, Burger und Salate an, wenn man nach dem Surfen noch einen Snack vertragen kann. Zweimal wöchentlich gibt´s zur Muskeldehnung und -entspannung eine Yogasession auf der Dachterrasse mit Meerblick.

Die schön felsumrahmten Sandstrände um Taghazout zählen schon lange zu den besten Surfspots Marokkos für Anfänger und Profis: Banana Beach, Anchor Point, Killer und Camel Point sind nur einige der angesagten Spots. Zudem sind sie gut erreichbar: Von Agadir sind es nur etwa 30 km auf gut ausgebauter Straße nach Norden. Von Marrakesch fahren Busse oder man nimmt die Autobahn (ca. 3 Std.). Vor 15 Jahren gab es in Taghazout nicht viel mehr als eine Moschee und ein paar Kramerläden. Jetzt finden Touristen an jeder Ecke einen Surfshop, in den Restaurants gibt es neben Tajine auch vegetarisches „Health Food“ und diverse Gästehäuser bieten Unterkunft, Surfausrüstung und -kurse an. Dennoch hat sich Taghazout das Flair eines kleinen Fischerdorfes bewahrt. Durch kleine Gässchen zwischen den blau-weißen Häusern schlendern wir runter zum Strand, an dem die Fischerboote aufgereiht liegen. In einem der netten Cafés direkt oberhalb des Strands schlürfen wir einen „Café au lait“ und beobachten den Sonnenuntergang über dem Atlantik.

Der nächste Morgen beginnt mit strahlendem Sonnenschein. Die Surfgruppe von Joschi fährt heute schon um 7.30 Uhr mit dem Minibus zum Camel Point, um die besten Wellen zu erwischen. Mehdi macht einige lustige Aufwärmübungen und zeigt dann den Bewegungsablauf für den Bottom Turn, ein Manöver, um die grüne Welle seitlich absurfen zu können. Nach drei Stunden paddeln, surfen und durchs Wasser gespült werden, kehrt die Gruppe hungrig zum späten Frühstück ins Camp zurück. Erschöpft legen sich die meisten später zum Sonnen und Lesen auf die obere Terrasse. Nachmittags bleibt noch Zeit für uns, um auf der Promenade vom Dorf zum südlichen Sandstrand zu schlendern, bei einem der mobilen Teeverkäufer einen „Thé à la menthe“ zu schlürfen und nochmal ins Wasser zu springen. Bei Temperaturen um die 28°C (und das im Januar!) geht das sogar ohne Neopren, wenn auch nur kurz…

Profi-Wellenreiter am Anchor Point (Foto: Astrid Därr)Am nächsten Tag ist Ruhe im Camp - wer möchte, nimmt an einem organisierten Ausflug ins nahe gelegene, idyllische Paradise Valley teil. Die anderen relaxen oder spazieren - wie wir - auf den Küstenfelsen nach Norden zum Anchor Point. Dort zeigen die echten Profis aus Australien, Hawaii, Südafrika und Marokko beim Wettbewerb Pro Tagahazout Bay der World Surf League wie man die gewaltigen Wellen am Reefbreak richtig surft. Joschi versucht sich die richtige Technik abzuschauen, um endlich den Dreh raus zu kriegen…

Von Tag zu Tag fühlen sich die Kursteilnehmer besser auf dem Brett, auch wenn schon langsam die Muskeln in Armen und Schultern brennen. Am letzten Surftag im Camp erklärt Mehdi, wie man mit Hilfe der Turtle Roll besser hinter die Brandung gelangt, ohne dass die anrollende Welle das sperrige Softboard mitsamt dem Surfer umreißt. Er dreht das Brett dabei über seinen Kopf und taucht ab, während die Welle über ihm bricht. Dahinter paddelt er weiter raus zum Line-up. Heute gibt die Gruppe noch mal Vollgas und surft vom späten Nachmittag bis die Kräfte schwinden, die Kälte in den Neoprenanzug kriecht und die Sonne glühend rot im Meer versinkt.

Taghazout, wir kommen wieder!

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