Prof. Popp: Es begann als wissenschaftlicher Ausflug
Wer sich etwas eingehender mit Marokko, der Geschichte, dem Städtebau, etc. beschäftigt, stößt unweigerlich auf den Namen von Prof. Popp. Seit den frühen 80er Jahren forscht und dokumentiert Herbert Popp über Kasbahs, Oasen, Medinas und soziokulturelle Beschaffenheiten Marokkos. Wir besuchen Herrn Prof. Popp in Bayreuth und lassen uns seinen wissenschaftlichen Werdegang erzählen.
Professor Herbert Popp wurde1947 in Bayreuth geboren. Mit seinem Forschungs-Schwerpunkt Nordafrika, insbesondere Marokko, bereicherte er den fächerübergreifenden afrikakundlichen Studien-Schwerpunkt an der Universität Bayreuth. In internationalen und nationalen Forschungsgremien wirkte er unter anderem als DFG-Gutachter und in verschiedenen Funktionen, wie im Verband der Geographen an deutschen Hochschulen oder in der International Geographical Union. Neben zahlreichen Publikationen war er Herausgeber mehrerer wissenschaftlicher Reihen. Derzeit ist Herbert Popp Vorsitzender der Prof. Dr. Frithjof Voss Stiftung – Stiftung für Geographie. |
Als Einstiegsfrage möchten wir von Herbert Popp wissen, wie er überhaupt zu seinem lebenslangen Forschungs-Schwerpunkt Marokko gekommen ist. Verantwortlich gewesen, erinnert er sich, sei sein Mentor Professor Eugen Wirth, der ihn in jungen Studienjahren als Geografiestudent schwer und nachhaltig beeindruckte. "Eugen Wirth kann wohl in der Geographie als einer der bekanntesten Forscher zur islamisch-orientalischen Welt angesehen werden."
Herbert Popp erinnert sich noch gut daran, wie er ihn um Rat zu einem sinnvollen wissenschaftlichen Arbeitsgebiet in der Region des islamischen Orients befragte: "Prof. Wirth legte seine Stirn in Falten, zögerte lange (mir erschien es wie eine halbe Ewigkeit) und fragte dann zurück: Können Sie Französisch? Als ich dies bejahte, meinte er: Dann ist es ganz einfach; gehen sie nach Marokko oder Tunesien; besser vermutlich nach Marokko." Hochmotiviert mietete Herbert Popp daraufhin einen VW-Käfer und reiste in der vorlesungsfreien Zeit für zwei Monate nach Marokko. Er kehrte zurück in dem Wissen, dass in diesem Land spannende Projekte für ihn möglich waren. Er entschied sich dazu, "Auswirkungen und Folgen der modernen staatlichen Bewässerungsprojekte" untersuchen zu wollen.
Nach sechsjähriger Arbeit an diesem Thema schloss er mit der Habilitation ab. Obwohl sie in deutscher Sprache publiziert wurde, veröffentlichte er seine Studie, einer Empfehlung des Soziologen Paul Pascon folgend, trotz des hohen Zeitaufwandes zusätzlich auch in Französisch mit der Begründung: "Ich empfand die Verpflichtung, meine Ergebnisse in Marokko, also in Französisch, bekannt zu machen, sodass im Idealfall diese auch für praktische Zwecke umgesetzt werden konnten."
Es waren intensive Feldforschungen notwendig - dazu zähle Kartierungen, Gespräche mit Betroffenen und Experten, Beobachtungen vor Ort und Archivstudien. So traf Herbert Popp immer mehr Gleichgesinnte, nicht zuletzt auch durch die Suche nach Anschlussprojekten. Durch zahlreiche oft mehrwöchige Aufenthalte in Marokko lernte er nach und nach fast alle Landesteile kennen. Und vor allem die Kontakte mit der marokkanischen Bevölkerung beschreibt er sehr positiv: "Besonders erwähnenswert ist die Freundlichkeit und Öffnung gegenüber dem ´Fremden´ (also mir). Ich habe mich nie in berechnender Weise missbraucht gefühlt. Die Aufrichtigkeit der einheimischen Marokkaner ist beindruckend."
Herbert Popp versuchte nie als Einzelkämpfer aufzutreten, sondern suchte sich stets marokkanische Partner. Abdellatif Bencherifa und er initiierten ab 1989 die interdisziplinären deutsch-marokkanischen Forschungssymposien. Die Tradition der Symposien währte jahrzehntelang, bis 2014, als das bislang letzte, das 10. Symposium, diesmal zum Thema „Kulturerbe und Tourismus in Marokko“, unter Organisation von Andreas Kagermeier und Brahim El Fasskaoui in Meknès stattfand.
Seine Liebe zu den Gebirgsregionen im Süden des Landes kristallisierte sich jedoch erst etwa 20 Jahre nach seinen ersten Forschungen heraus, als er u. a. Mohamed Aït Hamza kennenlernte. "Diesem Kollegen verdanke ich viele Anregungen und Informationen und auch die Begegnung mit abgelegenen bis extrem isolierten Räumen." Herbert Popp beschreibt seinen fachlichen Partner so: "Als Berber aus dem Raum Kelâat Mgouna verfügt er über ein profundes Wissen über die dortige ländliche Gesellschaft. Unser erstes gemeinsames Projekt galt dem Trekking-Tourismus im Zentralen Hohen Atlas. Die wichtigste Forschungsfrage war, ob die einheimische Bevölkerung vom Tourismus profitiert, was zumindest teilweise bejaht werden kann. Wir begannen, über unser wissenschaftliches Anliegen hinaus, mit praktischen Dienstleistungen, indem wir eine Wanderkarte des Hohen Atlas erarbeiteten." Es schloss sich ein nächstes Projekt in der sich weiter südlich gelegenen, nahezu unbekannten Gebirgsregion des Dschebel Saghro an. Tatsächlich gelang es den Wissenschaftlern, durch die Veröffentlichung einer Karte (in Französisch und in Deutsch) diese Region für den Tourismus bekannter zu machen.
Ein wissenschaftlicher Ausflug (zusammen mit Abdelfettah Kassah) nach Südtunesien zu den Getreidespeicherburgen (Ksour, Agadir oder Igoudar) in ihrem bereits völlig verlassenen, aber baulich noch recht gut erhaltenen Zustand mündete bei Herbert Popp in die Idee dass wir uns den Igoudar im westlichen Antiatlas zuwenden wollten, wo noch einige wenige auch tatsächlich in Funktion sind. Ein trilaterales deutsch-tunesisch-marokkanisches Forschungsprojekt, unterstützt von der DGF, wandte sich diesen Getreidespeicherburgen zu.
Eine berufliche Karriere von Mohamed Aït Hamza führte jedoch zu einem Wechsel des marokkanischen Partners, so dass nun Brahim El Fasskaoui mit Herbert Popp zusammen das Projekt betreute, welches in einer 500-seitigen Monografie mündete. Die Wissenschaftler konnten herausarbeiten, dass es sich bei den Getreidespeicherburgen um ein kulturhistorisch ausgesprochen wichtiges Phänomen handelte - sowohl in baulicher als auch in historischer und kultureller Hinsicht. Als Beitrag zum internationalen Schutz der erhaltens- und schützenswerten historischen Kulturlandschaft um die Igoudar forderte Herbert Popp bereits 2011 deren Klassifikation als Stätten eines Weltkulturerbes: "Das, was hier in baulicher, historischer und sozialer Hinsicht anzutreffen ist und das man immer noch kennenlernen und beobachten kann ist auf internationaler Ebene einmalig, es ist „outstanding“, es ist „exzeptionell“ in der Terminologie der UNESCO, die bei der Nominierung von Monumenten des Weltkulturerbes herangezogen wird.
Die Agadire des westlichen Antiatlas verdienen es, als Weltkulturerbe ausgewiesen zu werden! Doch die Vertreterin der UNESCO meinte, das, was ich vorschlage, sei doch wohl eine Nummer zu groß. Man könne ja mit der Beantragung eines nationalen Kulturerbes beginnen."
Umso mehr erfüllt es Herbert Popp nun mit Freude, dass das marokkanische Kulturministerium aktuell eine Aufnahme der Igoudar in die UNESCO Weltkulturerbeliste anstrebt – zehn Jahre nach seinen eigenen vergeblichen Bemühungen!
Es bleibt zu hoffen, dass seine intensive Forschungsarbeit und damit sein Einsatz für Marokko langfristig doch noch zur erwünschten positiven Wendung des Kulturerhalts führt. Ein weiteres Ziel ist es, der Bevölkerung die Augen für ihre großen historische Werte zu öffnen und ihnen die Wege zu ebnen, um wirtschaftlich von einem seriösen Kulturtourismus zu profitieren.
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