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Kulturelle Teilhabe und Verantwortung: Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Zukunft

Abdelhak NajibDie Annahme, dass es genügt, in eine Kultur mit einer soliden historischen Basis hineingeboren zu werden, um automatisch ein aktiver Teil dieser Kultur zu werden, ist ein Irrtum. Diese Denkweise kann für die Kultur schwerwiegende Folgen haben. An der Gestaltung einer Kultur mitzuwirken, die sich auf die Zukunft ausrichtet und die Geschichte der Menschheit beeinflussen will, bedeutet vor allem, ein Wertesystem zu schaffen, das tief in den Wurzeln und vielfältigen Verzweigungen der Gemeinschaft verankert ist.

 

Mesnchen, Foto: Mostafa Meraji auf unsplashDieses System basiert darauf, dass alle Mitglieder der Gesellschaft dieselben grundlegenden Prinzipien der Gemeinschaft teilen und kontinuierlich dazu beitragen, das System zu stärken: durch Kreativität, Fantasie, Entdeckungen und evolutionäres Denken, das sich ständig selbst hinterfragt und sich niemals auf seinen Erfolgen ausruht. Wissenschaft und ihre fortlaufenden Herausforderungen spielen ebenso eine zentrale Rolle wie die Betonung des Individuums als Träger von Ideen, der sein eigenes menschliches Ideal im Herzen der Gemeinschaft verkörpert.

Es sind die Menschen, die Ideen hervorbringen, welche die Welt verändern, sie bereichern und ihr durch neue Visionen und Herausforderungen des Denkens frische Impulse geben.

Diese Herausforderungen bauen auf der gemeinsamen Vergangenheit auf, um die Zukunft zu gestalten: „Was eine Nation ausmacht, ist nicht, dass sie dieselbe Sprache spricht oder einer gemeinsamen ethnografischen Gruppe angehört, sondern dass sie in der Vergangenheit gemeinsam große Dinge getan hat und in der Zukunft noch große Dinge tun will“, betonte Ernest Renan [1882 in seinem Vortrag "Was ist eine Nation"]. Diese zeitliche Projektion definiert die Völker auf ihrem historischen Weg. Sie macht die großen Kulturen, die die Menschheit bereichert haben, so einzigartig. Ebenso unterscheidet sie die Gesellschaften in ihrer Fähigkeit, Geschichte zu schreiben und nach ihrem Streben nach Größe zu formen.

Vergangenheit als Fundament, Zukunft als Ziel

Wenn mein Bewusstsein klar genug und meine Worte präzise genug gewesen wären, hätte ich dir gerne gesagt, dass wir hier sind, um das Beste in uns zu erforschen, zu entdecken und zu teilen. Jeder Mensch trägt einen inneren Schatz in sich. Sei dir dieses Schatzes bewusst, sei großzügig und gleichzeitig offen und aufmerksam, um die Schätze anderer zu empfangen. Sei bereit zu lernen und dich selbst zu hinterfragen. Suche nach Schönheit, Wahrheit und Vortrefflichkeit, indem du auch deine Zerbrechlichkeit, Verletzlichkeit und deinen Schatten akzeptierst. Nur so kannst du die Schätze anderer annehmen. Nimm deinen Platz freudig ein: Es gibt Platz für jeden von uns, sonst wären weder du noch ich hier. Denke daran, dass der Platz, den du nicht einnimmst, um nicht zu stören, für immer leer bleibt. Freue dich, dass jeder um dich herum seinen Platz einnimmt.“, sagt Rabindranàth Tagore in seiner Weisheit.

Vielfalt und Fortschritt:, Foto: Vitaliy Lyubezhanin auf unsplashJeder kann hier sein persönliches Ideal verkörpern

Jeder kann seinen Beitrag leisten. So entstehen Völker und ihre vielfältigen Kulturen, die nebeneinander existieren und ein zivilisatorisches Gefüge bilden, das auf einen gemeinsamen Horizont zuläuft: den Fortschritt der Menschheit, die mit der Zeit voranschreitet und immer neue Hürden überwindet. Jean Guéhenno sagte einst: „Weder eine Nation noch ein einzelner Mensch kann auf den Blick des anderen verzichten, auf jene brüderliche Flamme, die manchmal darin aufblitzt.“ In diesem Prozess müssen wir uns bewusst machen, dass der Übergang von einem Zyklus zum nächsten auf dem langen Pfad der Zivilisation nur durch die Ablehnung anderer, durch die Abschottung gegenüber fremden Kulturen und durch die Weigerung, unsere Weltanschauung mit anderen zu teilen, gehemmt werden kann.

Die Gefahr, sich überlegen zu fühlen, hat mörderischen Ideologien Tür und Tor geöffnet

Eine Kultur, Religion oder Nation kann nicht überleben, wenn sie sich mehr auf Ausgrenzung als auf Anziehung konzentriert und ihre Legitimität nur darauf beruht, einen Platz in der Geschichte zu beanspruchen. Sie muss auch einen Platz in der Zukunft anstreben.“, schreibt Jacques Attali.

In der langen Geschichte der Menschheit haben Anmaßung und der Irrtum, die eigene Kultur und das eigene Volk für überlegen zu halten, zu den Tragödien geführt, die die Menschheitsgeschichte entstellen. Die Gefahr, sich überlegen zu fühlen, hat mörderischen Ideologien Tür und Tor geöffnet. Nationalismen zeigen uns, wie sehr wir das Fundament unserer Menschlichkeit gefährden, wenn wir glauben, über anderen Kulturen zu stehen. Mario Vargas Llosa bringt es auf den Punkt: „Nationalismus ist das Bekenntnis der Ungebildeten, die Huldigung des Kirchturmdenkens und ein Schleier, hinter dem Vorurteile, Gewalt und oft Rassismus verborgen liegen.“ Daher sollten wir uns vor jenen hüten, die behaupten, die Wahrheit gefunden zu haben, indem sie Menschen in Kategorien und Schichten einteilen.

Bewusstsein und Verantwortung im Fluss der Geschichte

Kulturelle Teilhabe und Verantwortung, Foto: Greyson Joralemon auf unsplashWas bleibt, sind die bedeutenden Taten, die dazu beigetragen haben, diese Menschheit besser, größer, edler und offener für die Vielfalt zu machen. Diese Taten fließen wie Treibgut in den verwundenen Fluss der Geschichte ein, der mit seinen Narben, Unfällen, Dramen und Wiedergeburten genährt wird. Diese Überzeugung ist eine erhabene Form des menschlichen Bewusstseins. Sie lehrt uns, wie wachsam und aufmerksam wir sein müssen, und wie sehr wir uns der Auswirkungen unserer Handlungen bewusst sein sollten, die den Lauf der Zeit prägen können. Diese Auswirkungen schwanken zwischen Gut und Schlecht, zwischen dem Guten und dem Bösen, das wir der Welt und uns selbst zufügen.

Das Bewusstsein über die Kraft der Worte führt zur Selbstreflexion

Alles, was wir nicht ins Bewusstsein lassen, was wir nicht über uns selbst wissen wollen, was wir in uns nicht erkennen möchten, wird uns später im Lauf des Schicksals begegnen“, betont Carl Gustav Jung, der die Welt, die Menschheit und das Individuum bis in den letzten Winkel durchdacht hat, indem er sich mit unseren Schattenseiten auseinandersetzte, um dort Licht zu finden.

Als Antwort auf Jungs Worte erinnert uns Octavio Paz daran: „Das Bewusstsein über die Kraft der Worte führt zur Selbstreflexion: sich selbst zu erkennen, sich selbst zu verstehen. Dies geschieht durch Vernunft, rationales Denken und den Geist, der die Grenzen des Menschlichen überwindet und sich gegen die Unwägbarkeiten jeder Gesellschaft stellt, die zu Selbsttäuschungen führen können. Es ist wichtig zu bedenken, dass man sich immer vorher bewusst ist, aber immer erst im Nachhinein bewusst wird. In diesem Prozess bleibt eine Konstante bestehen: Wer ohne Grund glaubt, kann nicht durch Vernunft überzeugt werden.

Über Abdelhak Najib*
Sinngemäße Übersetzung aus dem Französischen durch marokko.com