Zwischen Glauben und Vernunft: Die Suche nach dem Menschsein
Wie lebt man, wenn weder Glaube noch Vernunft uns vor der Last unserer eigenen Existenz bewahren können? Diese Frage gehört zu den tiefsten Rätseln des Lebens, besonders in einer Welt, in der das bloße Überleben oft zur einzigen Antriebskraft wird.
Der Mensch steht zwischen zwei Extremen: einem Glauben, der oft unzureichend bleibt, und einer Logik, die die Absurdität des Lebens in ihrer ganzen Tiefe offenbart. Inmitten dieser unlösbaren Gleichung bleibt nur der Zweifel, ein Zustand, der jede rationale Grundlage erschüttert und den Menschen in eine tiefe innere Krise stürzt.
Der Konflikt zwischen Körper und Seele zeigt sich besonders deutlich, wenn der Körper weitermacht, während die Seele stillsteht. Wir atmen, denken und handeln, doch das Bewusstsein einer inneren Leere macht uns verletzlich. In diesem Widerspruch liegt eine schmerzhafte Wahrheit: Viele urteilen schnell, aber nur wenige denken wirklich tief nach. Die Lösung besteht darin, unsere Unvollkommenheit anzunehmen. Es ist diese Einsicht, die uns zeigt, dass wir trotz Verlusten weitermachen können – gezeichnet, aber dennoch widerstandsfähig.
Der Mensch, der die Härten des Lebens durchlebt hat, wird zu einem wahren Meister des Daseins. Seine Narben sind keine Schwächen, sondern Quellen des Lichts, das in die Tiefen seiner Seele fällt. Heraklit sagte, dass ein Lehrer das Leben erhellen, aber auch brennen lassen kann. Dieser Weg verlangt Demut und Mut zugleich. Wer seiner inneren Wahrheit treu bleibt, wird weder sich selbst noch seine Überzeugungen verraten.
Die Schöpfung als Akt des Widerstands
Der schöpferische Mensch hat die Fähigkeit, Licht in die Dunkelheit der Welt zu bringen. Trotz Hindernissen und feindlicher Kräfte arbeitet er unermüdlich daran, Leid zu lindern und Hoffnung zu schenken. Doch gerade in der Güte liegt eine Gefahr: Die Bösartigkeit anderer richtet sich oft gegen jene, die sich mit Menschlichkeit und Großzügigkeit auszeichnen. Die Haltung der inneren Stärke und die Fähigkeit, selbst Verrat und Feindseligkeit mit Mitgefühl zu begegnen, kennzeichnen die wahre Größe eines Menschen. Wie Alexandre Dumas schrieb: „Die wirklich Großzügigen sind bereit, ihre Feinde zu verschonen, wenn deren Leid größer ist als ihre eigene Wut.“
Die richtige Haltung angesichts der Absurditäten des Lebens ist die Distanz: taub für die Dummheit, blind für die Hässlichkeit. Der Dichter Al-Mutanabbi fasste es treffend zusammen, als er schrieb: „Ich bin derjenige, der dem Blinden seine Poesie gezeigt und dem Tauben ihren Rhythmus hören ließ.“ Diese Haltung erfordert jedoch Zurückhaltung: das Schweigen als Mittel, die Essenz zu bewahren, und die Fähigkeit, die Leichtigkeit des Seins in der Tragikomödie des Lebens zu erkennen. Der wahre Künstler - der Künstler des Lebens - ist derjenige, der ironisch mit der Existenz umgeht, der die Tragik in Komik verwandelt und sie als Gelegenheit begreift, das Beste aus sich selbst zu machen.
Die moderne Welt leidet unter dem Verlust klassischer Bildung und der damit verbundenen Geisteshaltung. Es gibt keine wertvolleren Lehrer als die Geschichte, die Fehler vergangener Zivilisationen und die daraus gezogenen Lehren. Ein wacher, freier Geist, der mit einem Hauch von Wahnsinn die Schwere der Zeit überwindet, ist unerlässlich, um in einer Welt zu bestehen, die oft auf ihre eigene Dummheit und Grausamkeit reduziert ist.
Die Essenz des Menschseins
Letztendlich ist das Leben eine Bühne, auf der der Mensch die Möglichkeit hat, die beste Version seiner selbst zu werden. Die Tragikomödie des Daseins erfordert Mut, Geduld und die Fähigkeit, trotz der Dunkelheit immer wieder Licht zu schaffen. Weder die Lobhudelei anderer noch ihre Kritik sollte Einfluss auf das eigene Wesen haben, denn wahre Stärke entsteht aus der inneren Unabhängigkeit und der Fähigkeit, das eigene Leben mit Würde und Klarheit zu gestalten.
Über Abdelhak Najib*
Übersetzung aus dem Französischen durch marokko.com