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Die Legende al-Mahdis: Zwischen Glauben und Täuschung

Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als ich in meinem vierten Roman, „al-Mahdi“, die Figur von Muhammad ibn Tumart behandelte. Ich versuchte, den menschlichen Aspekt dieser Persönlichkeit darzustellen, die mich seit jenem fernen Morgen, als ich in meiner Jugend die Geschichte von meinem begeisterten Lehrer hörte, tief beeindruckt hatte. Er erzählte uns, seinen Schülern, die Geschichte auf eine so fesselnde Weise, dass sie sich tief in meinem Gedächtnis und meinem Herzen verankerte.

Auszug aus dem Roman „Afrikanische Nacht“.

Ich war damals noch ein Kind, und die Welt erschien mir nicht real. Für mich war sie nichts weiter als ein Traum, in dem ich umherwanderte, ohne wirklich an ihre Wirklichkeit zu glauben. Alles bestand aus Geschichten - angefangen bei den surrealen Erzählungen meiner Großmutter, deren Gedächtnis mit der Zeit brüchig geworden war, bis hin zu den präzisen, mit tiefgründigen Sprichwörtern geschmückten Geschichten meiner Mutter, deren Bedeutung ich erst Jahre später verstand, als mein Verstand eine Tiefe erreichte, die ihm damals noch fehlte.

Mein Lehrer war ein beeindruckender Mann - ruhig, dunkelhäutig, immer lächelnd. Es bereitete ihm Vergnügen, das Staunen in unseren jungen Gesichtern zu sehen. Er erzählte uns von al-Mahdi und seinem brillanten, einfachen Trick, um die Menschen davon zu überzeugen, dass er tatsächlich der erwartete al-Mahdi sei. Doch viele Menschen zweifelten an seinem Anspruch, also behauptete er, dass er ein Wunder vollbringen könne, um seine Behauptung zu beweisen. Dieses „Wunder“ bestand darin, dass er angeblich mit den Toten sprechen konnte. Er setzte den Menschen einen Termin, an dem er ihnen sein Wunder zeigen wollte, und ging dann zu einigen seiner engsten Vertrauten. Er überhäufte sie mit Geld und versprach ihnen hohe Ämter, sollte sein Plan Erfolg haben. Sie stimmten ihm zu. Jeder von ihnen musste ein eigenes Grab ausheben, und nachdem sie dies getan hatten, legten sie sich in ihre Gräber. al-Mahdi begrub sie lebendig, ließ jedoch kleine Luftlöcher offen, durch die sie atmen konnten, und tarnte diese mit eigens dafür vorbereiteten Schilfrohren. Anschließend versammelte er die Leute, hielt eine feurige Rede und lud sie ein, den Friedhof zu besuchen, um sich von der Wahrheit seiner Behauptung zu überzeugen. Er legte ihnen die Verantwortung auf, dass es ihre Schuld wäre, wenn sie ihn ablehnten oder nicht dazu beitrugen, die Botschaft zu verbreiten, nachdem sie Zeugen dieses Wunders geworden waren.

Während der Lehrer die Geschichte von al-Mahdi erzählte, begannen meine Gedanken, wie leichte Vögel durch den Klassenraum zu schweben. Die zarten Schwingungen dieser Gedanken hinterließen einen angenehmen Hauch, der sanft meine Wangen streifte und meine Seele berührte. Mein Verstand tauchte in eine Welt voller Fantasie ein. Plötzlich sah ich den Lehrer nicht mehr als den Mann, der vor uns stand, sondern als den Mahdi selbst, wie er seine Getreuen lebendig begrub, umgeben von einer Menge, die staunend zwischen Glauben und Zweifel schwankte. Auch ich befand mich unter diesen Menschen, sprachlos vor Erstaunen. Vor meinem inneren Auge wurde der Lehrer zu einem Zauberer, wie jene, die ich oft in den Straßen meines Viertels sah, wo ich viel Zeit verbrachte. Dort hörte ich den Erzählungen eines Geschichtenerzählers zu, bestaunte die Kunststücke eines Gauklers und lauschte gebannt den Geschichten von Dschinn, Meerjungfrauen und dem legendären Helden Sayf ibn Dhi Yazan.

Ich sah den Lehrer als jemanden aus einer längst vergangenen Zeit, deren Details ich mir kaum vorzustellen vermochte. Ich sehnte mich danach, mehr von der Geschichte des al-Mahdi zu hören. Doch dann klingelte es, und der Lehrer unterbrach seine Erzählung. Er versprach uns jedoch, sie in der nächsten Geschichtsstunde fortzusetzen.

Eine ganze Woche lang lebte ich in der Vorstellung dessen, was in der nächsten Unterrichtsstunde geschehen könnte. Ich stellte mir die begrabenen Männer vor, wie sie inzwischen gestorben waren oder wie die Engel Munkar und Nakir [Zwei Todesengel] zu ihnen gekommen waren, um sie für ihre Täuschung zu bestrafen. Dann sah ich sie in meiner Fantasie wieder - bedrückt und traurig, wie sie in völliger Dunkelheit umherirren, während Hunger und Durst sie quälten. Ich dachte über diesen seltsamen Mann nach, der fähig war, so etwas zu tun. Sein Bild vermischte sich in meinem Kopf mit dem des Lehrers, und ich schämte mich, die beiden überhaupt miteinander zu vergleichen. Der Lehrer war freundlich, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass er je etwas Ähnliches tun könnte wie al-Mahdi.

Ich fragte meine Mutter nach der Geschichte, in der Hoffnung, dem vorauszugreifen, was der Lehrer erzählen würde, aber sie verstand nichts davon. In diesem Moment erkannte ich die Grenzen ihrer Vorstellungskraft und ihres Wissens. Seitdem hörte ich auf, ihren Geschichten zuzuhören. Wenn sie die Geschichte des al-Mahdi nicht kannte, dann wusste sie wohl nichts, dachte ich mir. Ihre Erzählungen von der „Ghula“ (einer Dämonengestalt), die sie mir immer wieder in verschiedenen Versionen erzählte, erschienen mir plötzlich belanglos. Sie reichten nicht an das heran, was ich in der Schule gehört hatte. Ihre Geschichten waren voller Fantasie und hatten keinen Bezug zur Wirklichkeit - es waren Märchen, die nur für Kinder geeignet waren, die jünger waren als ich. Die Geschichte des Lehrers hingegen war kraftvoll und überzeugend. Es ging um Menschen aus Fleisch und Blut, Menschen, die uns in allem ähnelten, nur dass sie in einer längst vergangenen Zeit lebten - einer Zeit, die in Büchern und im Gedächtnis des Lehrers bewahrt wurde.

Als die Woche vergangen war und die Geschichtsstunde endlich begann, war ich vollauf bereit, den Rest der Geschichte zu hören. Der Lehrer begann, über das Almohadenreich zu sprechen und darüber, wie sich seine Grenzen über Marokko hinaus erstreckten, östlich bis nach Algerien und Tunesien, südlich bis an die Grenzen von Mauretanien und darüber hinaus, und nördlich bis nach Andalusien - dem heutigen Spanien -, fast bis nach Frankreich. Diese Fakten rührten mich nicht besonders. Ich wollte die Geschichte hören.

Plötzlich öffnete der Lehrer den Schatz seiner Erzählungen und fragte uns, als hätte er unseren erwartungsvollen Blick bemerkt: „Wo waren wir bei der Geschichte des al-Mahdi stehen geblieben?“

Ein Schweigen legte sich über die Klasse, und jeder von uns suchte in seinem Gedächtnis nach Fragmenten der Erzählung. Als der Lehrer sah, dass niemand antwortete, sagte er: „Ihr habt wohl nicht gut zugehört, als ich über al-Mahdi sprach. Deswegen werde ich die Geschichte nicht weitererzählen.“

In diesem Moment regte sich etwas in mir. Die Vorstellung, um den Fortgang der Geschichte gebracht zu werden, die mich die ganze Woche beschäftigt hatte, erschreckte mich. Zögernd hob ich meine Hand. Der Lehrer deutete mir, zu sprechen, und ich sagte: „al-Mahdi wird die Menschen zum Friedhof führen.“

Der Lehrer lächelte zufrieden und antwortete anerkennend: „Gut gemacht, mein Junge.“ Dann fuhr er fort: „al-Mahdi machte sich mit den Menschen im Schlepptau auf den Weg zum Friedhof. Als sie dort ankamen, erneuerte er sein Versprechen und seine Drohung. Er trat an die Gräber, die er kannte, und rief laut: „Ihr Bewohner der Gräber, bezeugt ihr, dass ich der erwartete al-Mahdi bin?“

Die Menschen hörten keine Antwort, doch al-Mahdi schien vor Freude zu strahlen, als wären ihm leise Stimmen zu Ohren gekommen. Er wandte sich an die Menge und sagte: „Kommt näher, damit ihr das Zeugnis der Toten hören könnt.“

Zögernd traten die Menschen näher an die Gräber heran, und leises Murmeln drang an ihre Ohren, doch niemand konnte etwas verstehen. Einer von ihnen wandte sich al-Mahdi zu und sagte: „Wir hören etwas, aber wir verstehen es nicht.“

Da stellte sich al-Mahdi auf eine Anhöhe, sodass er über die Köpfe der Menschen hinwegsehen konnte, und rief laut: „Die Toten bezeugen: Wir bekennen, dass du der erwartete al-Mahdi bist! Wer dir folgt, wird gerettet, und wer von deinem Weg abweicht, wird zugrunde gehen.“

Ein Raunen ging durch die Menge, die verblüfft und von dem, was sie gehört hatte, völlig gefangen war. Als al-Mahdi spürte, wie tief die Worte der vermeintlichen Toten die Menschen beeindruckt hatten, schickte er sie fort. Er behauptete, er müsse allein bleiben, um für die Seelen ihrer Vorfahren al-Fatiha und einige Gebete zu sprechen, damit diese vom Leid befreit würden. Zudem versprach er, für Regen, Segen und gute Nachkommen zu beten. Die Menschen zogen sich zurück, und als der Friedhof schließlich menschenleer war, trat al-Mahdi zu den Gräbern. Behutsam entfernte er die Röhrchen, durch die die Lebendig Begrabenen noch atmen konnten, und überließ sie damit ihrem Schicksal, um sicherzustellen, dass sie das Geheimnis mit ins Grab nahmen. Für al-Mahdi bestand keinerlei Risiko: Er konnte niemandem trauen, der sein Geheimnis preisgeben könnte. Hätte jemand davon erfahren, wäre dies sein sicheres Ende gewesen – und die möglichen Folgen wären für ihn unvorhersehbar geblieben.

Diese fantastische Geschichte, in der sich Realität und Fiktion, List und Intelligenz, Naivität und Schläue vermischen, half mir sehr beim Schreiben meines Romans „al-Mahdi“. Es wurde ein erfolgreicher Roman, der das Zusammenspiel von politischer Täuschung, religiösem Fatalismus und dem unendlichen Ehrgeiz des Menschen, über andere zu herrschen, beleuchtete. Ich konzentrierte mich auf die Figur al-Mahdis und gab ihr Eigenschaften, die den Hoffnungen und Erwartungen der Menschen entsprachen. Am Ende formte ich sie zu einer mächtigen, komplexen Persönlichkeit, die alle Widersprüche in sich vereinte und jedes Mittel nutzte, um ihr größtes Ziel zu erreichen: die absolute Kontrolle über die Zeit.

Über den Autor Mustapha Laghtiri 
Übersetzung aus dem Arabischen
und Überarbeitung durch marokko.com