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Zu Besuch im Museum Farid Belkahia

Auf der Suche nach dem „Musée de la Palmeraie“ kurvten wir durch relativ unattraktive Vororte von Marrakech. Nichts vom quirligen Leben, eher triste Eintönigkeit, die sicher so oder ähnlich in jedem städtischen Randgebiet zu finden sind. Umso größer unsere Enttäuschung, als wir vor dem geschlossenen Museum standen.

 

Doch halt, waren wir da nicht an einem Hinweis auf ein weiteres Museum vorbeigekommen? Diesem Schild folgend landeten wir in einer Sackgasse. Üppige Bäume und ein großes grünes Eingangstor ließen uns neugierig klopfen.

Eingangstor zum Mathaf Farid Belkahia

Lange passierte nichts, doch dann öffnete sich quietschend das grüne Tor und wir tauchten völlig unerwartet in eine andere Welt ein. Ein liebevoll angelegter Garten empfängt den Besucher, Skulpturen stehen zwischen Palmen, in den Bäumen schaukeln kleine Laternen. Lust, die Seele baumeln zu lassen? Ein gläserner Pavillon lädt zum Verweilen bei einem Glas Tee oder Kaffee ein. Erklimmt man einen kleinen Hügel, weitet sich der Blick über Palmen Richtung Atlasgebirge.

Nach einer so unerwarteten Entspannung lockt natürlich das Museum (arabisch: Mathaf). Hell und freundlich empfangen die sparsam eingerichteten Museumsräume. Die Arbeiten des Künstlers Farid Belkahia sind abwechslungsreich, oft überraschend, fordern mehr als nur einen zweiten Blick, fesseln lange. Jedes Werk eine Anregung zur individuellen Interpretation, zu einem Dialog zwischen Moderne und volkstümlicher Tradition.

Zu Besuch im Museum Farid Belkahia, Foto: Arbeitsplatz von Farid BelkahiaUnd dann steht man plötzlich vor einer hüfthohen gefliesten Mauer und blickt direkt auf Farid Belkahias Arbeitsplatz. Fotos an den Wänden zeigen den hochkonzentrierten Künstler bei der Arbeit, auf dem Tisch steht der Kaffeetopf neben Brillenetui, Kinderschuhen, Schachteln, Dosen und zahllosen weiteren Arbeitsutensilien, in den Regalen stapeln sich Tuben, Schachteln, Geräte zur Holz- und Kupferbearbeitung, Farbflaschen stehen in Reih und Glied nebeneinander. Auf dem Schreibtisch im Hintergrund sammeln sich Stapel von Papieren, Notizbücher, Skizzenhefte, ein Telefon. Über dem Stuhl hängt seine Weste – eben ausgezogen.

Aber wo ist der Künstler? Um ihm persönlich bei der Arbeit über die Schulter zu schauen, ist man im Jahr 2022 leider zu spät. Der 1934 in Marrakech geborene Farid Belkahia, Begründer der künstlerischen Moderne in Marokko, starb bereits im Jahr 2014. Ihm zu Ehren hat man sein Atelier so liebevoll in ein Museum umgewandelt, dass man den Künstler jeden Moment von einem Gartenspaziergang zurückerwartet!

Geprägt durch seinen in Künstlerkreisen verkehrenden Vater begann Belkahia bereits im Alter von 15 Jahren Porträts in Öl zu malen. 1954 veranlasste ihn die gewaltsame Verbannung des marokkanischen Königs Mohammed V nach Korsika zu einer Serie trauriger und düsterer Bilder, die seine damalige Stimmung widerspiegelte.

Im folgenden Jahr verließ Belkahia Marrakech, um an der École des Beaux Arts in Paris Malerei zu studieren. Seine in Paris entstandene Leidenschaft für Kinobesuche war treibender Faktor für einen Wechsel an die Theaterakademie in Prag. Dort belegte er Bühnenbildkurse und lernte weitere Künstler kennen. Als Farid Belkahia 1962 das Angebot erhielt, die Leitung des École des Beaux-Arts in Casablanca zu übernehmen, zögerte er keinen Moment und kehrte in sein mittlerweile unabhängig gewordenes Heimatland zurück. Während dieser Zeit veränderte sich sein Stil, indem er sich vom westlichen Malereikanon abwandte, um mit Kupfer, Tierhäuten oder geformten und verzierten Rahmen zu experimentieren. Er griff vermehrt zu Farben natürlichen Ursprungs - z. B. Henna oder Kobalt und schuf eine ganz neue Verknüpfung zwischen Kalligrafie, dem Amazigh-Alphabet und außergewöhnlichen geometrischen Formen.

Der Künstler Farid Belkahia, Foto: marokko-erfahren.de1974 zog er sich vom École des Beaux-Arts zurück, beschäftigte sich seitdem im künstlerischen Bereich mit der Suche nach dem Gedächtnis, durchleuchtete Themen bis an die Grenzen ihrer Bedeutung. In diesem Zusammenhang entstand auch seine „Hommage an Sharif al idrisi oder die Kontinentaldrift“. Sharif al Idrisi entwarf als erster Geograph der Welt im 12. Jahrhundert eine Weltkarte, die von der marokkanischen Küste bis zu den Grenzen Chinas reicht.

Belkahia erklärte seine Beweggründe für die Hommage so: “… ist Sharif al Idrisi Marokkaner, und es ist für mich auch eine Art, einen meiner entfernten Vorfahren zu begrüßen, denn die Geografie so zu denken, wie er es getan hat, ist zwar eine Wissenschaft, aber auch eine Kunst."

Tief beeindruckt verlässt man diesen magischen Ort nur sehr ungern, es dauert geraume Zeit, bis man wieder in der „realen“ Welt ankommt.

Fotogalerie

Lust bekommen, das Museum bzw. Mathaf "Farid Belkahia" selbst zu erleben?

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