Tanger, das Tor zu Afrika
Tanger, das Tor zu Afrika. Die Stadt ist an einen Berghang gebaut und zieht sich bis zum Meer und dem weißen Strand hinunter. Tangers Ruf war immer geheimnisvoll. Mancher erinnert sich an die vergangenen Zeiten der internationalen Zone und an berühmte Persönlichkeiten, die sich hier niedergelassen hatten.
Geschichte
Der Legende nach hat Antäus, Sohn Neptuns und der Erdgöttin Gäa, die Stadt gegründet. Herkules spaltete an dieser Stelle die Erde und schuf so die Meerenge von Gibraltar, wo Mittelmeer und Atlantik ihre Gewässer vermischen. Tanger ist das wahre Eingangstor Marokkos. Täglich verbinden es mehrere Fähren mit Algeciras, Gibraltar und Malaga. Zuerst eine schlichte Berbersiedlung, Tinga oder Tinghe genannt, später "Stadt der Lagune", blühender Handelsplatz der Phönizier und reiche karthagische Kolonie.
Zum ersten Mal in der Geschichtsschreibung erwähnt, wurde Tanger erst im 4. Jh. vor Chr. von Hekaitos von Milet, unter anderem auch wegen seiner Tradition, Fische einzusalzen und daraus eine köstliche Fischpaste (Garum) zu bereiten.
Tanger (Tingis) gehörte seit 146 v. Chr. (dem Jahr der Zerstörung Karthagos) zu Mauretania, einem von Rom unterstützten Berber-Königreich. Der Berberkönig Juba II., in Rom erzogener und von Kaiser Augustus eingesetzter Herrscher von Mauretania Tingitana, pflegte rege Beziehungen zum Römischen Reich. Tanger wurde wichtiger Handelsstützpunkt und Roms Einfallstor zum Hinterland von Mauretania Tingitana.
Nach der Ermordung von Ptolemäus, dem Sohn Jubas II., durch Caligula gab es Berberaufstände im ganzen Land, so auch in Tanger. Die Stadt wurde 38 v. Chr. unter römische Verwaltung gestellt und in die römische Provinz Hispania eingegliedert. Es war deshalb vom Rest des Berberreichen abgekapselt und selbst nach der Angliederung Mauretanias ans Römische Reich (40-45 n. Chr.) verhältnismäßig unabhängig. Damals war Volubilis die Hauptstadt, zum Ende des 3. Jahrhunderts wurde Tanger dann als wichtiges Handelszentrum Hauptstadt der römischen Provinz Mauretania Tingitana.
Im Jahre 429 wurde Tanger vom Vandalenkönig Geiserich erobert, ihm aber von den Legionen Justinians wieder entrissen und innerhalb des Byzantinischen Reiches der Provinz Mauretania Caesarea zugeschlagen. Zu Anfang des 7. Jh. fiel Tanger an den Bekehrer und arabischen Feldherren Moussa Ibn Noceir, der die Islamisierung einleitete. In der Folge wurde es zum Spielball arabischer Herrschergeschlechter, so der Idrissiden unter dem Führer Idriss Ben Abdellah, der vor den Abassiden aus dem Orient flüchtete und zum ersten König Marokkos wurde, und den Omajjaden.
Ein Jahrhundert später, 958, gewannen die tunesischen Fatimiden die Oberhand. Die in den Bergen versteckten Idrissiden wurden endgültig von den Omajjaden verjagt, die die Macht über die Stadt erlangten. 1075 wurde die Stadt von den Almoraviden, 70 Jahre später von den Almohaden übernommen.
Ein weiteres Zwischenspiel in der Eroberung der Stadt gaben die tunesischen Fatimiden, bevor die Meriniden 1247 Tanger in ihre Gewalt brachten.
Im 14. Jh. war die Stadt zu einem wichtigen Handelsplatz für die Seemächte im Mittelmeer geworden, und manche begehrlichen Herrscheraugen richteten sich auf Tanger.
1437 eroberten es die Portugiesen, und im Jahre 1578 ging es durch Erbfolge in den Besitz der Spanier und 1643 wieder auf die Portugiesen über. 1661 fiel Tanger durch die Eheschließung der portugiesischen Prinzessin Catarina von Braganga mit Karl II. als Mitgift an England. Unter den Briten konnte sich die Stadt gut entwickeln, nach Uneinigkeiten des englischen Königs Karl II. mit seinem Parlament kam es aber zum Rückzug der britischen Truppen.
Aufgrund der 6-jährigen Belagerung durch Moulay Ismail, der von den Spaniern unterstützt wurde, war Tanger ohnehin vom Hinterland abgeschnitten und konnte durch Belagerung der Spanier vom Meer her den Hafen nicht mehr nutzen, so dass der Handel seitdem an Bedeutung verloren hatte. 1684 konnte Moulay Ismail in Tanger einziehen, die Engländer rückten ab, zerstörten vorher aber die alten Befestigungsmauern und brannten die Innenstadt nieder.
1790 musste die Stadt spanischen Angriffen trotzen. 1844 versuchten die Franzosen die Stadt zu erobern. Da sich Ende des 19. Jahrhunderts Marokko immer mehr von Europa abkapselte, ja sogar ein Verbot für Ausländer aussprach, das Land zu bereisen, wurde Tanger der einzige Platz, an dem sich ausländische Diplomaten niederlassen konnten.
Immer mehr Europäer siedelten sich in der Stadt an, die Engländer kümmerten sich um den Bau sanitärer Anlagen, und es gelang ihnen innerhalb kurzer Zeit, in der Stadtverwaltung wichtige Posten zu besetzen, bis der Sultan bald kaum mehr etwas zu sagen hatte.
Deutschland unterhielt schon seit 1870 Handelsbeziehungen zu Marokko und war ebenfalls konsularisch in Tanger vertreten. Kaiser Wilhelm II. setzte sich bei seinem Besuch 1905 in Tanger für eine weitere Unabhängigkeit Marokkos ein.
Nichtsdestoweniger wurden Marokko und auch Tanger 1912 französisches Protektoratsgebiet. 1923 erklärte man Tanger zum internationalen Gebiet, acht Staaten einschließlich Marokko verwalteten nun die Stadt. Wirtschaftlich und politisch wurde die Stadt international, militärisch aber neutral. Durch diesen Schritt erlebte die Stadt eine wirtschaftliche Blüte, avancierte zum Freihandelsplatz und beliebten Stützpunkt für internationale Geldmärkte und Firmen. Mit dem regen Warenhandel wurde Tanger aber auch zum Rauschgift- und Alkoholumschlagplatz und erwarb sich dadurch einen recht zwielichtigen Ruf.
Mit Erlangung der Unabhängigkeit und der Vereinigung Marokkos kam die Stadt am 29.10.1956 zum Cherifischen Reich zurück.
Sehenswürdigkeiten rund um die Medina und Kasbah
Um die Kasbah von Tanger entwickelte sich im Laufe von Jahrhunderten eine belebte Medina. Steile Gassen und Gässchen winden sich zwischen den weißen Mauern der Häuser, enden oft unvermutet und abrupt, ein Labyrinth von großen und kleinen Läden mit Handelswaren aller Art.
Der Grand Socco (Großer Souk) ist ein typisch marokkanischer Platz mit vielen Teestuben und der wichtigste Marktplatz am Rande der Medina. Hier sehen Sie auch die Rifbäuerinnen mit ihren großen, mit Wolltroddeln verzierten Strohhüten. Der Grand Socco ist angeblich auf den Grundfesten des einstigen Forums von Tingis erbaut.
Nordwestlich des Grand Socco befindet sich das Haupttor der Stadtmauer um die Medina, das Bab Fahs. Daneben erstrecken sich die Gärten der alten Residenz des Mendoub der Mendoubia (früher Sitz des Sultans der int. Kommission, jetzt Sitz des Friedensrichters). In ihnen stehen 800 Jahre alte Dragonienbäume und 40 alte Kanonen aus allen möglichen Ländern.
Die belebte Rue des Siaghin verbindet den Grand Socco mit dem Petit Socco (Kleiner Souk), bei den Einheimischen Souk Dahel (Innen-Souk) genannt, einst der berüchtigste Platz Tangers. In den Cafés wurden die dunklen Geschäfte der Schmuggler, Rauschgift- und Mädchenhändler getätigt. Der spanisch anmutende Platz ist von alten Cafés umgeben, von denen man das turbulente Treiben beobachten kann.
In der Rue de la Marine befindet sich das schöne Eingangstor der Großen Moschee (Jemaa Kebira), die unter Moulay Ismail im 17. Jh. gebaut wurde. Gegenüber steht eine Medersa aus der Merinidenzeit. Die Königsresidenz bzw. der Sitz des Sultans (Dar el Makhzen) liegt bereits im Kasbahbereich, im Norden der Medina (ausgeschildert mit Palais Marshan). Der Sultanspalast wurde während der Zeit Moulay Ismails im maurischen Stil erbaut und im frühen 19. Jahrhundert erweitert. Schon von weitem erkennbar ist das achteckige Minarett der Palastmoschee.
Das archäologische und das Museum für marokkanische Künste, beide auch als Musee de la Kasbah bekannt, sind im Dar el Makhzen untergebracht. Im Museum für marokkanische Künste im Hauptbau sind die verschiedenen landestypischen Kunsthandwerksprodukte, nach verschiedenen Regionen geordnet, zu bewundern. Das Spektrum der Schaustücke reicht von intarsienverzierten Waffen und Töpferwaren aus dem Norden, von Teppichen aus Rabat, bis zu Schmuck, Keramik, Holzschnitzereien, Musikinstrumenten und traditionellen Kleidern. Im prunkvollen Fes-Saal sind alte Koranhandschriften und typische Feskeramik zu besichtigen.
Im Nebengebäude in den alten Küchenräumen des Palastes sind die archäologischen Kostbarkeiten untergebracht. So werden sowohl frühgeschichtliche Funde als auch zahlreiche Exponate aus der römischen Epoche gezeigt. Im ersten Stock findet man geschichtliche Darstellungen aus der Herrschaftszeit der Portugiesen, der Engländer und der marokkanischen Sultane sowie aus der jüngeren Geschichte Tangers. Ein Gemälde des bekannten Malers Delacroix ist ebenfalls zu sehen. Der Saal Nr. 3 ist antiken Bestattungsriten gewidmet, sogar ein karthagisches Grabmal in Originalgröße ist ausgestellt. In den Sultansgärten, die man vom Norden her über die Rue Riad Sultan erreicht, sind ebenfalls zahlreiche antike Stücke zu besichtigen. Im Eingangsbereich des Dar el Makhzen befindet sich die Schatzkammer Moulay Ismails (Bit el Ma).
Über eine Treppe erreicht man das Café Detroit, in den 60er Jahren errichtet von dem Beatnik Gysin, als Auftrittsort für die nahe Tanger beheimateten Jajouka-Musiker. Mittlerweile ist das Café aber sehr touristisch.
Der Kasbah-Bereich um den Dar el Makhzen an der Place de la Kasbah lädt ebenfalls zum Verweilen ein. Man stößt im Osten auf das Bab el Assa, das Tor, bei dem einst nach Gerichtsverhandlungen die Verurteilten ausgepeitscht wurden, und kommt dann auf den Grand Mechouar, den großen Versammlungsplatz vor dem Sultanspalast. An dessen südlichem Ende erhebt sich das Dar Ech Cheran, das Gerichtsgebäude, in dem jetzt verschiedene Kunstausstellungen beheimatet sind.
Nördlich des Kasbah-Platzes liegt das nördliche Stadttor Bab er Raha mit dem Ausgang zum Mittelmeer, von dessen Aussichtsterrasse sich ein großartiger Blick aufs Meer bietet. Das östliche Stadttor Bab el Bahar neben dem Turm EI Hamra führt zum Hafen und in der südlichen Verlängerung der Corniche entlang zum Strand. Orientalische Atmosphäre bei einem
"The a la menthe" genießt man am besten im nostalgisch verstaubten Hotel Continenfal, im Flair der 20iger Jahre. 36, Dar el Baroud (s.a. Hotels). In der Rue d’Amerique, in der südlichen Medina liegt die ehemalige amerikanische Gesandtschaft, in einem prachtvollen Palais, das die Amerikaner nach ihrer Unabhängigkeitserklärung im 18. Jh. von Sultan Moulay Slimane geschenkt bekamen. Marokko war eines der ersten Länder, die die Unabhängigkeit der USA anerkannten. Jetzt ist die Gesandtschaft - übrigens das einzige historische Monument der USA, das seit der Unabhängigkeit existiert, ein Museum, das die marokkanisch-amerikanischen Beziehungen dokumentiert: es gibt u.a. Briefe von George Washington an den damaligen Sultan Moulay Abdallah, eine Spiegelsammlung und die Werke der Maler Lecouteux und Ali R'Bati zu besichtigen.
Forbes- oder Miniaturenmuseum im Marshan-Viertel: Hier sind sämtliche Armeen der Weltmächte jetziger und vergangener Zeiten “en miniature” ausgestellt. Der amerikanische Zeitungsbesitzer und Milliardär Malcolm Forbes hatte in dem von ihm erworbenen Palais über 110.000 Miniatursoldaten gesammelt bzw. anfertigen lassen. Im Forbes-Museum sind die größten Schlachten der Geschichte, u.a. “Waterloo” oder die “marokkanische Dreikönigsschlacht”, in Szene gesetzt.