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Jardin Majorelle - der Garten Eden

Zugegeben: Die Pandemie bringt vor allem viel Ärger und Stress mit sich, und für viele Menschen auch finanzielle Not und traumatische Erlebnisse. Und doch liegt es nun mal in der Natur des Menschen, oder sagen wir mal, in der Natur des gläubigen Menschen, des Optimisten oder Idealisten, in der Krise auch die guten Seiten zu suchen.

Jardin Majorelle - der  Garten Eden, Foto: Marion Klein

Und derer gibt es tatsächlich auch jetzt. Die Natur hat sich vielerorts erholen können (auch wenn ihr jetzt durch Maskenabfall, Schnelltestschrott und Schutzkleidungsentsorgung wohl ein neuer Kollaps droht), viele Menschen konnten zum ersten Mal entschleunigen (dazu gehöre ich), und Dinge hinterfragen, die sie sonst für selbstverständlich hielten, vor allem aber wurde überall ausgemistet und zwar sowohl Innen als auch Außen.

Jardin Majorelle - der  Garten Eden, Foto: Marion Klein

Doch bevor ich nun zu philosophisch werde, will ich hier und jetzt einen der positiven Aspekte der Pandemie beleuchten, zugegeben, einen sehr kleinen Aspekt, dafür aber einen leuchtend Blauen. Und zwar: Den Jardin Majorelle in Marrakech. Denn dieser ist so leer wie er wohl noch nie in seinem Leben als Touristenmagnet war und so kann man ihn derzeit auf eine Art und Weise fotografieren, wie das sonst niemals möglich wäre. Und Marion Klein hat das für uns getan. Überhaupt: Während ich hier in Deutschland mit den Füßen scharre, um wieder nach Marokko zu reisen, lebt Marion vor Ort und schickt mir fast täglich mit ihren Fotos ein Stück Marrakech nach Freiburg, sowie vor ein paar Tagen diese wunderbaren Fotos des berühmten Gartens.

Jardin Majorelle - der  Garten Eden, Foto: Marion Klein

In meinem Stefan Loose Reiseführer Marokko schreibe ich: „Wäre der Jardin Majorelle nicht immer so unglaublich voll, wäre er ganz sicher das Paradies auf Erden.“ Tja, nun ist er es: Das Paradies auf Erden. Das sieht man nicht nur, genau dafür wurde er auch geschaffen. Als 1923 der französische Maler Jacques Majorelle die ersten Quadratmeter Land, damals noch vor den Toren Marrakechs, kaufte, ließ er darin einen Garten anlegen, und zwar so, wie er nach der Vorstellung des Paradieses im Koran beschrieben wurde. Umgeben von einer hohen Mauer, geschützt vor den schädlichen Einflüssen von außen, voll exotischer Pflanzen, geschaffen nicht nur für den Menschen, sondern auch für Vögel mit Wasserbecken und Wegen.

Jardin Majorelle - der  Garten Eden, Foto: Marion Klein

Der Maler war schon lange Zeit fasziniert von fremden Kulturen und Welten, vor allem aber von deren Farben. Er hatte außer in Marokko auch in Ägypten gelebt und wusste, dass er nur hier, in der Fremde so arbeiten konnte, wie es für ihn notwendig war. Er ließ eine Villa im Garten errichten, in der er lebte und arbeitete, kaufte immer wieder Landstücke rund um seinen Garten dazu und ließ darauf exotische Pflanzen anbauen, die er aus der ganzen Welt hierherbringen ließ, insgesamt 300 unterschiedliche Pflanzenarten.

In normalen Zeiten schieben sich Menschenmassen durch den Garten. Jetzt leiten leere, breite Wege den Besucher durch das übersichtliche Areal, vorbei an Brunnen und Bassins in Blau, Türkis und Gelb. Der Garten wird immer im Schuss gehalten, so ist das nicht. Aber die Leere der letzten zwei Jahre hat man genutzt, um wirklich alles rundum zu erneuern. Auch das Café, das im Garten zu finden ist, das Museum, die Wege, die Pflanzen. Und so leuchten die Farben jetzt so hell und klar wie noch nie. Und herausstechen tut hierbei vor allem eine Farbe: Das Blau. Das weltberühmte Majorelle-Blau. Der Maler selbst hatte es erschaffen, und wer sich heute mit Malerei und Kunst befasst, kennt diese Farbe aus seinem Malkasten. Denn das Bleu Majorelle sticht in seiner Intensität hervor. Es ist ein bestechendes Blau mit leichtem Stich ins Lila, das, wenn die Sonne darauf scheint, den Himmel blass aussehen lässt. Majorelles ehemalige Villa, das spätere Haus von Yves St. Laurent und heutige Musée Majorelle, ist komplett in diesem Farbton gestrichen, ebenso wie die Terrakotta-Töpfe und Brunnenbecken des Gartens.

Jardin Majorelle - der  Garten Eden, Foto: Marion Klein Jardin Majorelle - der  Garten Eden, Foto: Marion Klein Jardin Majorelle - der  Garten Eden, Foto: Marion Klein Jardin Majorelle - der  Garten Eden, Foto: Marion Klein

Als Majorelle starb, drohte der Garten zu verkommen. Er verwilderte, kein Mensch fühlte sich zuständig und so wuchs das Grundstück peu è peu wieder zu und wurde zu einem wilden Urwald mit seinen exotischen Pflanzen. Doch dann kam ein Mann, der sich, wie zuvor Jacques Majorelle, in das Grundstück verliebte, es aufkaufte und somit vor seiner Rodung bewahrte. Es war der berühmte Modemacher Yves St. Laurent, der zu dieser Zeit bereits in Marrakech lebte. 20 Gärtner stellte er ein, damit diese den wunderbaren Garten wiederherrichteten. Er selbst zog für kurze Zeit in die Villa des Künstlers, wo er lebte und arbeitete, bevor er im Nordteil des Gartens eine neue Villa errichten ließ, in der er bis zu seinem Tod 2008 lebte. Heute ist dem Modemacher ein eigenes Museum gewidmet, direkt neben dem einstigen Wohnhaus, direkt neben dem herrlich blauen Garten.

Und was geschah mit der kleinen Villa des Malers? Diese wurde bereits zu Lebzeiten von Yves St. Laurent einem kleinen Museum für Berber- und islamische Kunst, dem Musée Majorelle, umgebaut, das St. Laurents Sammlung von Berberkleidung, Schmuck und Koranexemplaren bis heute ausstellt. Es war und ist bis heute ein sehr privates Museum geblieben, das verrät, wie sehr der Modemacher das Land und seine Kultur geliebt hat. In vier Räumen werden die Ausstellungsstücke wunderschön präsentiert. Sie sind sehr gut beschriftet und in ihrer Zusammenstellung auch außergewöhnlich. Die Asche von Yves St. Laurent wurde übrigens im Garten verstreut. Wer also heute durch den Jardin Majorelle läuft, wandert automatisch damit auf reellen Spuren des Künstlers. Doch der Geist von beiden Franzosen, von Yves und Jacques begegnet man auch ohne Asche. Denn beide sind im Garten durch ihr Wirken und Schaffen omnipräsent. Auch eine Sache, die man jetzt, wo kaum Besucher hier sind, sehr viel besser spüren kann.

Und bevor jetzt alle aufschreien: Natürlich wünsche ich mir nicht, der Garten möge so leer bleiben, denn es bedeutet, dass zu wenige Menschen Marokko besuchen und leidtragend dabei sind die Menschen, die vom Tourismus leben und so dringend die Besucher brauchen. Träumen wir also wieder von vollen Gärten und Museen und wenn uns dabei der Atem wegbleibt, nehmen wir einfach die Bilder von Marion, die den Zauber der Ruhe für uns eingefangen hat.

Mehr über die Autorin Muriel Brunswig erfahren Sie hier