Wenn Gedanken in Flammen aufgehen: Eine intellektuelle Vernichtung
„Man beginnt damit, Bücher zu verbrennen, und endet damit, Menschen zu verbrennen“, bemerkte Erasmus treffend. Bücherverbrennungen sind stets Vorboten menschlicher Katastrophen. Die Geschichte der Menschheit gleicht einem dichten Gewebe aus Scheiterhaufen, auf denen die Quintessenz des menschlichen Geistes in Flammen geworfen wird, bevor Körper und Silhouetten in die Glut gestürzt werden.
Das Denken wird gezielt beseitigt, um jegliches Bewusstsein zu ersticken. In dieser düsteren Atmosphäre wird die Dampfwalze der Zerstörung in Bewegung gesetzt, die Menschen zermalmt und unvorstellbare Schrecken entfesselt. Keine Warnung kann den Horror aufhalten, keine Barriere die unerträgliche menschliche Barbarei verhindern.
Die grenzenlose Wildheit, die all die Werte herausfordert, die in einer zivilisierten Gesellschaft als heilig gelten, führt zur Legitimierung von Massakern und zur brutalen Auslöschung einer Kultur durch die Nachbarn. Diese Dynamik eskaliert in einem Zyklus, der bis zur Apokalypse führt. Historische Beispiele wie der Nationalsozialismus und die damit verbundenen Bücherverbrennungen, die als Vorboten der Vernichtungslager fungierten, verdeutlichen diese unheilvolle Entwicklung. Vertrautheit spielt dabei eine entscheidende Rolle: Sie vermag das Extreme des Schreckens als normal erscheinen zu lassen. Denn das, was vertraut ist, lässt sich nur schwer von der Wahrheit trennen. So wird es leicht, Menschen dazu zu bringen, die absurdesten Unwahrheiten zu akzeptieren und die entsprechenden Implikationen ohne Zögern zu übernehmen.
Auf dieser unerschütterlichen Basis errichten Regime weltweit ihre sozialen, politischen und konfessionellen Grundideen. Ein Blick auf die westliche Welt von heute zeigt, dass die Mehrheit der Bevölkerung überzeugt ist, Ausländer stellten eine erhebliche Gefahr für ihre Sicherheit und ihr Leben dar. Diese Sichtweise hat dazu geführt, dass das Abendland den Islam zum absoluten Feind erklärt hat, den es um jeden Preis zu bekämpfen und zu vernichten gilt.
Ähnliche Mechanismen sind auch im israelisch-palästinensischen Konflikt zu beobachten: Die Mehrheit der Juden sieht in den Palästinensern eine existenzielle Bedrohung, während viele Muslime die Juden als Bedrohung für ihre Religion und Identität wahrnehmen. Dieses immer wiederkehrende Muster führt dazu, dass Christen Juden als einen Tumor im Herzen der westlichen Zivilisation betrachten, der die Grundwerte dieser Kultur zu untergraben droht. Diese unerbittliche Logik bringt in jeder Epoche ein ideologisches Arsenal hervor, das die Notwendigkeit propagiert, einen Feind zu benennen und auszuschalten.
Gerade in Zeiten, in denen eine Zivilisation am Ende ihres Zyklus steht und ihr unvermeidliches Ende am Horizont sieht, wird diese Dynamik besonders intensiv. „Der Westen kann die Welt nicht mehr dominieren. Er stellt kaum 17% der Menschheit dar und beherrscht 30% des Planeten“, so präzisiert es der Politikwissenschaftler Ghassan Salamé. Der Westen verliert seine Reichtümer, gibt die Führung in Bezug auf Bevölkerungsgröße ab und sieht sich schwerwiegenden Krisen und sozialen Spannungen gegenüber. Die alten Paradigmen sind überholt; sie haben ihr Verfallsdatum erreicht. Die Maschine des Westens ist defekt, und das Sandkorn, das einst den Mechanismus der Regierungsführung blockierte, ist gewachsen. Es ist zu dem Blockadebolzen geworden, der das Getriebe klemmt und den weiteren Fortschritt unmöglich macht.
Über Abdelhak Najib*
Übersetzung aus dem Französischen durch marokko.com