Undankbarkeit und Großmut: Schattenseiten der menschlichen Seele
Die menschliche Seele ist ein Schauplatz widersprüchlicher Regungen - zwischen Neid und Großzügigkeit, Loyalität und Verrat, Aufrichtigkeit und Heuchelei. Besonders die Dynamik des Gebens und Nehmens offenbart den Hang zur Berechnung und die tiefen Abgründe der Undankbarkeit. Große Denker von Shakespeare bis Dostojewski haben sich mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Ihre Einsichten zeigen, warum der Mensch sich oft gegen das Gute sträubt und wie der Zweifel nicht selten als Vorwand dient, um der Verantwortung des eigenen Denkens zu entgehen.
Es gilt, sich stets Folgendes vor Augen zu halten: Glauben und Zweifeln sind zwei Haltungen des Geistes, die zu nichts verpflichten. Beide entbinden vom Nachdenken. Besonders beim Undankbaren zeigt sich dies in seiner reinen Form - einem Menschen, für den stets bewiesen ist, dass das beste Heilmittel gegen seine eigenen Leiden das Unglück anderer sei.
William Shakespeare schrieb: „Die Eifersucht ist ein Ungeheuer, das sich selbst erzeugt und aus seinem eigenen Schoß geboren wird.“ Und wenn der Undank sich an der Eifersucht nährt, dann gilt es, sich vor solchen Menschen in Acht zu nehmen. Sie sind zu den schlimmsten Taten fähig, weil sie dem Guten verpflichtet wären.
Undankbarkeit - das unausweichliche Echo der Großzügigkeit
„Es gibt Wohltaten, die so groß sind, dass man sie nur mit Undank vergelten kann“, schrieb einst Alexandre Dumas in beinahe testamentarischer Klarheit. So wahr, so durchdringend und unwiderlegbar ist dieser Satz, dass wir angesichts des Undanks oft einen regelrechten Schwindel verspüren - ein Unwohlsein, eine Art Übelkeit, ausgelöst durch das Unvermögen, menschliche Niedrigkeit zu verdauen. In der Welt der menschlichen Beziehungen ist alles eine Ware, und die Regel ist der Undank. Er geht stets mit Kleinlichkeit einher, dem ersten Kreis der Heuchelei, die unendlich viele solcher Kreise zählt - während Dantes Hölle nur neun kennt.
Dumas, ein feiner Kenner der menschlichen Natur, bemerkte weiter: „Schenke Geld, aber verleihe es nicht. Schenken macht nur Undankbare, Verleihen schafft Feinde.“ Es zeigt, wie sehr eine noble Geste von der menschlichen Finsternis entstellt wird. Wer eine Hand reicht, kann damit rechnen, dass sie gebissen wird. Ein altes Sprichwort aus unserer Kultur besagt: „Ich gebe ihm eine Dattel zum Kosten, er gibt mir glühende Kohlen zurück.“
Die wahre Großzügigkeit erwartet nichts
In diesem Wechselspiel zwischen Gutem und Bösem sollte man sich stets vor Augen führen, dass der Gebende der Glückliche ist. Er kann sogar dem Empfangenden danken. Doch niemals sollte man auf eine Gegenleistung hoffen. Eine Gabe, die in Erwartung einer Erwiderung gemacht wird, ist keine wahre Gabe. Es verhält sich damit wie mit dem Kompliment: Manche verteilen sie nur, weil sie selbst welche erhalten möchten. Dies ist genau die falsche Gesinnung - Berechnung und Falschheit. Wer gibt, weil er ein großzügiges Herz besitzt, erwartet weder Dank noch eine Rückzahlung. Er gibt, weil es ihm natürlich ist, weil es ein innerer Drang seines Herzens ist, weil er eine weite und offene Seele besitzt - selbst gegenüber der Heuchelei, dem schlimmsten menschlichen Laster.
Denn eines darf man sich nicht vormachen: Alle menschlichen Fehler sind verzeihlich - doch der Heuchler ist die verwerflichste aller Spezies. In diesem Sinne sollten wir es Jean de La Fontaine gleichtun, der fragte: „Wollte man alle Undankbaren dieser Welt bestrafen, wem könnte man dann noch vergeben?“ Wenn man darüber ernsthaft nachdenkt, wird deutlich, dass Vergebung, die edelste aller Gaben, niemals einem Heuchler oder Undankbaren zuteilwerden sollte. Ihm kann man den Blick entziehen, ihn verachten, ihn aus seinen Gedanken verbannen - doch ihn zu entschuldigen, wäre eine Entweihung der Vergebung selbst.
Das Gift des Undanks
„Es gibt drei Arten von Undankbaren: jene, die die Wohltat vergessen, jene, die sie vergelten wollen, und jene, die sich dafür rächen“, schrieb Santiago Ramon y Cajal. Wahrlich, so gnadenlos ist diese Erkenntnis. Wer einem anderen Gutes tut, sollte sich zumindest darauf gefasst machen, dass seine Geste vergessen wird - oder schlimmer noch: dass er dafür bestraft wird. Haben Sie nicht auch in Ihrem Umfeld solche Menschen kennengelernt? Personen, die zu Ihren schlimmsten Feinden wurden - nur weil Sie ihnen einst einen wertvollen Dienst erwiesen haben?
Haben Sie nicht das absurde Schauspiel erlebt, dass gerade die Person, die Sie unterstützt, für die Sie Opfer gebracht haben, Sie hinterrücks verleumdet und Sie an den Pranger stellt? Ein arabisches Sprichwort erinnert uns: „Ein dankbarer Hund ist besser als ein undankbarer Mensch.“ Die arabische Weisheit kennt ein weites Kapitel über Undank, Heuchelei, Verlogenheit, Kleinlichkeit, grundlosen Hass, Denunziation, Verleumdung und Verrat.
Die tiefe Finsternis der menschlichen Seele
Fjodor Dostojewski, dieser große Menschenkenner, pflegte seinen Nächsten zu sagen: „Ich glaube, die beste Definition des Menschen wäre: ein zweifüßiges, undankbares Wesen.“ Wer sich in sein Werk vertieft - von „Schuld und Sühne“ über „Erinnerungen aus einem Totenhaus“ bis hin zu „Die Brüder Karamasow“, „Der Idiot“, „Die Dämonen“ oder „Der Spieler“ - wird erkennen, dass seine Welt von Undankbaren und Heuchlern bevölkert ist.
Habsucht, Finsternis der Seele, Feigheit, Falschheit, die Neigung zur Niedertracht in all ihren Facetten - und die Undankbarkeit als Fundament der menschlichen Misere. Der spanische Dramatiker Félix Lope de Vega schrieb treffend: „Der Undankbare schreibt das Gute ins Wasser und das Böse in Stein.“ Er muss es in das Unvergängliche gravieren, um seine Rache zu schärfen - für seine einstige Schwäche, Ihre Hilfe angenommen zu haben, für seine Schuld Ihnen gegenüber. Denn der wahrhaft Großzügige vergisst stets, was er gegeben hat.
Victor Hugo drückt es noch schärfer aus: „Man ist immer undankbar für das Notwendige, nie für das Überflüssige. Man grollt dem, der das tägliche Brot reicht, aber man ist dankbar für ein Schmuckstück.“ Und doch - die meisten werden Ihnen sowohl das Brot als auch den Schmuck verübeln. Diese Falschheit eskaliert rasch zur tiefsten Form der Eifersucht.
Der Undankbare fragt sich stets, warum man ihm Gutes tut. Er weiß, dass er es nicht verdient. Darum misstraut er der dargebotenen Hand - und beschließt, sie abzutrennen. In der menschlichen Gesellschaft wird das Gute stets hinterfragt, das Schlechte hingegen nicht. Noch schlimmer: Der Undankbare rechtfertigt seinen Verrat, während der Großzügige sich oft fragt, ob seine Gabe ausreicht.
Marc Aurel riet: „Bereite dich am Morgen darauf vor, auf einen Indiskreten, einen Undankbaren, einen Frechen, einen Betrüger, einen Neider, einen Egoisten zu treffen.“ Und wahrlich - sie lauern überall.
Über Abdelhak Najib*
Übersetzung aus dem Französischen