Felsgravuren bei Tanoumrit, in Marokko
Ain Tazina ist eine Quelle in der Nähe der Stadt El Abiodh Sidi Cheikh in Algerien. Der Name Tazina bezeichnet aber auch einen bestimmten Stil prähistorischer Felsgravuren.
Vor mehr als viertausend Jahren ritzten Menschen in weichen Sandstein Bilder von Tieren, die heute im Maghreb ausgestorben sind. Diese Darstellungen sind nicht naturalistisch; die Beine der Tiere sind zu lang, die Ohren zu groß, und manchmal fehlen die Köpfe.
Die Künstler der marokkanischen Fundstätte Tanoumrit, südlich von N'Kob, ließen ihrer Fantasie freien Lauf. Wie sonst soll man dieses Nashorn mit riesigen Eutern erklären? Oder die bizarre Kombination aus einem Esel, einem Nashorn und einem Strauß? Haben die tazinischen Künstler von Tanoumrit die Fabeln lange vor Äsop und La Fontaine erfunden?
Mit tiefen, geschliffenen Linien stellten die Graveure Elefanten, Gazellen, Giraffen, Löwen und geheimnisvolle Zeichen dar. Lange vor der Schrift beschrieben sie die Welt, in der sie lebten, mit beeindruckender technischer Meisterschaft - und nicht ohne einen gewissen ästhetischen Sinn.
Alain Rogrigue
Alain Rodrigue, französischer Staatsbürger, 1946 in Marokko geboren und bis zu seiner Pensionierung gelebt und gearbeitet.
Er besuchte die Hochschule für Sozialwissenschaften und später zum Doktor der Prähistorie promoviert. Noch heute ist er der Meinung, dass Entdeckungen in der Prähistorie von zwei Faktoren abhängen: Leidenschaft und Glück. „Ich war dazu bestimmt, beides zu genießen“. „Gern verbringe ich viel Zeit damit, an Orten entlang zu wandern, an denen noch nie ein Forscher der Vorgeschichte gewesen ist. Während meiner Doktorarbeit habe ich mit marokkanischen Beamten zusammengearbeitet, bin aber heute ein unabhängiger Forscher. Mein größtes Vergnügen ist es, zu entdecken, aber ich zeichne und schreibe auch sehr gerne.“
Alain Rodrigue ist Prähistoriker und Spezialist für Marokko mit den Studienschwerpunkten: Felskunst, Typologie, Neolithikum. Seit seiner Pensionierung hat Alain seinen Wohnsitz nach Castres in Frankreich verlegt, prähistorische Forschungen in der Region Tarn haben ihn dazu verlockt. Dennoch reist er regelmäßig nach Marokko, hat sich das persönliche Ziel gesetzt, Marokkos Felskunst umfassend zu inventarisieren.
Als Autor von Notizen, Artikeln, Monographien und Büchern über die Vorgeschichte Marokkos teilt er sein umfangreiches Wissen der Öffentlichkeit mit. Sein 2022 erschienenes Werk Inscriptions Libyco-Berbères du Maroc hat er unter dem Schwerpunkt veröffentlicht, Inschriften vorzustellen. Das Buch ermöglicht dem Leser, Rodrigue Forschungsergebnisse aus den Jahren von 2001 bis 2018, veröffentlicht in verschiedenen Fachzeitschriften, in einer vollständigen Ausgabe genießen zu können.
Mit viel Wissen und Sachverstand gliedert Rodrigue die Inschriften-Fundstellen im Süden Marokkos. Einfühlsam beschreibt er dem Leser - teils in Französisch, teils in Englisch Lage, Anfertigungstechnik und gefundene Zeichen ohne diese jedoch zu deuten. Da er selbst leidenschaftlich gern zeichnet, ist jedes Kapitel ergänzt durch detaillierte Skizzen der entdeckten Schriftzeichen. Am Ende einer beschriebenen Fundstelle bietet er dem interessierten Leser weiterführende bibliographische Quellen an.
Mit einer ergänzenden Karte am Ende des Buches sind nahezu alle beschriebenen Stellen auffindbar, lediglich bei Oued Rheris hält sich der Autor mit einer genauen Beschreibung des Ortes zurück und bittet bei Interesse um Kontaktaufnahme. Hier handelt es sich um ausgesprochen seltene Felsmalereien, gefunden unter einem Felsüberhang im Tal des Wadi Rheris, die es zu schützen gilt.
Wer sich nun - inspiriert durch die Lektüre - auf eigene Suche nach den beschriebenen Felsgravuren begibt, darf sich sicher sein, nicht ausschließlich Schriftzeichen zu finden. Oft befanden sich einst in der Nähe dieser Fundstellen Siedlungen oder Kultstätten, Hirten waren mit ihren Tieren unterwegs. Da gab es mannigfaltige Anlässe, spannende Spuren im Stein zu hinterlassen, die auch heute noch die Phantasie jedes Betrachters anregen.
von marokko-erfahren
Vor einigen Jahren beendete ich ein Kapitel in einem Buch mit den Worten: „Es ist unwahrscheinlich, dass in Zukunft große Felszeichnungen wie die von Tazzarine oder des Hohen Atlas entdeckt werden. Es ist jedoch sicher, dass in sehr naher Zukunft andere, völlig neue Gravuren entdeckt werden“.
Es war nicht sehr schwierig, in diesem Bereich als Experte zu gelten, aber ich freue mich, feststellen zu können, dass ich mich nicht geirrt habe, wenn man die neuesten Veröffentlichungen junger Forscher in den letzten Jahren betrachtet. Bei einer Trekkingtour im Hohen Atlas im Jahr 2015 hatte ich das Vergnügen, Wanderer auf den Yagour zu begleiten und ganz nebenbei neue Gravuren zu entdecken, und zwar an genau dem Ort, an dem ich 20 Jahre zuvor meine Arbeit durchgeführt hatte.
Der außergewöhnliche Charakter des Höhlenerbes des Hohen Atlas liegt in erster Linie in seiner geografischen Lage begründet. Die Fundstellen befinden sich in mittlerer Höhe und sind eng mit den Sommerweiden verbunden. Es gibt große Sandsteinflächen, die sich sehr gut für Gravuren eignen; vor allem aber ist der marokkanische Hohe Atlas eine in Nordafrika einzigartige Kontaktzone zwischen den Ufern des Dra und der Sahara im Süden einerseits und der atlantischen und mediterranen Welt im Norden andererseits. Das Korpus der Felsbilder des Hohen Atlas ist daher sehr bemerkenswert.