Zu Besuch in der Kasbah von Hammou Maarir in N'Kob
Einer Einladung von Hammou, seine restaurierte Kasbah zu besichtigen, folgen wir mit Freude. Sein Ur-Ur-Großvater baute die heute fünftälteste Kasbah in N’Kob. Später zog seine Familie, Angehörige des Stammes der Aït Atta, in die Bergregion des Jbel Saghro. Hammou selbst wuchs dort als Nomade auf, zog mit den Tieren umher. In die Kasbah kehrte die Familie meist in den Wintermonaten zurück, wenn es in den Bergen kalt wurde.
Eine Hälfte der vor ca. fünf Jahren vom Denkmalsschutz restaurierten Kasbah gehört heute Hammou und seinem Bruder, die andere Hälfte ist im Besitz seines Onkels.
Gemeinsam betreten wir den Eingangsbereich und werden als erstes auf die ungewöhnliche Deckenkonstruktion aufmerksam gemacht: massive tragende Holzbalken, darüber eine Querlage ca. armdicker Hölzer, diese wieder bedeckt von Steinplatten. Dafür, so erklärt Hammou, gibt es mehrere Gründe: die Steinplatten sorgen dafür, dass bei Brandgefahr nicht alles sofort in Flammen steht, weiterhin, dass von Mäusen angefressenen Vorräte nicht in die untere Etage rieseln und dass im Fall eines Raubüberfalls die Täter ihre Beute nicht durch den Fußboden abseilen können, sondern die Treppe benutzen müssen (und dabei schneller gefasst werden können).
Ein Hauptraum, in dem man sich traf, Versammlungen abhielt oder Gäste bewirtete, befindet sich in der ersten Etage. Die Fensteröffnungen verjüngen sich nach außen, so war Luftzufuhr gewährleistet, Angriffe von außen aber kaum möglich. Wir werden auf mehrere Besonderheiten aufmerksam gemacht: eine Nische zur Teezubereitung ist in der Wand eingelassen. Wir wundern uns darüber, dass sie nicht schwarz vom Feuer ist. Hammou erklärt uns, dass man nur glühende Kohlen zum Tee kochen verwendete. So konnte kein nach außen ziehender Rauch die Anwesenheit der Bewohner verraten. Weiterhin war ein großer Tonkrug als Tresor zur Aufbewahrung von Wertgegenständen in die Wand eingearbeitet. Seine Öffnung schloss bündig mit ihr ab. Schlüssel, Münzen oder auch Schmuck ließen sich sicher darin verbergen, danach wurde die Öffnung sorgfältig mit einem Stein verschlossen. So fiel niemandem das Versteck sofort ins Auge.
Ein Loch in der Außenwand zieht unsere Aufmerksamkeit an. Hier wurden früher Bienenkörbe hineingelegt, die Öffnung von innen sicher verschlossen. Von Zeit zu Zeit "erntete" man ganz bequem den Honig von Innen; dann konnten die Bienen weiterarbeiten.
Fragend deuten wir auf ein in der Ecke lehnendes Kerbholz, das in der Regel als Leiter verwendet wurde. Hammou zeigt auf eine kleine Tür in einer Ecke des Hauptraumes. Drohte plötzlich Gefahr, konnten sich Bewohner über die Kerbleiter schnell in dem auf halber Höhe liegenden Raum verstecken, die Leiter anschließend hochziehen. Sollte dennoch ein Eindringling versuchen, bis in diese Kammer vorzudringen, erhielt er mit einem bereitliegenden Holzknüppel einen schmerzhaften Schlag auf die Hand.
Auch einige dunkle Flecken an der Innenwand - uns waren sie überhaupt nicht aufgefallen - hatten ihren Sinn. Hammou weiß zu berichten, dass es sich um ein besonderes Versteck für Dokumente handelte, die sein Großvater einst schützen wollte. Dafür kratzte er ein kleines Stück vom Lehmputz heraus, verbarg das Dokument darin und "reparierte" diese Stelle mit einem Spezial-Klebstoff: gemahlene und mit Lehm vermischte Datteln. Einleuchtende Erklärung für diese verfärbten Stellen!
In der zweiten Etage erreichen wir Speicherräume, sie sind in drei bis vier Bereiche unterteilt. Hier wurden Vorräte wie Getreide, Mais, Möhren, Datteln, aber auch Honig oder Butter in Tonkrügen gelagert. In diesen mit kleinen Lüftungsschlitzen versehenen Kammern hielten sich die Vorräte sehr lange, so dass die Familie auch nach ihrer Rückkehr aus den Bergen Nahrung zu Hause vorfand. Weiterhin befanden sich auch noch Schlafkammern in dieser Etage.
Zum Schluss steigen wir noch gemeinsam auf das Dach und genießen von dort die fantastische Aussicht über den Ort. Damals war es sicher aber vorrangig, die Umgebung überblicken zu können, um die Ankunft potentieller Feinde rechtzeitig erkennen zu können.
Tief beeindruckt von dieser bis ins kleinste Detail durchdachten Bauweise steigen wir mit Hammou wieder hinab und bedanken uns für die aufschlussreiche Führung.
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