Zagora und der Süden Marokkos lassen grüßen
Ich kehrte von Kairo nach Marrakesch zurück, um hier nur eine Nacht zu verbringen, bevor ich wieder „loszog“. Eine Nacht ist wenig, um sich von einer langen Reise zu erholen. … Der Ruf von Zagora war jedoch lauter. Ich dachte mir: Yassin, der Süden des Königreichs wartet, also nichts wie hin!
Nach mehr als einem Monat in Kairo war ich wieder am „Al-Manara“, dem Flughafen von Marrakesch. Es war mein erster Flug nach Zagora. Erst vor wenigen Wochen wurde diese Fluglinie eröffnet. Die neun Stunden, die wir durch die - streckenweise sehr enge und kurvenreiche - Bergstraße fuhren, schrumpfen nun auf nicht mehr als eine halbe Stunde und der niedrige Preis der Flugtickets lädt allemal dazu ein das Flugzeug zu benutzen und kein anderes Transportmittel. Ich freue mich, einige Bekannte wiederzusehen, die dort auf uns in einer Pension warten. …
Nicht zuletzt aufgrund der Beharrlichkeit und Bescheidenheit der Menschen im Süden, reise ich immer wieder gern dort hin.
Die Demokratie ist nicht nur ein Slogan und nicht nur politisch zu verstehen. Hier im fernen Süden bedeutet Demokratie für mich, dass Frauen aus dem Draa-Tal für einen erschwinglichen Preis nach Marrakesch und wieder zurück zu ihren Häusern in den Tälern und Oasen der Region fliegen können. Ich war sehr beeindruckt, das hohe und steile Atlasgebirge von oben zu beobachten, dessen Höhe die Motoren der Nahverkehrstaxis im Sinne des Wortes quälte, die die Strecke Zagora-Ouarzazate-Marrakesch immer bezwingen müssen.
Die Berge, betrachtet aus einigen Kilometern von oben mit ihren schneebedeckten Gipfeln, sehen imposant aus. Ich erinnerte mich an eine Reise nach Ouarzazate. Mehr als einmal waren wir im Zickzack durch die Berge der "Tizi n‘ Tichka" (Karussell) gefahren. Einmal verbrachten wir eine ganze Nacht dort. Wir steckten im Schnee fest und wurden von der beißenden Kälte zum Stillschweigen gezwungen. Man hörte nur noch das Klappern unserer Zähne.
Ich erinnere mich an die extrem kurvenreiche Straße, die sich durch das Gebirge schlängelte und an den magischen Anblick vom Atlasgebirge auf das Sonnenkraftwerk „Noor“, eins der größten der Welt. Von oben betrachtet, sieht Noor wie eine überdimensionale technische Zeichnung aus. Nicht weit davon entfernt sieht man das Wasser des Stausees Al Mansour Al Dhahabi. Ich erinnere mich auch an die Jahre, die ich in Ouarzazate verbrachte. Dieser Staudamm war eine Art Nah-Erholungsgebiet, zu dem wir von Zeit zu Zeit pilgerten, um die absolute Ruhe am Ufer des Stausees zu genießen.
In jenen Tagen zog der Stausee nur wenige Menschen an: Fischer, Faulenzer, Liebespaare und einsame Trinker, die vorzogen, allein mit Bier- und Weinflaschen am Ufer zu sitzen, als sich in der stickigen Luft der Stadtbars herumzutreiben.
Merkwürdig, ich habe Ouarzazate nicht vor Augen. Ich habe das Gefühl, ich wäre damals von dieser Stadt vertrieben worden… Die Lücken in meiner Erinnerung trüben wohl ein wenig das Bild.
Dann taucht "Ait S‘saouen آيت الساون" auf. Weniger imponierend als "Tichka" und der Rest des Hohen Atlasgebirges, aber nicht weniger inspirierend, denn Ait S’saouen ist bedeutend älter als das Atlasgebirge und ihre Entstehung liegt über zwei Milliarden Jahre zurück.
Wir nähern uns dem grünen Fluss, der wie eine riesige Schlange die Ebene teilt. Der Fluss, dessen Wasser der Stausee absorbiert, verlandet langsam. Unbeeindruckt von diesem traurigen Bild wachsen die Palmen an seinen Ufern in die Höhe. Vom Draa-Tal haben wir in der Schule gehört. Hier bahnt der wichtigste Fluss des Landes seinen Weg, dessen Wasser in der Wüste in verschwenderischer Weise versickert, … oder? Versickert dieses Wasser wirklich ungenutzt im Sande? Ist der Stausee voll, fließt das überschüssige Wasser den Berg herunter in das Tal nach Süden nach Takounit und M’hamid El Ghizlane. Ich muss wohl die alte Lektion, die wir in der Schule gelernt haben, wiederholen! Vielleicht ist er eher der einzige Fluss, der keinen Tropfen Wasser verschwendet, denn jeder Tropfen sorgt auch für das Leben in der Wüste.
Das Flugzeug setzt nun zum Landeflug an. Wir landen in dieser Oase, wo vor nicht allzu langer Zeit die Menschen von dieser Errungenschaft noch nicht einmal zu träumen wagten.
Der Flughafen ist sehr klein, kleiner als wir je erwartet hätten und unzumutbar eng. Er ist eines Flughafens nicht würdig. Zu unserer Überraschung sehen wir in unmittelbarer Nähe ein weiteres Flughafengebäude, das komplett fertig zu sein scheint, aber aus Gründen, die wir nicht erfahren, für Fluggäste geschlossen ist. Die Tücken unseres „hinreißenden“ Landes versetzen einen immer wieder in Erstaunen. Die wenigen Fluggäste drängeln sich in der engen Halle, während das schöne große neue Flughafengebäude leer steht! Aber, ich wiederhole: „wir haben uns wohl oder übel an diese und ähnliche marokkanische „Mysterien“ gewöhnt. Willkommen in Zagora. Unsere Freunde warten!
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