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Marrakesch, die Perle des Südens

In der Berbersprache Tifinach bedeutet der Stadtname „Durchzugsland“ und meint ein neutrales Gebiet zwischen den Revieren verschiedener Sippen. Marrakech wurde 1062, kurz nach der Almoravidischen Machtergreifung, auf bis dahin unbesiedeltem Gebiet als Militärlager gegründet.

 

Marrakesch, die Perle des Südens, Blick auf Jamaa El Fna von Cosybar (Bild FVA 2006)Unter Youssouf Ben Tachfin stieg die zügig ausgebaute Ansiedlung zur Almoraviden-Residenz auf.

Aus der Gründungszeit von Marrakech ist heute kaum noch etwas erhalten

Marrakech wurde 1062, kurz nach der Almoravidischen Machtergreifung, auf bis dahin unbesiedeltem Gebiet als Militärlager gegründet. Unter Youssouf Ben Tachfin stieg die zügig ausgebaute Ansiedlung zur Almoraviden-Residenz auf. Nach seinen sieg- und beutereichen Kriegszügen gegen Alfons VI. von Kastilien, dem er 1086 das spanische Toledo entreißen konnte, begann für Marrakesch eine Zeit der Blüte. Zahlreiche Moscheen und Paläste entstanden. Youssoufs Sohn und Nachfolger Ali Ben Youssouf ließ 1126/27 die heute noch erhaltene Wehrmauer anlegen und vor den Toren der Stadt die ersten Palmenhaine anpflanzen.

Aus der Gründungszeit von Marrakech ist heute kaum noch etwas erhalten. 1147 stürmten die Almohaden die Stadt, zerstörten die meisten almoravidischen Bauwerke und ließen neue Prachtbauten wie die Koutoubia-Moschee entstehen. Von einer verheerenden Pestepidemie 1176 erholte sich die Stadt nur langsam, erlebte dann aber unter Yakoub El Mansour ab 1184 ihre größte wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Gegen Ende des 13. Jh. von 150.000 Einwohnern bevölkert, konnte sie sich in ihrer Pracht mit den großen islamischen Zentren wie Bagdad und Kairo messen.

Mitte des 13. Jh. schwächten Thronstreitigkeiten die Almohaden, es begann der Aufstieg der Meriniden-Dynastie. Abou Youssouf Yakoub eroberte 1269 Marrakech und verlegte zwei Jahre später die Residenz nach Fes. Bis Anfang des 16. Jh. schrumpfte die Bevölkerung von Marrakech auf 20.000 Einwohner. Erst mit der Saadier-Dynastie, die 1521 in die Stadt einzog und sie 1554 zur Hauptstadt ihres Reiches machte, ging es wieder aufwärts. Mit dem Gold von Timbuktu - Sultan Ahmed El Mansour eroberte 1591 die reiche Handelsstadt - wurde die inzwischen stark verfallene 'Perle des Südens' erneut zur glänzenden Metropole ausgebaut. Es entstand der Badi Palast, der selbst als Ruine noch heute durch seine gewaltigen Ausmaße beeindruckt.

Die Herrscher der Alaouiten-Dynastie bevorzugten Ende des 17. Jh. wiederum Fes als Hauptstadt. Moulay Ismail ließ die bedeutendsten Bauten aus der Regierungszeit der Saadier zerstören. Obwohl Marrakesch bis ins 20. Jh. hinein immer wieder einmal als Residenz fungierte, stand die Stadt seither im Schatten der Konkurrenz aus dem Norden. Mit der Unterstützung El Glaouis, des Paschas von Marrakesch, marschierten 1912 die Franzosen in die Stadt ein. Der „Löwe des Atlas“, wie El Glaoui auch genannt wurde, beherrschte bis zur marokkanischen Unabhängigkeit 1956 weite Teile des Südens.

Heute ist Marrakech eine Stadt des Handels und Handwerks. Die Medina wird von kleinen Laden-Werkstätten mit mehr als 30.000 Handwerkern geprägt. Die Altstadt ist wichtigster Absatzmarkt für handwerkliche Produkte, die den besonders aus Agadir zahlreich anreisenden Touristen angeboten werden. Die moderne Universität im Norden, wichtige Messen, Kongresse und ein Filmfestival tragen zur wachsenden internationalen Bedeutung der Stadt bei.

Djemaa El Fna, Platz der Genüsse, Platz der Geköpften. Die Quintessenz jeder Stadtbesichtigung. Quacksalber, Geschichtenerzähler, Beutelschneider, Hökerer, Schlangenbeschwörer, Wasserverkäufer, Akrobaten und Garküchen bis in die späte Nacht. Auf dem weltberühmten Platz Jemaa El Fna finden viele ihr Auskommen. Gleich dahinter die weitverzweigten Souks, aus dessen Labyrinth nur die allerstandhaftesten Konsumverweigerer ohne Souvenir herauskommen. StadtmauerDer 12 km lange Wall aus dem 12. Jh. zählt zu den eindrucksvollsten Stadtmauern Marokkos. Sie wird überragt von Zypressen, Dattelpalmen und Kiefern und ist durch 202 vorspringende Basteien verstärkt. Von den elf alten Toren ist das restaurierte Bab Aguenaou das schönste.

Die große Metropole Südmarokkos fasziniert besonders im Frühjahr, wenn die schneebedeckten Gipfel des etwa 60 km entfernten Hohen Atlas zum Greifen nah erscheinen. Bedeutende Monumente aus der Blütezeit der Stadt sowie die ausgedehnten Souks des Landes machen Marrakech zu der nach Fes bedeutendsten Königsstadt.

Eine Rundfahrt mit der Kutsche (Abfahrt nahe der Koutoubia) um die Mauern der Altstadt ermöglicht auf entspannende Weise einen ersten Überblick über das mittelalterliche Marrakesch. Ein Abstecher führt zu dem einige Kilometer außerhalb der Stadtmauer gelegenen Jardin Menara, der bereits im 12. Jh. unter den Almohaden angelegt wurde. Am südlichen Rand eines großen Wasserbeckens erhebt sich ein kleiner Pavillon aus dem 19. Jh. An den Wochenenden sind die Gärten ein beliebtes Ausflugsziel der Marrakchi. Wer den Rundgang durch die Altstadt in Begleitung eines offiziellen Führers unternehmen will, findet diesen an den großen Hotels oder in der Nähe der Koutoubia.

Südliche Medina

Marrakesch, die Perle des Südens, Marrakech Bild 2009

Von der Avenue El Menara kommend, betritt man die südliche Altstadt durch das Bab El Djedid, das Neue Tor. Rechter Hand liegt das bekannteste Hotel der Stadt, das in maurisch-andalusischem Stil erbaute Al Mamounia. Die palastartige Innenausstattung sowie die blühenden Gärten machen den Aufenthalt in dieser luxuriösen Anlage zu einem besonderen Erlebnis.

Wendet man sich nach links, ist nach etwa 300 m die für Nichtmuslime unzugängliche, 1157/58 errichtete Mosquée Koutoubia erreicht. Das Wahrzeichen von Marrakesch, benannt nach dem früher in der Nachbarschaft angesiedelten Souk der Buchhändler, ist eines der eindrucksvollsten Bauwerke der Almohadenzeit. Die Gebetshalle bedeckt eine Fläche von 90 x 60 m, in den 17 Schiffen können bis zu 25'000 Gläubige ihrem Gebet nachgehen. Der 77 m hohe, quadratische Turm besitzt auf allen vier Seiten unterschiedlich gestaltete Bogenfenster. 1198 vollendet, ist er das schönste Beispiel eines almohadischen Minaretts. Etwa zeitgleich entstanden in Sevilla die Giralda und in Rabat der Hassan-Turm. Diese drei almohadischen Moscheentürme des ausgehenden 12. Jh. bestimmen bis zum heutigen Tag die Form marokkanischer Minarette. Prominentestes Beispiel aus heutiger Zeit ist die Moschee Hassan II. in Casablanca.

Von der Place Youssouf Ben Tachfin aus folgt man rechts der Rue Sidi Mimoun bis zu dem im 12. Jh. entstandenen Bab Agnaou , dem schönsten Tor von Marrakesch. Seine Dekoration besteht aus Zackenbogen, Arabesken und einem Fries kufischer Inschriften. In unmittelbarer Nachbarschaft erhebt sich das zeitgleich erbaute Bab Er Robb. Die beiden Tore dienten einst als Zugänge zu der unter Almohaden-Sultan Yakoub El Mansour angelegten Kasbah. Das einzige von der alten Almohadenresidenz erhaltene Gebäude ist die Moschee de la Kasbah, die nach ihrem Erbauer auch El Mansour Moschee genannt wird. Das renovierte Minarett ist im oberen Bereich mit grünen Kacheln farbig verziert.

Rechts neben der Moschee befindet sich der Eingang zu den Gruften der Saadien. Die im 16. Jh. angelegte Nekropole wurde unter Alaouiten-Herrscher Moulay Ismail zugemauert und erst 1917 wiederentdeckt. Ein schmaler Gang führt zu den zwei Mausoleen, in denen insgesamt sieben Sultane und 62 Mitglieder der Saadier-Familie ihre letzte Ruhestätte fanden. Links hinter dem Eingang öffnen sich die drei nebeneinander liegenden Räume des Größeren Mausoleums. Der erste, ein Gebetsraum mit sehenswertem Mihrab, beherbergt das Grab Moulay El Yazids. Obwohl die Nekropole eigentlich zugemauert war, bestand weiterhin ein Zugang über die Kasbah-Moschee, so dass Ende des 18. Jh. der Sultan der Alaouiten hier bestattet werden konnte. Es folgt der prunkvolle „Saal der zwölf Säulen“. Unter einer mit Schnitzereien verzierten Kuppel aus Zedernholz, die von 12 Säulen getragen wird, ruht der Eroberer von Timbuktu, Ahmed El Mansour Ed Dehbi. Beachtenswert ist die reiche Ausschmückung mit Zellij-Kacheln und Stalaktitbögen (Muqarnas). Im dritten Raum befinden sich Kindergräber. Das zweite Mausoleum ist kleiner, besteht nur aus zwei Räumen, die einfacher ausgestattet sind. Hier, wie auch im Garten, findet man weitere Gräber von Familienangehörigen und Staatsdienern. Wenn die Saadiergräber nicht gerade von Reisegruppen besucht werden, ist der schöne Garten eine Oase der Ruhe.

Nicht weit entfernt, südlich des Eisenschmiedeplatzes, erheben sich die Ruinen des Palais El Badi. Mit dem Gold aus Timbuktu finanzierte der mächtige Saadier Ahmed El Mansour den 1578-1608 erbauten größten Palast des Maghreb. Nach seinem Namen, 'der Unvergleichliche', zu urteilen, war er auch der schönste. Doch die ganze maurische Pracht, die Zellij-Kacheln, die Stuckornamente und die Zedernholzschnitzereien, sind heute verschwunden. Gut 100 Jahre nach ihrer Entstehung wurde die Anlage unter Alaouiten-Herrscher Moulay Ismail als Steinbruch für die Errichtung einer neuen Residenz in Meknes verwendet. Heute sind von der riesigen Palastanlage nur noch einige Mauerreste und Böden erhalten. Ein plätschernder Brunnen und zahlreiche Störche, die im Frühjahr hier ihren Nachwuchs hüten, verleihen der Ruine eine märchenhafte Atmosphäre. Von der Terrasse hat man einen schönen Blick auf die Stadt und die Dächer des südlich sich anschließenden Königspalastes. Der Dar El Makhzen wird von der Familie Mohammeds VI. als Winterresidenz genutzt und ist daher nicht öffentlich zugänglich.

Vom Eisenschmiedeplatz gelangt man über die Rue Bab R’hemat zum Palais de la Bahia. Die ehemalige Residenz der Großwesire Si Moussa und Ba Ahmed ist - auch ohne ihre Originalmöblierung - ein schönes Beispiel für die Prachtentfaltung in einem orientalischen Fürstenpalast Ende des 19. Jh. Der Rundgang durch die Anlage mit ihren zahlreichen prunkvoll ausgeschmückten Empfangssälen und Privatgemächern sowie blühenden Innenhöfen und Gärten ist nur in Begleitung eines Führers möglich. Beachtenswert ist die Vielfalt der Deckendekorationen. Die schönsten Räume des Palastes, unter ihnen das 'Zimmer der Favoritin' mit üppigen Verzierungen, öffnen sich zum hintersten Hof. Ursprünglich waren die kahlen Gipswände mit bunten kostbaren Textilien behängt, die jedoch nicht mehr erhalten sind.

Folgt man der Rue Riad Zeitun Djedid ein kurzes Stück nach Norden und biegt dann die Rue de la Bahia nach rechts ab, erreicht man das Volkskundemuseum Dar Si Said. Die umfangreiche Sammlung marokkanischen Kunsthandwerks ist in dem Ende des 19. Jh. errichteten ehem. Palast eines Bruders Ba Ahmeds untergebracht. Kunstvoll geschnitzte Holztüren aus alten südmarokkanischen Kasbahs sowie ein mit Blumen- und Tierdarstellungen dekoriertes steinernes Becken zählen zu den interessantesten Exponaten. Das im 11. Jh. gefertigte Becken - ein seltenes Zeugnis figurativer Kunst im westlichen Islam - stammt aus Andalusien und diente einst als Reinigungsbrunnen in der Ben-Youssouf-Medersa. Die vier Räume des Untergeschosses, die sich um einen schönen Innenhof gruppieren, zeigen Silberschmuck, Messing- und Kupferarbeiten sowie Keramiken. Die Räume der oberen Etage, die allesamt mit schönen Holzdecken ausgestattet sind, präsentieren eine umfangreiche Teppichausstellung mit Stücken aus verschiedenen marokkanischen Regionen. Außerdem sehenswert sind ein Hochzeitsthron und ein riesiger zeremonieller Kerzenhalter. Nur 100 m entfernt steht das im maurischen Stil erbaute Haus Dar Tiskiwin (8 Rue de la Bahia, Tel. 44 33 35), das auf Anfrage besichtigt werden kann. Der holländische Besitzer, der Kunsthistoriker Bert Flint, erklärt anhand seiner exklusiven Sammlung kompetent und vielsprachig die Teppichkunst und andere Zweige des marokkanischen Kunsthandwerks. …