Familienreise durch Südmarokko
Um 11 Uhr morgens stehen wir auf dem Djamâa-el-Fna, dem berühmten Platz mitten in der Altstadt und tauchen ein in die fremde Welt. Bereits am Vormittag kann man ahnen, was abends hier los sein wird. Grüppchen von Schlangenbeschwörern sitzen schon unterm Sonnenschirm in weißen, weiten Jelabas, auf kleinen Hockern oder einfach im Schneidersitz auf dem Boden.
1. Tag Marrakesch
Um 11 Uhr morgens stehen wir auf dem Djamâa-el-Fna, dem berühmten Platz mitten in der Altstadt und tauchen ein in die fremde Welt. Bereits am Vormittag kann man ahnen, was abends hier los sein wird. Grüppchen von Schlangenbeschwörern sitzen schon unterm Sonnenschirm in weißen, weiten Jelabas, auf kleinen Hockern oder einfach im Schneidersitz auf dem Boden. Sie spielen Flöte und lassen die Schlangen tanzen: Kobras richten sich wie Synchronschwimmerinnen auf, die aufgeplusterten Hälse drehen alle in dieselbe Richtung. Die Flöten kennen nur hohe Töne, immer drei wallen in einer Endlosschleife auf und ab. Einige Beschwörer halten eine Schlange in der Hand, lässig wie ein aufgerolltes Lasso und warten auf Touristen wie uns. Ein Blickkontakt, ein Lächeln, und schon haben sie uns: „Where are you from, voulez vous photos?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, hat Vincent eine Schlange um den Hals, der Kollege kommt sofort und legt seine Schlange um Leons Hals. Der Schlangenmensch legt den Jungs den Arm um die Schulter und grinst breit. Die Zahnstummel leuchten. Perfektes Foto, macht 5 Dirham, das sind 50 Cent, oder auch 20 Dirham, je nach Verhandlungsgeschick.
Die Jungs nehmen das Gewürm recht gelassen tapfer
Sie sind nicht mal zusammen-gezuckt. Kühl sei die Schlange am Hals gewesen, aber Angst hätte er nicht gehabt, sagt Vincent. Der Platz füllt sich. Hier stehen Zuschauer um zwei Schauspieler, die eine Geschichte spielen: einer ist wohl der dumme Esel, er hat ein Paar ausgelatschte Flip-Flops zu Eselsohren umfunktioniert und mit einem Gummiband am Kopf befestigt, ein anderer haut ihm mit dem Besen auf das beschürzte Hinterteil. Er gestikuliert wild und lamentiert dramatisch, die Leute lachen; Kinder genauso wie Erwachsene. Es macht Spaß zuzuschauen, auch wenn wir kein Wort verstehen.
Dort trommelt eine kleine Gruppe prächtig angezogener Männer, sie tragen leuchtend rote, gelbe oder blaue Gewänder aus glänzendem Stoff und kreisen unablässig mit dem Kopf, auf dem eine Mütze mit Bommel sitzt, der im gleichen Rhythmus wie ein Spielzeugflieger um den Kopf fliegt. Ebby kennt sich aus - das sind Gnaouas, Nachfahren westafrikanischer Sklaven, die sich mit ihrer Musik in Trance wiegen. Sie entdecken uns und steuern auf uns zu: „Monsieur, une photo!“ Wir lachen und haben im nächsten Augenblick die Bommelmütze auf dem Kopf, Leon bekommt die Trommel, Vincent die Metallkastagnetten und die Gnaouas posieren versiert fürs Foto. Frauen auf niedrigen Hockern bieten Hennatatoos an oder lesen die Zukunft aus Karten. Vor einem Café fliegen Akrobaten mit Flic-Flacs vorbei, mindestens acht hintereinander. Die Leute klatschen, sie gehen rum um sammeln Geld.
Pause in einem der vielen Cafés um den Platz herum. Orangina und Cola, eine kleine Pizza. Das tut gut. Kostet zwar mindestens so viel wie in Deutschland, aber das zahlen wir gerne für das große Kino, das sich hier bietet. Kino in 4D, spannende Kulisse für alle Sinne. Riechen, schmecken, hören, sehen, und staunen, staunen, staunen. Weiter geht´s: Hinter dem Djamaa- el-Fna zweigen Gassen ab, die in das Labyrinth der Souks führen.
Ein Farbenrausch, den das Auge kaum fasst – lückenlos reiht sich Stand an Stand mit Taschen, Stoffen, Ledergürteln, Schuhen, Ketten, Ringen, Lampen, herrliche Süßigkeiten, grüne mit Pistazien, Blöcke aus Honig, Sesam, Nüssen und Rosenwasser. Stände mit Seifen, Kräutern, Gewürzen verströmen schweren Duft nach Amber und Zedernholz. Und auch Tiere gibt es. Wir bleiben an einem Stand stehen, und es dauert keine drei Sekunden, bis Leonard ein kleines Chamäleon in der Hand hält. Der Ladenbesitzer zieht Ebby am Ärmel um die Ecke, dort lebt noch mehr Getier: Ein junger Falke sitzt auf einem geflochtenen Hocker, mit dem Fuß dort angeleint. Größere Chamäleons harren bewegungslos auf dem Treppengeländer. Zacharias, stellt sich der Ladenbesitzer vor, und setzt Vincent ein Chamäleon auf den Kopf, eines auf die Brust und gibt ihm eines in die Hand. Der weiß gar nicht, wie ihm geschieht und blinzelt skeptisch. Zachrarias packt Amberseife aus und streicht uns damit über den Arm. „Pour le cabinet“, für den Schrank, damit die Kleider immer gut riechen. Ok, er ist so symphatisch, dass wir gar nicht anders können als das Stück Seife zu kaufen. Weiter geht´s durch die Gassen, es ist eng und warm, von oben fällt Licht durch die auf Überdachung und zeichnet Streifen auf die Rücken. Hier schiebt jemand einen breiten Karren vor sich her, von hinten kommt ein Mofa angeknattert, es ist so eng, dass man zeitweise nur schrittweise vorankommt.
Die Ruhe in dem Jardin du Majourelle tut nach dem Trubel in den Souks enorm gut
Die Ruhe in dem Jardin du Majourelle tut nach dem Trubel in den Souks enorm gut. Vincent kriegt Stress, vier Stunden Djemaa el Fna und Souks waren für ihn genug. Seine Stimmung schlägt um, er will hier raus, und zwar sofort. Überreden hat wenig Sinn, also suchen wir den Ausgang, fahren mit dem Petit- Taxi (Preis unbedingt vorher aushandeln, in Marrakesch werden die Taxameter selten angemacht!) ins Hotel und dort springt er direkt in den Pool. Super, die Welt ist wieder in Ordnung, Das Hotel Palm Plaza liegt zwar ein paar Kilometer entfernt von der Medina, ist aber eine schöne, großzügige Anlage mit großem Swimmingpool, Terrasse und einem gigantischen Frühstücksbuffet. Die Kinder lieben das Hotel, sie sind völlig begeistert. Ebby und Leon sind unermüdlich und besuchen noch die Jardins du Majorelle. Yves Saint Laurent hat hier gewohnt und seine Handschrift hinterlassen. Konsequente Farbkontraste in Kobaltblau, Türkis und Safrangelb harmonieren perfekt mit der üppigen Pflanzenwelt ringsrum. Ein echtes Muss!
2. Tag Imlil
Unsere Unterkunft ist nur mit dem Muli, der das Gepäck trägt, zu erreichen. Vincent und Abdou, unser Bergführer, verstanden sich von Anfang an. Manchmal erscheint uns Marokko wie Tibet.
Wir haben ein Auto gemietet und fahren nach Imlil, ein kleines Bergdorf etwa eine Stunde von Marrakesch entfernt. Wir sehen hohe, schneebedeckte Berge vor uns und fühlen uns wie auf der Fahrt in den Skiurlaub. Nur sind links und rechts keine saftig grünen Wiesen mit Kühen wie in der Schweiz, sondern meterhohe Kakteen, Bambus, Palmen und viel rote Erde.
Das Hammam ist das i-Tüpfelchen an Entspannung
Das Hammam ist das i-Tüpfelchen an Entspannung. Ankunft in Imlil, es liegt 1740 m hoch, es regnet und ist empfindlich frisch hier oben. Ein netter Ort mit Cafés und Souvenirläden, in dem der Bauboom ausgebrochen ist. Imlil ist zwar klein, aber wichtig: Es ist die letzte Versorgungsstation vor der Besteigung des Djebel Toubkal, mit über 4100 Metern der höchste Berg Nordafrikas. Jetzt kommt Abdou, der uns ins Hotel bringt. Das wird ein kleines Abenteuer, denn wir müssen unser Gepäck auf einen Muli laden und selbst 20 Minuten durch eine Schlucht kraxeln. Da thront es, hoch über dem Ort in den Berg geschmiegt, das Village du Toubkal & Spa. Sehr schöne große Zimmer im designten Berberstil, mit vielen Teppichen und einer grandiosen Aussicht auf die Bergwelt ringsrum. Boden und Wände sind aus fein marmoriertem „Tadellakt“.
Der Toubkal ragt mächtig in den Himmel. Drei Tage soll eine Besteigung dauern, aber das ist definitiv nichts für Kinder, und schon gar nicht im Oktober. Zu gefährlich, zu kalt, zu viel Schneetreiben und Eisplatten. Die beste Zeit zum Bergwandern ist Mai bis August, sagt Abdou. Das Village du Toubkal & Spa ist ein ruhiger, friedlicher Ort, der komplett im Kontrast zu Marrakesch steht. Wir bekommen zur Begrüßung einen Minztee mit Rosmarin, wandern eine Stunde stramm durch die Schluchten und wärmen uns anschließend im hoteleigenen Hammam auf. Herrlich, auf den warmen Steinen zu liegen. Das Hotel wurde erst vor ein paar Monaten eröffnet und ist ein echter Geheimtipp, der noch in keinem Reiseführer steht.
3. Tag Kasbah Ait Benhaddou
Blauer Mann, vor der Kasbah Ait Benhaddou
Nach einem leckeren Frühstück mit köstlichen safrangelben, luftigen Omeletts, frisch gepresstem Orangensaft, Honig und Marmelade steht unser vierbeiniges Taxi vor der Tür: Das Muli wartet geduldig mit seiner bunten Decke auf dem Rücken und lässt sich unsere schweren Taschen ohne Murren aufladen. Wir verabschieden uns von diesem schönen Ort und von Abdou, dem symphytischen Bergführer. Überhaupt begegnen uns die Menschen hier alle sehr freundlich und hilfsbereit, und wir fühlen uns überall willkommen. Heute geht´s Richtung Süden nach Ait Benhaddou, dem berühmten Kasbah-Komplex, in dem Filme wie „Gladiator“ oder „Lawrence von Arabien“ gedreht wurden. Um dorthin zu kommen, müssen wir aber zuerst eine Stunde nach Marrakesch und anschließend noch mal 200 km fahren. Keine deutschen Autobahn-kilometer, die in zwei Stunden überwunden sind, aber 200 Kilometer, die im Gedächtnis bleiben. Sie führen in Serpentinen ins Gebirge des Hohen Atlas und zeigen eine ganz neue Facette von Nordafrika: Felsen, Schluchten und Bergrücken, die mal in schroffe Falten gelegt sind, mal weiche Rundungen zeigen, als seien Daunendecken darüber ausgebreitet. Gegen Nachmittag wird das Licht weicher und die Berge leuchten in tausend Brauntönen. Wir machen ein Spiel draus und versuchen die Farben zu benennen: Kitt, Sand, Karamell, Ocker, Gold, Haselnuss, Schokolade, Siena, Umbra. Ein atemberaubender Anblick. Unterschiedliche Gesteinsschichten malen faszinierende Strukturen in die Berge, wie mit dem Pinsel gezogene horizontale Linien oder herzförmige Ringe in Geröllplateaus. Soweit das Auge reicht: Steine, Felsen und Weite. Wir sind oben auf dem Pass des Tizi n Tichka auf 2260 Metern. Ganz schön kühl hier. Wir sind spät dran, es ist schon 16 Uhr und wir haben noch mindestens zweieinhalb Stunden Fahrt vor uns. Um 18 Uhr wird´s nach einer kurzen Dämmerung dunkel. Die Fahrt zieht sich. Die Kinder sind zwar erstaunlich geduldig, und ebenso beeindruckt von der Landschaft wie wir, aber so langsam haben alle keine Lust mehr auf Autofahren. Ebby wollte unbedingt die Nebenstrecke über Telouet fahren, da sie besonders schön ist. Bis vor kurzem war sie nur für 4x4 befahrbar. Die ersten 20 km sind immer noch Piste und sind vor allem im Dunkeln nur geübten Fahrern zu empfehlen. Am frühen Abend erreichen wir Ait Benhaddou und suchen ein Hotel. Kein Problem, entlang der Straße sind viele schöne kleine Hotels, wir entscheiden uns für die Kasbah du Jardin, bei der die Zimmer um einen kleinen Pool in einem Gärtchen liegen.
4. Tag Zagora
Kasbah Ait Benhaddou-Kasbah Ait Benhaddou
Um wieder weg zu sein, bevor die Touristenbusse kommen, stehen wir früh auf und machen uns auf den Weg zur Kasbah Ait Benhaddou. Sie liegt auf der anderen Seite des Flusses, den wir trockenen Fußes über Sandsäcke springend überqueren. Die Burganlage aus Stampflehm ragt in den wolkenlosen Himmel, ein verschachtelter Komplex aus Häusern, Türmen und Gassen. Innen ist es dunkel und angenehm kühl. Wir laufen durch das alte Gemäuer, machen Abstecher in die kleinen Läden mit Berberketten, Tüchern, Ammoniten und schauen den Malern über die Schulter. Die haben es Vincent und Leon angetan: Sie brennen mit der Lupe Bilder auf ein Holzbrettchen; die Sonne ist so stark, dass die gebündelten Strahlen hinter dem Glas das Holz sofort verbrennen. Wie mit dem Bleistift mal der Künstler mit der Lupe Bilder. Ein anderer zeichnet mit einer wässrigen Safranlösung blassgelbe Konturen der Kasbah auf ein Blatt Papier und hält es über eine Gasflamme. Nach einigen Sekunden wird die Zeichnung braun - ein toller Effekt. Wir steigen ganz nach oben auf den Hügel. Die Aussicht ist grandios: Die schnee-bedeckten Gipfel des Hohen Atlas in der Ferne, Dattelpalmen und Kasbahs, weites Land, rote Erde. Die Kinder haben schnell genug vom Rundgang durch die Kasbah; zu heiß brennt die Sonne schon, und sooo interessant ist es dann auch nicht. Also setzen wir uns ins Auto und fahren weiter nach Süden, unser Ziel ist Zagora. Die Fahrt geht durch das Draa-Tal, eine Oasenstrecke entlang des Flusses Dra. Die Straße ist gut, wir schaffen die 200 km in nur etwa 3 Stunden. Zagora liegt am Ufer des Draa inmitten einer Dattelpalmenoase, die letzte größere Stadt vor der Wüste. Wir finden unser Hotel Sirocco ohne Probleme. Eine charmante Kasbahanlage mit Türmen links und rechts, einem schönen großen Pool, umrahmt von Dattelpalmen, einer Bar und Liegestühlen zum Ausruhen. Ein wunderbarer Ruhepol, den wir heute nicht mehr verlassen.
5. Tag M´hamid
In Zagora kaufen wir Turbantücher für unseren Wüstentrip
Morgens um 10 steht L´Hassan in der Eingangshalle des Sirocco: Er begleitet uns in das Wüstencamp Le Petit Prince, in das wir heute auf Kamelen reiten, um eine Nacht unter den Sternen der Sahara zu erleben. Die Kinder sind genauso gespannt wie wir Erwachsenen. Die Tour startet in M´Hamid, dem „Tor zur Wüste“. Es liegt 90 km südlich von Zagora – und dort fahren wir jetzt hin. Die gut ausgebaute Straße führt durch das Vallee du Dra und bietet wunderschöne Bilder: Links und Rechts flankiert von entfernten Bergketten, die mit ihrem horizontalen Streifenmuster an einen aufgeschnittenen Baumkuchen erinnern. Oben sind sie plan, als habe jemand mit einem Hobel alle Unebenheiten beseitigt. Am Fuß der Berge ein Palmensaum, davor ein weites Feld aus Geröll und roter Erde. Die Steine zerbröseln, je weiter wir nach Süden kommen. Wir halten in einer kleinen Stadt auf der Strecke und kaufen auf dem Markt für alle große Tücher, knallblau für Leon und Vincent, hellblau für Ebby und weiß für mich. L´Hassan zeigt uns, wie man sie um den Kopf wickelt und feststeckt, so dass Mund und Nase geschützt sind.
Sieht cool aus und fühlt sich gut an; der Chergui bläst heftig und die Sonne brennt. Kurz vor M´Hamid kurven wir durch Dünen und Palmenoasen. Der Himmel ist nicht mehr blau, sondern weiß und diesig. Am Ortseingang parken wir vor dem Haus von Cherg-Expedition, dem Unternehmen, das die Tour organisiert. Von hier aus sollen wir sechs Kilometer durch Oasen und Dünen in das Wüstencamp reiten. Allal wartet neben dem Haus mit zwei Dromedaren und zwei Eseln. Wir packen unsere kleinen Rucksäcke auf den Rücken, und los geht‘s: Den Kopf eingepackt wie die Tuaregs, steigen Vincent und Ebby zuerst auf die Dromedare. Die knien ruhig im Sand, kauen vor sich hin und lassen sich bereitwillig besteigen.
Das Camp Le Petit Prince. Hier findet von das Sahara Kultur- und Musikfestival statt
Der harte Sattel ist mit bunten Decken abgefedert, sodass das Reiten nicht im Schritt scheuert. Allal sagt irgendetwas, die Tiere erheben sich unter lautem Blöken und setzen sich langsam in Bewegung. Leon und ich reiten auf den Eseln; das ist erheblich unruhiger, aber schneller. Etwa eine Stunde lang reiten wir durch Dörfer in Oasen, über die Dünen, und jetzt sind wir wirklich in der Wüste: Um uns herum ist nichts als Sand, nur vereinzelt wachsen Grüppchen von Palmen oder Tamarisken. Der Wind legt sich etwas, die Sonne gibt ein atemberaubendes Bild frei: Unterschiedlich hohe Dünen formen eine sanfte Hügellandschaft mit eingeschliffenem Wellenmuster. Das warme Braun des Sandes leuchtet in der Nachmittagssonne, die lange schwarze Schatten malt. Das Camp ist in Sicht: Le petit Prince ist etwa so groß wie ein halbes Fußballfeld: Kreisförmig angeordnete Biwakzelte begrenzen ein planes Areal. Die Hälfte sind Schlafzelte mit dunkelbraunen Decken als Dach und einem Teppich als Eingangstür. Ein Viertel des Kreises ist zur Mitte hin offen, mit vielen Teppichen ausgelegt, niedrigen Tischen und dicken Kissen.
Ein weiteres Viertel besteht aus einer gemauerten Küche, einem großen Restaurantbereich, Waschraum und WCs. Wüstenführer Abdou wartet schon auf uns, bringt Tee und erzählt von seiner Heimat. Er strahlt viel Ruhe aus und man spürt, wie sehr er die Wüste liebt. Fern von allen Ablenkungen der Zivilisation tickt die Zeit hier anders: „Hier kann man den inneren Zähler auf Null stellen“, sagt Abdou. Wie wahr! Um 18 Uhr wird es dunkel, wir genießen den unendlichen Sternenhimmel über den Silhouetten der Dünen. Abdou und L´Hassan kochen uns eine leckere Tagine mit Pflaumen, Sesam und Rosinen. Gute Nacht in der Wüste!
6. Tag Vallee du Dades
Schräges Fatimabild im Gorges du Dades
Am Morgen wachen wir mit den ersten Lichtstrahlen auf, lugen aus dem Zelt und steigen hoch auf die Dünen, um hier den Sonnenaufgang zu erleben. Ein Wahnsinn, wie sich der rote Ball über den Horizont schiebt! Die Kinder schubsen sich die Dünen runter, lassen sich rollen, klettern wieder hoch und genießen das Schauspiel genauso wie wir. Schade, dass wir nur eine Nacht hier hatten. Wir reiten auf den Dromedaren zurück zur Station, verabschieden uns herzlich von Abdou und L´Hassan, in der Hoffnung, irgendwann mit mehr Zeit wiederzukommen. Eine Sechstagestour zum Erg Chegaga, inschallah. Da das nächste Ziel, Boumalne de Dades, etwa eine Tagesfahrt entfernt liegt, starten wir bereits gegen 10 Uhr morgens. An die langen Autofahrten haben wir uns inzwischen gewöhnt, Leon liest, Vincent malt, Ebby fährt, eigentlich ist alles ganz entspannt. In Marokko gehen die Uhren eben langsamer. Mehr als 60 Kilometer pro Stunde schafft man nicht, und auch im Restaurant dauert es seine Zeit, bis Minztee und Tagine dampfend auf dem Tisch stehen. Anderthalb Stunden sollte man für eine Essenspause auf jeden Fall einplanen.
So erreichen wir unser Ziel, die Kasbah Tissarouine, erst im Dunkeln. Besonders die Strecke zwischen Skoura und Boumalne fordert beim Fahren volle Aufmerksamkeit. Wegen der Enge des Vallee du Dades reiht sich hier Ort an Ort. Die sonst menschenleeren Dorfstraßen füllen sich nach der Dämmerung mit wuseligem Leben. Kapuzengestalten, Kinder, Mofas ohne Licht, einäugige Autos, Hunde, Esel, Karren sind meist nur als schwarze Silhouette zu erkennen. Das gute Tajine mit Zitronenhühnchen und der frisch gepresste Orangensaft in der Kasbah Tissarouine in Boulmalne entschädigen uns für die lange Fahrt. Leider bietet die große, kasbahähnliche Hotelanlage kein Bier oder Wein an. Viele Hotels meiden die hohen Kosten einer Lizenz zum Alkoholausschank.
7. Tag Marrakesch
Serpentinen in der Dades Schlucht Serpentinen in der Dades Schlucht
Auch dieser Tag wird ein Autotag: Wir haben rund 250 km von Boulmalne bis Marrakesch vor uns. Trotzdem machen wir einen Umweg in die nahe gelegene Dades Schlucht. Sattgrüne Auen konkurrieren mit roter Felsgewalt, die engen Serpentinen mäandern im Gegenlicht der grellen Sonne wie glitzernde Schlangen die schroffen Felswände hinauf.
Auf dem Weg nach M´kech, kurz hinter Skoura, geraten wir in eine Polizeikontrolle. Ebby hat einen Lkw überholt und die durchgezogene Linie überfahren. Die war leider auf kilometerweite Entfernung zu sehen. "Eine Linie ist wie eine Mauer, und beim nächsten Mal ist der Führerschein weg!!!" Dieses Zitat verfolgte Ebby für den Rest der Reise. Mit viel Charme und Geduld konnten wir den engagierten Polizisten einwickeln.
In Quarzazate nehmen wir die Nebenstrecke über Telouet zum höchsten Pass Marokkos, dem Tiz´n Tichka (2260 m). Gegen 18 Uhr bricht die Dämmerung herein und kurz darauf versinkt der Tag in der Dunkelheit. Ebby fährt wie Mike Schuhmacher, den hier alle kennen, hat aber die größte Herausforderung noch vor sich: Der abendliche Verkehr in Marrakesch erinnert an einen Ameisenhaufen, in dem gerade Feuer ausgebrochen ist. Wir haben keine Ahnung, wo wir sind, es gibt keine Hinweisschilder, dafür jede Menge hupender Autos, Mofas und Fahrräder, die sich durch die Straßen lavieren als hätten sie tausend Gelenke. Ebby hat feuchte Hände und will gar keine Witze mehr machen. Nach einer weiteren Stunde haben wir unser Hotel Kasbah Mogador & Spa gefunden. Es liegt in einem neuerschlossenem Stadtviertel voller Hotels, Einkaufscentren und breiten Boulevards. Durch die vielen Bauruinen neben den funkelnden Prachthotels denke ich an Beirut. Da auch dieses Hotel "trocken" ist, kauft Ebby im nahe gelegenen Carrefour-Center Parmesan, Weißwein und Baguette zur Belohnung für gutes Fahren.
8. -10. Tag Essaouira
Kurz vor Essaouira entdecken wir Ziegen die sich über die mandelartigen Früchte der Arganbäume hermachen.
Heute beginnt der ruhigere Teil der Reise: Wir fahren nach dem Frühstück in zwei Stunden von Marrakesch nach Essaouira, dem hübschen Fischerstädtchen am schäumenden Atlantik. Unser Hotel liegt direkt am Strand, die Luft ist parfümiert, leise Musik überall. Das Atlas Essaouira & Spa hat seine Sterne wohl verdient. Wir essen am Hafen Loup und Calamares, die Kinder Fritten und Tomatensalat. Die steife Brise der "windy city", wie Essaouira unter Surfern genannt wird, verstrubbelt uns die Haare, eine dreiste Möwe erobert den Tisch, leichter Fischgeruch vom geschäftigen Hafen gegenüber. Wir sind begeistert. Weiße Häuser mit türkis-blauen Fenstern, Tore und Türen, jede Menge Restaurants und Cafés, der breite Sandstrand, die kraftvollen Wellen, deren zahme Ausläufer unsere Füße umspielen. Die überschaubare Medina erweist sich mit ihren schönen Läden als Einkaufsparadies; ob Schmuck oder Babouschen, Teppiche, Lampen, Töpfchen und Tiegel, kunstvoll gearbeitete Kästchen und Dosen aus Thujaholz, Bilder und Skulpturen - ein Glück, dass wir noch etwas Luft im Koffer haben und zuschlagen können. Das hiesige Angebot empfinden wir vielseitiger und geschmackvoller als in den Souks von Marrakesch. Mit Schlafen, Bummeln, am Strand um die Wette laufen, Essen gehen, Lesen und viel Muße verbringen wir drei herrlich entspannte Tage. Ebby setzt sich einen Vormittag zum Golfen auf dem 27 Lochplatz Golf de Mogador ab und kommt völlig begeistert zurück. Erst vor zwei gebaut, gehört er schon zu den Topplätzen in Marokko. Zu empfehlen sei noch das Restaurant Chez Sam am Ende des Hafens. Ist ja auch das Lieblingslokal von Wolfgang Niedecken.
11. -12. Tag Marrakesch
Jamaa El Fna
Es wird hart gehandelt in den Souks von Marrakesch. Wir erreichen Marrakesch am frühen Abend und sind gespannt auf das letzte Hotel unserer Reise. Es ist ein Riad, mitten im Zentrum, 5 Minuten vom Djemma el Fna entfernt. Wir laufen ein Stück durch kahle Gassen und hätten das Messingschild mit der Aufschrift "Palais Sebban" fast übersehen, das an einer fensterlosen Fassade unauffällig am Eingang hängt. Wir klingeln, gehen durch einen dunklen Flur und sind in keiner Weise auf das Paradies vorbereitet, das sich erst hinter der zweiten Tür auftut. Wir wähnen uns auf einer Opernbühne im Stil des Orientalismus. Stuckverzierte Bögen über Zellige geschmückten Wänden, hier ein Brunnen mit schwimmenden Rosenblättern, daneben eine intime Sitzecke mit bordeauxroten Möbeln. Zwischen dem Säulenwald entdecken wir einen beleuchteten Pool. Wir beschließen, dieses Juwel heute nicht mehr zu verlassen.
Den letzten Tag unserer Reise widmen wir dem Shoppen. Es wird gehandelt, bis sich die Balken biegen. Ebby besucht noch die Maison de la Photographie am Fondouk: Pascal, ein Franzose, hat vor zwei Jahren mit Freunden dieses kleine, aber feine Museum für historische Fotografie aus Marokko gegründet.
Vom Dachcafé hat man einen tollen Blick über die Medina auf die Koutoubia. Den Abend verbringen wir mit digital gewogenem Kofferpacken, da Ryanair für jedes Kilo Übergewicht viel Geld verlangt. Erschreckender Weise hätten wir noch vier Kilo übrig gehabt - für Babouschen, Tücher, Tadelaktdöschen, Lampen, Ledertaschen, Skulpturen … "Dann halt das nächste Mal", ganz bald, da sind wir uns alle sicher.
Infos über Eberhard Hahne* finden Sie hier