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Journalisten: Ein Beruf zwischen Wahrheit, Meinung und Karriere

Für manche Menschen verhält es sich mit der Wahrheit von Fakten wie mit den zufälligen Regeln der Wahrscheinlichkeiten. Honoré de Balzac stellte einst fest: „Für den Journalisten ist alles, was wahrscheinlich ist, wahr.“ Damit meinte er, dass sich einige Menschen mit dem Zeitgeist und den Gerüchten zufriedengeben, die sich dann verdichten und zur vermeintlichen Wahrheit werden.

Abdelhak NajibAndere wiederum sehen den Journalisten so, wie ihn Karl Kraus definiert: „Keine Ideen haben und sie dennoch ausdrücken können - das macht den Journalisten aus.“ In diesem Sinne ist der Journalist ein Schriftsteller, der mit einer gewissen Fertigkeit die Ideen anderer kommentiert.

Es gelingt ihm, brauchbare Texte zu erstellen, und manche bauen darauf sogar eine Karriere auf - wie man seit vielen Jahren überall beobachten kann, dort, wo Meinungen blühen und Kommentare die Tatsachen ersetzen. Doch, wie Aldous Huxley sagte: „Fakten bleiben Fakten, auch wenn sie verborgen sind.“ Manchmal ist der Journalist jedoch, wie Otto von Bismarck es ausdrückte, „jemand, der seine Berufung verfehlt hat“.

Viele wollten Schriftsteller werden und endeten als Schreiberlinge. Es gibt zahlreiche Beispiele für Menschen, die in ähnlichen Situationen stecken: Regisseure, die es nie geschafft haben, und nun ein Kino leiten, oder gescheiterte Maler, die als Kunstkritiker tätig sind. Gilbert Keith Chesterton bringt es mit ironischem Unterton auf den Punkt: „Der Journalist: Ein Typ, der härter arbeitet als jeder andere Faulenzer auf der Welt.

Man fügt sich in sein Schicksal als Büroangestellter, arbeitet seine Stunden ab, surft im Internet, spielt Online-Games, schaut sich fragwürdige Inhalte an, chattet und liefert schließlich seinen Artikel ab, bevor das Büro schließt. Ein herausragender Journalist und Schriftsteller wie Norman Mailer fragte sich einmal: „Was ist eine Tatsache?“ Und der Romanautor antwortete: „Eine Fiktion.“ Hier befinden wir uns in einer anderen Liga - bei den erfahrenen Journalisten, die wirklich schreiben können, die nachdenken, die sich in komplexen Welten bewegen und daraus Ideen und Fakten extrahieren.

Viele große Schriftsteller haben ihre Laufbahn als Journalisten begonnen: Ernest Hemingway, Henry Miller, Ezra Pound, Lawrence Durrell, John Dos Passos, James Ellroy, Günter Grass - ein Nobelpreisträger - Milan Kundera, Abderrahmane Mounif, Sonallah Ibrahim, Elias Sanbar, Naguib Mahfouz - ein weiterer Nobelpreisträger - und Gibran Khalil Gibran. Diese großen Namen der Literatur stehen für eine Schreibkunst, die sich auf das Wesentliche konzentriert, auf Gemeinplätze verzichtet und keine Kompromisse eingeht.

Journalisten, Foto: Elimende Inagella auf unsplash

Pierre Nora liefert in seinen Aphorismen eine prägnante Definition: „Der wahre Journalist ist derjenige, der sich die Finger verbrennt, wenn er die Wahrheit ans Licht bringt.“ Ein anonymer Kritiker fasste es jedoch in einer französischen Fernsehsendung noch schärfer zusammen: „Journalist. Zuerst schmeichelt er, dann lässt er los, und am Ende geht er zum Angriff über.“ In dieser harschen Beschreibung steckt viel Wahres.

Ein Journalist kann aus Freundschaft, Sympathie oder ideologischer Nähe nachsichtig sein. Später kann er seine Meinung ändern und seine früheren Aussagen revidieren, bis hin zu scharfer Kritik an denjenigen, die er einst lobte. Dieser Wandel kann mit zerbrochenen Freundschaften, Meinungsverschiedenheiten oder schlichtem menschlichen Wachstum auf unterschiedlichen Wegen einhergehen. Manchmal ist es auch bloß Bosheit, die dazu führt, dass Journalisten hart mit denen ins Gericht gehen, die sie einst bewundert haben. Solche Entwicklungen gehören zum Berufsalltag - dieses ständige Hin und Her zwischen Bewunderung und Ablehnung, das so typisch für menschliche Beziehungen ist.

Der Journalist muss das Talent haben, nur von den Talenten anderer zu sprechen“, bemerkte Philippe Bouvard mit einem Augenzwinkern. Tatsächlich ist es eine Tugend, großzügig über die Leistungen anderer zu berichten, ihre Werke zu würdigen und sie ins Rampenlicht zu stellen. Doch nur wenige Journalisten sind dazu wirklich in der Lage. Großzügigkeit und Herzenswärme sind in diesem Beruf seltene Eigenschaften.

Cyrano de Bergerac brachte es treffend auf den Punkt: „Viele Menschen reden nur so viel, weil sie nicht fähig sind zu schweigen.“ Diese Menschen sprechen endlos, überhäufen die Luft mit ihren Urteilen und haben zu allem eine Meinung. Sie kennen den Preis von allem, aber den Wert von nichts. Es gibt eine einfache Faustregel im Umgang mit solchen Personen: Wenn man nach einer Stunde in ihrer Gesellschaft das Gefühl hat, einen Teil seiner positiven Energie verloren zu haben, sollte man sie zukünftig meiden - ebenso wie das, was sie schreiben. Denn Schreiben, insbesondere im Journalismus, ist eine ernste Angelegenheit. Es verhält sich ähnlich wie mit dem Lachen: Auch Lachen ist eine ernste Sache, die man nicht leichtfertig behandeln sollte.

Über Abdelhak Najib*
Übersetzung aus dem Französischen durch marokko.com