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Licht, Hoffnung und die Kraft des Ja-Sagens

Neues Jahr, neue Versprechungen: Mit dem Jahreswechsel beginnt ein neuer Zyklus - eine Zeit, in der wir das Kommende annehmen müssen, unabhängig davon, welche Herausforderungen es birgt. Es liegt an uns, die Tage, die vor uns liegen, mit Offenheit, Resilienz und einer Prise Freude zu empfangen.

 

Lichtquelle der Hoffnung, Foto: Neil Rosenstech auf unsplash

Der Dichter und Widerstandskämpfer René Char[1] erinnert uns daran, dass es nur „ein Lichtstrahl und zwei Hände“ braucht, um glücklich zu sein. Doch nicht jeder besitzt die Fähigkeit, diesen Lichtstrahl zu erkennen oder die ausgestreckte Hand des Mitmenschen zu ergreifen. Genau hier beginnt die Herausforderung: Die Kunst, Hoffnung in einem scheinbar hoffnungslosen Moment zu finden.

Der französische Schriftsteller Georges Bataille[2] lehrt uns: „Das, was wir lieben, ist immer das Unerwartete, das Unvorstellbare.“ Diese Aussage fordert uns dazu auf, das Unbekannte zu umarmen, denn das Leben entfaltet sich oft jenseits unserer Erwartungen. In diesem Sinne verweist auch Friedrich Nietzsche in seinem Neujahrswunsch darauf, dass wahres Glück darin liegt, die „Notwendigkeit in den Dingen als das Schöne zu sehen.“ Sein Motto „Amor fati[3]“ (das Schicksal lieben) - die Liebe zum eigenen Schicksal - ruft dazu auf, das Leben in all seinen Facetten zu bejahen, auch in den schwierigen Momenten.

In einer Zeit, in der Negativität und Verneinung dominieren, wird das Ja-Sagen zu einem Akt des Widerstands. Es bedeutet, gegen den Strom der Verzweiflung anzukämpfen und dem Leben, trotz aller Widrigkeiten, mit einem bejahenden Geist zu begegnen. Dieses Ja erfordert Mut und ist, wie Nietzsche sagt, „die größte Form menschlicher Stärke.“

Hoffnung in einer Welt der Dunkelheit

Trotz aller Schattenmomente bleibt Hoffnung ein unverzichtbarer Bestandteil der menschlichen Existenz. Paul Éluard[4] drückt es poetisch aus: „Im Namen meiner Hoffnung schreibe ich gegen die Dunkelheit an.“ Hoffnung bedeutet Handeln - selbst dann, wenn kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist. René Char betont, dass die Sterne uns dazu einladen, miteinander zu sprechen und die Verbundenheit zu erkennen: „Die Morgenröte hat ein Dach, und mein Feuer sind deine zwei Hände.

Das Leben gleicht einem kosmischen Kreislauf, in dem nach der Dunkelheit immer wieder die Dämmerung folgt. Diese kosmische Gesetzmäßigkeit erinnert uns daran, dass selbst in den dunkelsten Zeiten das Licht letztlich triumphiert. Die Herausforderung besteht darin, diesen Lichtschimmer wahrzunehmen und ihm zu folgen.

Der Weg ist das Ziel, Foto: Pranam Gurung auf unsplashDer Weg als Ziel: Das Streben nach Erkenntnis

Der Weg zu einem erfüllten Leben erfordert Ausdauer und Entschlossenheit. Wie T.S. Eliot[5] sagt: „Nur wer das Risiko eingeht, zu weit zu gehen, wird herausfinden, wie weit man tatsächlich gehen kann.“ Der Weg selbst ist das Ziel - ein ständiges Voranschreiten, ohne festes Ziel, ohne Endpunkt.

Diese Reise verlangt geistige Wachsamkeit und innere Harmonie. Wie eine gut eingestellte Uhr, die nicht schneller, sondern präziser läuft, sollten auch wir darauf achten, dass unser Streben von Gerechtigkeit und Ausgewogenheit geleitet wird. Virginia Woolf[6] erinnert uns daran, dass „die weiteste Reise die Reise zu sich selbst ist.

Eine Einladung zur Selbstreflexion

Das neue Jahr bietet uns 365 Tage, um zu innerer Klarheit zu gelangen. Es ist eine Einladung, Geographen, Topographen und Chronisten unseres eigenen Lebens zu werden. Selbst wenn das Jahr nicht makellos ist, kann es doch anders und bedeutungsvoll werden, wenn wir uns auf diese innere Reise einlassen.

Das Licht eines neuen Tages wird stets diejenigen erreichen, die den Mut haben, es zu suchen. Das Leben bejahen - Amor fati - bedeutet, das Leben so zu akzeptieren, wie es kommt, und aus jedem Moment das Beste zu machen.

Über Abdelhak Najib*
Übersetzung aus dem Französischen

 

 

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[1] René Char (1907–1988) – Dichter und Widerstandskämpfer. Er war ein französischer Lyriker, dessen Werk sowohl von der Surrealismus-Bewegung als auch von seiner Erfahrung im Widerstand gegen die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg geprägt wurde. Er wurde 1907 in L’Isle-sur-la-Sorgue geboren und schloss sich in den 1920er-Jahren dem Kreis um André Breton an. Während des Krieges schloss sich Char der Résistance an und operierte unter dem Decknamen „Capitaine Alexandre“. Seine Gedichte aus dieser Zeit wurden in der Sammlung „Fureur et Mystère“ (1948) veröffentlicht. Sie zeugen von Kraft, Hoffnung und humanistischem Idealismus und verbinden lyrische Schönheit mit existenzieller Tiefe.

[2] Georges Bataille (1897–1962) – Philosoph, Schriftsteller und Kulturtheoretiker. Er war ein französischer Schriftsteller, Philosoph und Kulturkritiker, dessen Werke sich mit Themen wie Erotik, Tod, Transzendenz und dem Überschreiten gesellschaftlicher Grenzen auseinandersetzen. Er wurde 1897 in Billom geboren und führte ein vielschichtiges Werk, das Literatur, Philosophie, Anthropologie und Kunsttheorie miteinander verband.

[3] Nietzsche sah in „Amor fati“ eine Lebensbejahung: Man solle nicht nur das, was einem gefällt, akzeptieren, sondern auch das, was schwierig und schmerzhaft ist. Für ihn war das ein Weg zu echter innerer Freiheit und Stärke.

[4] Paul Éluard (1895–1952) – Dichter der Liebe, Freiheit und Menschlichkeit. Mit bürgerlichem Namen Eugène Émile Paul Grindel, war ein französischer Dichter und eine der zentralen Figuren des Surrealismus sowie des französischen Widerstands gegen den Faschismus. Geboren in Saint-Denis, prägten ihn die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs, die sein Werk stark beeinflussten. Bekannt wurde Éluard vor allem durch seine Liebesgedichte, die Liebe als Kraft der Befreiung und des menschlichen Zusammenhalts thematisieren.

[5] T.S. Eliot (1888–1965) – Poet, Dramatiker und Nobelpreisträger. Bekannt als T.S. Eliot, war ein englisch-amerikanischer Dichter, Dramatiker und Kritiker und zählt zu den einflussreichsten literarischen Stimmen des 20. Jahrhunderts. Er wurde in St. Louis, Missouri (USA) geboren, nahm später jedoch die britische Staatsbürgerschaft an und ließ sich in England nieder.

[6] Virginia Woolf (1882–1941) – Wegbereiterin der literarischen Moderne und feministische Ikone. Geboren als Adeline Virginia Stephen, war eine britische Schriftstellerin, Essayistin und Verlegerin und zählt zu den bedeutendsten literarischen Figuren des 20. Jahrhunderts. Sie prägte die moderne Erzählkunst durch ihre innovativen Techniken, wie den inneren Monolog und das Bewusstseinsstrom-Verfahren, die die subjektive Wahrnehmung und das Innenleben ihrer Figuren in den Mittelpunkt stellen.