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Al-Qissariya - ein historisches Handelszentrum im Wandel der Zeiten

Inmitten der labyrinthartigen Gassen der Medina von Fès erhebt sich die Al-Qissariya – ein Ort, an dem sich eine Welt aus erlesenen Stoffen, schimmerndem Gold, kunstvoll gearbeitetem Leder und filigranem Schmuck entfaltet. Jeder Schritt durch ihre verwinkelten Passagen enthüllt Schätze, die mehr als bloßen Reichtum verkörpern: Sie sind das Erbe jahrhundertealter Handwerkskunst, geformt von Tradition und meisterlicher Fertigung. eben.

Al-Qissariya nimmt eine zentrale Stellung im Herzen der Altstadt von Fès ein und genießt einen besonderen Platz im Herzen ihrer Bewohner. Sie zeichnet sich unter allen Märkten und Gassen der Stadt durch ihre quadratische Bauweise und ihre geradlinigen Wege aus. Ihre Lage zwischen zwei ehrwürdigen Bauwerken - dem Mausoleum von Moulay Idris und der Qarawiyyin-Moschee - verleiht ihr nicht nur für die Stadt, sondern für die gesamte mittelalterliche Geschichte Marokkos eine herausragende Bedeutung.

Sie ist von einem Ensemble an Märkten umgeben, die sich auf den Handel mit Düften, Weihrauch, Gewürzen, Teppichen, Kerzen und Trockenfrüchten spezialisiert haben. Ein Netz von Straßen erstreckt sich von ihr aus und führt zu weiteren Handelszentren, die jeweils bestimmten Waren gewidmet sind, wie dem Markt der Weber (Sūq al-Ḥā'ik), dem Markt der traditionellen Umhänge (Sūq as-Silhām) oder dem Markt für edle Parfüme (Sūq al-Ghāliya) und vielen anderen.

Seit ihrer Entstehung in der Zeit der Idrisiden im 9. und 10. Jahrhundert hat Al-Qissariya Aufstieg und Niedergang, Blüte und Zerstörung sowie architektonische Veränderungen erlebt. Einst bestand sie aus zwei Ebenen - einer oberen und einer unteren - und beherbergte sogar Wohnhäuser. Doch die Katastrophen, die sie heimsuchten, veränderten ihr Antlitz: Ein verheerender Brand im Jahr 1324 und eine gewaltige Flut im darauffolgenden Jahr 1325 zerstörten weite Teile der Anlage, woraufhin sie neu errichtet wurde.

Der Gelehrte Hassan al-Wazzān berichtet in seinem Werk Beschreibung Afrikas, dass sich der Name „Al-Qissariya“ vom lateinischen „Caesar“ ableitet. Zur Zeit der Römer existierten in den mauretanischen Städten ummauerte Handelszentren, in denen kaiserliche Beamte Zölle eintrieben. Die dort ansässigen Händler waren zugleich verpflichtet, durch ihre Abgaben den Schutz der kaiserlichen Besitztümer zu gewährleisten. Der Name „Al-Qissariya“ findet sich in zahlreichen Städten Nordafrikas als Bezeichnung für Marktplätze. Auch in Granada existiert heute noch eine Al-Qissariya, die jener von Fès in vielerlei Hinsicht stark ähnelte.

Der deutsche Reisende Gerhard Rohlfs, der während seiner ersten Reise nach Marokko von 1861 bis 1863 Fès besuchte, diente zunächst als Allgemeinmediziner der marokkanischen Armee und wurde später zum Leibarzt von Sultan Mohammed IV. ibn Abd al-Rahman ernannt. In seinem Werk Meine erste Reise nach Marokko beschreibt er Al-Qissariya folgendermaßen: „In dieser Qissariya finden sich alle erlesenen Waren, insbesondere jene, die aus Europa importiert werden. Sie besteht aus einem weitläufigen Komplex von Straßen, in denen das Durchqueren mit Reittieren untersagt ist. Teilweise gibt es dort Wohnhäuser, doch vor allem Kellerräume und Lagerstätten. Alle Straßen sind überdacht. Es gibt zahlreiche Durchgänge mit Geschäften, die jeweils auf bestimmte Handelswaren spezialisiert sind: einige für Juwelen, andere für Goldschmiede, wieder andere für Tee und Zucker. Es gibt Bereiche für Keramikwaren - insbesondere Vasen, Becher, Tassen und Teller -, sowie für Stoffe, Seidengewänder und Lederwaren. Selbst einige Uhrmacherwerkstätten sind hier zu finden, wenn auch nur zwei oder drei. Zudem existiert eine Art Apotheke, sofern man eine Ansammlung verschiedenster Arzneien als solche bezeichnen kann. Hier werden unter anderem Chinin, „feuriges Quecksilber“ sowie Brechwurz verkauft. Diese Medikamente werden von einem Kaufmann namens Dschafar aus Lissabon importiert und mit einer Liste in portugiesischer Sprache versehen, die sowohl die angebotenen Präparate als auch die Krankheiten angibt, gegen die sie angewendet werden.

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zeichnen sich Veränderungen in der Struktur der Al-Qissariya ab. Dies wird in der detaillierten Beschreibung von Roger Le Tourneau in seinem Werk Fès vor dem Protektorat deutlich. Er schildert die Al-Qissariya als „ein Ensemble paralleler Gassen, die sich in rechten Winkeln kreuzen, jedoch ohne Wohnhäuser. Sie wird ausschließlich von Geschäften gesäumt.

Le Tourneau beschreibt mit bemerkenswerter Präzision die angrenzenden Märkte sowie die Handelsaktivitäten, die untrennbar mit diesem einst florierenden Handelszentrum verbunden waren.

stellt ein Symbol des Widerstands gegen die französische Kolonialmacht dar, und das Volksgedächtnis spricht von der Zahl der Brände, die in jener kritischen Phase erlebte. Doch der verheerende Brand, dem sie während der bewaffneten Widerstandskämpfe im Dezember 1954 zum Opfer fiel, ist besonders dokumentiert. An ihrer Wand befindet sich eine Tafel mit der Inschrift „Al-Qissariya des Widerstands“. Nach diesem Brand wurde mit Zement und Beton neu aufgebaut, die Wände wurden in Weiß gestrichen. Ein unklarer Vorfall bleibt jedoch bestehen, bei dem sich die französischen Kolonialbehörden und die nationale Widerstandsbewegung gegenseitig Vorwürfe machten: War es eine Rache des Kolonialherrschers, weil die Händler auf die Forderungen der nationalen Bewegung reagierten und ihre Geschäfte schlossen? Oder war es eine Strafe der Nationalisten für die Händler, die sich weigerten, den Befehlen des nationalen Kampfes zu folgen und ihre Geschäfte wieder zu öffnen?

In den Jahren 2016 und 2017 wurde vollständig restauriert. Sie erhielt ihr traditionelles Aussehen mit Mosaikwänden, grünem Ziegeldach und Straßen, deren Dächer aus Holz gefertigt wurden.

Mit der Restaurierung der Al-Qissariya-Anlage wurden auch „Sūq as-Sabāṭ“ (Lederwarenmarkt) und „Sūq al-Balāghī“ (Traditionelle Schuhe) wiederhergestellt. Die Händler dieser Suqs reagierten auf die Erneuerungsmaßnahmen, indem sie ihr historisches Wahrzeichen, das hoch an der Wand der einzigen Zisterne der Al-Qissariya - am „Sabat-Markt“ - hängt, wiederherstellten. Es handelt sich dabei um ein schwarz-weißes Bild des verstorbenen Königs Mohammed V., der in traditionellem Gewand Tarbusch (traditioneller Hut) zu sehen ist und mit offenen Armen dargestellt wird. Diese Darstellung symbolisiert die Treue der Händler des Marktes zu ihrer nationalen Identität und den Stolz auf ihre Al-Qissariya, die sich von anderen Märkten und Handelszentren im ganzen Land abhebt.

Auf dem Bild prangt zudem in großen Buchstaben die Inschrift: „Bekämpfung der Unwissenheit“. Es ist mehr als nur ein Slogan - es ist ein unvergängliches Manifest, ein stiller Zeuge des nie endenden Kampfes gegen al-Ghoul, jenes mythische Ungeheuer, das in den Schatten der marokkanischen Gesellschaft lauert. Es nährt sich von Analphabetismus, Unwissenheit und Aberglauben, schleicht durch die Gassen, nistet sich in den Herzen ein und flüstert seine trügerischen Wahrheiten. Doch dies ist eine andere Geschichte...

Nur so viel sei noch gesagt: al-Ghoul spielt seit jeher eine bedeutende Rolle in der Erziehung - nicht nur als Symbol der Finsternis, sondern auch als unsichtbarer Wächter der Moral. Es ist ein Geschöpf der Strafe, das über Ungehorsam wacht und mit gierigen Klauen nach widerspenstigen Kindern greift. „Sei vorsichtig, sonst kommt al-Ghoul und holt dich!“, so raunten einst Mütter, und der bloße Name genügte, um kleine Herzen schneller schlagen zu lassen. Eine Warnung, die wie ein Echo aus vergangenen Zeiten nachhallt…

Über den Autor Idriss Al-jay
Übersetzung aus dem Arabischen

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