Literatur als Weg zur Selbstermächtigung: Schriftstellerinnen und ihre Werke
Im Rahmen der 28. Ausgabe des Salon International de l'Édition et du Livre (SIEL) 2025 wurde eine eindrucksvolle Gesprächsrunde veranstaltet, die marokkanische Autorinnen aus dem In- und Ausland zusammenführte. Organisiert im Pavillon des Rates der im Ausland lebenden marokkanischen Gemeinschaft (CCME), bot die Diskussion einen tiefgehenden Einblick in die transformative Kraft der Literatur.
Im Zentrum stand der Beitrag der Schriftstellerinnen zur Überwindung von Traumata, zur Dekonstruktion von Stereotypen sowie zur Bewahrung und Weitergabe kollektiver und individueller Erfahrungen.
Die Veranstaltung fand im Pavillon des Conseil de la Communauté Marocaine à l’Étranger (CCME) statt. Die Teilnehmerinnen diskutierten über die essenzielle Rolle der Literatur und hoben insbesondere deren befreiendes Potenzial hervor – im Umgang mit persönlichen und kollektiven Traumata sowie im Widerstand gegen identitätsbezogene und rassistische Stereotypen, deren Hauptbetroffene oftmals Frauen sind.
Zu Beginn schilderte Fatiha Saïdi, Psychopädagogin, Politikerin und belgo-marokkanische Romanautorin, ihren Werdegang. Sie erklärte, sie habe begonnen zu schreiben, um „zur Akteurin ihrer eigenen Geschichte zu werden“. Das Schreiben habe ihr geholfen, schwierige Lebensabschnitte besser zu verstehen und sich durch literarische Dekonstruktion von ihren Traumata zu befreien. In ihrem Werk Échos de la mémoire sur les montagnes du Rif verleiht sie den Frauen des Rif eine Stimme und zollt zugleich ihrer Heimatregion Tribut. Durch sechzehn Interviews gelingt es ihr, Vorurteile aufzubrechen und den Blick auf diese Frauen neu zu definieren. Zudem koordinierte sie den Sammelband J’ai deux amours, der mit Beiträgen von zwölf belgo-marokkanischen Autorinnen und Autoren das 60-jährige Bestehen des Arbeitsabkommens zwischen Marokko und Belgien würdigt. Das Werk ist Ausdruck der kulturellen Vielfalt der marokkanischen Diaspora und ihres Bestrebens nach Weitergabe von Wissen und Erfahrungen.
Die Schriftstellerin Samira El Ayachi schilderte ihre früh geweckte Leidenschaft für das Lesen und Schreiben, genährt durch zahlreiche Besuche in der städtischen Bibliothek. Bereits mit 16 Jahren erhielt sie einen Literaturpreis. Sie ist Autorin der Romane La vie rêvée de Mademoiselle S und Le ventre des hommes. Für sie bedeutet Literatur die Entdeckung der Alterität, ein Spielraum, in dem das Ich erstmals Form annehmen kann. Mit großer Disziplin widmet sie sich dem Schreiben, um Antworten auf die Fragen ihrer persönlichen Geschichte und der Komplexität ihrer kulturellen Identität zu finden.
Auch die Lyrikerin und Romanautorin Rim Battal, Verfasserin von Je me regarderai dans les yeux, nahm das Wort. Ihr Anliegen ist es, sensible menschliche Themen in einer klaren und zugänglichen Sprache zu behandeln – insbesondere, um all jenen jungen Frauen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, die Opfer familiärer und gesellschaftlicher Gewalt geworden sind.
Die Journalistin, Essayistin und Romanautorin Nesrine Slaoui berichtete von zentralen Etappen ihres Lebens und sprach offen über die Herausforderungen, die sich aus ihrer sozialen und rassifizierten Identität während des Studiums ergaben. In Werken wie Illégitimes und Notre dignité: Un féminisme pour les Maghrébines en milieux hostiles setzt sie sich für die Emanzipation maghrebinischer Migrantinnen ein. Ihr literarisches Schaffen ist dabei stets von dem Wunsch getragen, komplexe Identitäten zu beleuchten und emanzipatorische Perspektiven zu eröffnen.
Die Gesprächsrunde im Rahmen des SIEL 2025 verdeutlichte eindrucksvoll, welch zentrale Rolle Literatur als Ausdrucksform, als Mittel zur Heilung und als Werkzeug der Weitergabe spielt – insbesondere für marokkanische Frauen sowie Frauen aus der Emigration. Ihre Geschichten bezeugen Mut, Widerstandskraft und die Notwendigkeit, jenseits gesellschaftlicher Zuschreibungen gehört zu werden.