Inside Marokko. Muriels Reisegeschichten: Casablanca - Casablanca war für Lyautey eine der wichtigsten Städte Marokkos
Casablanca war für Lyautey eine der wichtigsten Städte Marokkos. Es war das Schaufenster Frankreichs zur Welt. Der Hafen war elementar für den Außenhandel und sicherte Frankreich - und damit Marokko - den Wohlstand. Die Nouvelle Ville Lyauteys wurde deshalb auch in die Nähe des Hafens gebaut. Mit der Place Mohammed V. ließ der neue Machthaber ein Zentrum erschaffen, das ein Spiegelbild der französisch-marokkanischen Allianz darstellen sollte, ein Brückenschlag zwischen beiden Kontinenten. Er ließ seinen Architekten freien Lauf bei der Planung und Gestaltung der Häuser - solange sie dabei den Brückenschlag vollzogen. Und für die Architekten war es das Eldorado. Hier konnte man all das ausprobieren, was das erstarrte alte Europa den Franzosen nicht zugestand. Es war das erste Mal, dass sich Architekten ohne Vorgaben und Beschränkungen ausdrücken durften. Es hieß nur: Befreit euch, baut los, Casablanca ist eure Bühne! Und so begründete man hier, Anfang des 20. Jh., neue architektonische Stilrichtungen.
Das europäische Art Deco der Protektoratszeit vermischte man mit der marokkanischen Liebe zur Geometrie und schuf damit etwas gänzlich Neues: Das maurische Art Deco, die Art Déco Mauresque [Maurisch]. Und genau das habe ich gefunden, als ich durch die Nouvelle Ville lief.
Auf den ersten Blick erkennt man die Schönheit der Häuser nicht unbedingt. Man muss schon genauer hinschauen und vor allen Dingen den Kopf in den Nacken legen. Denn die schönsten Dekorationen finden sich meist weit oben. Vor allem in der Avenue Houman el Ftouaki und deren Verlängerung, der Rue Abdelkrim Diouri sowie in den Straßen rechts und links davon liegen prachtvolle Häuser. Wer einen Blick hineinwerfen möchte: In einigen der Jugendstilhäusern sind kleine, sehr einfache Hotels untergebracht. Weite Treppen, gußeiserne, offene Fahrstühle, Innenarchitektur aus den 1920er und 30er Jahren beherrschen die Lobbys. Je tiefer man ins Viertel gelangt, desto mehr taucht man ein in diese ganz besondere Welt.
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Und irgendwann ist Casablanca gar nicht mehr schrecklich. Ich zumindest kann hier, mitten in der Stadt, inmitten der hohen Häuserschluchten plötzlich den Lärm der Autos ausblenden, das Gedränge der Passanten, und das Chaos um mich herum. Ich nehme dann den Smog nicht mehr wahr und bin einfach dort. Gefangen in der alten Pracht und im Charme der weißen Häuser, die leider mehr und mehr verfallen. Allerdings - und das ist ein Lichtblick für Architekturfans! - hat sich vor wenigen Jahren eine Initiative von marokkanischen Architekten und Kunstliebhabern gegründet, die für den Erhalt und die Renovierung dieser alten Häuser kämpft. Mit Erfolg. Viele der Häuser, die man retten konnte, wurden unter Denkmalschutz gestellt - andere werden noch saniert.
Doch leider kann man nicht alle retten. Oder will es nicht. Viele Jahre war hierfür der wichtigste Grund, die Erinnerung an die Franzosen verblassen zu lassen, heute jedoch spielen ganz andere Gründe eine Rolle. Denn die Grundstückspreise in Casablanca sind in die Höhe geschossen und natürlich hat man von einem Hochhaus in zentraler Lage sehr viel mehr als von einer alten Jugendstilvilla. Doch noch sind viele der alten Bauten da - und wer einmal in Casablanca ist, sollte sich ruhig mal die Zeit nehmen, die alte Nouvelle Ville zu erkunden. Und wenn man schon mal da ist: Dann sollte man auch die Wilaya an der Place Mohammed V. und das alte Postamt hier aufsuchen. Denn die Art Déco Mauresque hat hier besonders schöne Blüten getrieben.
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