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Plädoyer für eine zeitgenössische Tanzdemokratie

Der zeitgenössischer Tänzer Taoufiq Izeddiou erhebt sich gegen den alleinigen Anspruch des „anmutigen Körpers“ auf Tanz. Seine Show (Botero im Orient) ist ein lebendiges Plädoyer für eine zeitgenössische Tanzdemokratie.

Plädoyer für eine zeitgenössische Tanzdemokratie: Taoufiq Izeddiou, Foto: Iris Verhoeyen

Leider stoppte Corona die Aufführungen des marokkanischen Choreografen Taoufiq Izeddiou auf den Bühnen europäischer und marokkanischer Theater. Die vier letzten Aufführungen vor der Quarantäne füllten den Saal des Nationaltheaters in Brüssel. Das belgische Publikum hatte ein letztes Mal vor der Quarantäne das Privileg, die Ästhetik dieses Künstlers zu genießen.

Taoufiq Izeddiou liebt den zeitgenössischen Tanz und nutzt ihn als Möglichkeit für den Dialog zwischen Okzident und Orient.

Sie fragen sich bestimmt, wer oder was Botero ist

Botero ist ein kolumbianischer Maler und Bildhauer, der für seine Zeichnungen fettleibiger Menschen bekannt ist. Seine Zeichnungen und Skulpturen zeichnen sich durch ihre überdimensionalen Proportionen und Leibesfülle der menschlichen Strukturen aus. Fernando Botero zögerte nicht, eine Art Parodie auf eine Reihe von Artefakten zu präsentieren, wie dies bei seinem berühmten Gemälde Mona Lisa der Fall ist.

Fernando Botero parodiert Gemälde und Antiquitäten, Taoufiq Izeddiou dagegen behandelt das Thema anders. Mit seiner neuen Tanzshow nimmt er das Thema Fettleibigkeit ernst. Er präsentiert uns eine Choreografie, die uns das Recht der Übergewichtigen auf Tanz vermitteln will. Er ist von der Freiheit des zeitgenössischen Tanzes überzeugt, die es jedem ermöglicht, unabhängig von Alter, Größe und Fitness zu tanzen.

Der Künstler Taoufiq Izeddiou, der sich ursprünglich für den Boxsport mit all seiner Rauheit, Gewalt und Brutalität interessierte, fand sich bald in Tanz und Choreografie wieder. Nach Jahren des Trainings und der Praxis konnte er sich als Pionier des zeitgenössischen Tanzes in der Maghreb-Region etablieren, insbesondere nachdem er das erste Festival für zeitgenössischen Tanz und den Verband für professionelle choreografische Gruppen in Marokko gegründet hatte, deren Vorsitzender er derzeit ist.

Zusätzlich zu seiner künstlerischen Produktion stellt Taoufiq Izeddiou den zeitgenössischen Tanz als Schwerpunktthema in den Vordergrund. In diesem Zusammenhang lehnt Taoufiq die vorherrschende Meinung ab, dass Tänzer und Choreografen in der arabischen Welt und in Afrika Opfer des westlichen Modells seien. Er verteidigt vielmehr die Notwendigkeit, den Körper im Tanz mit seinem kulturellen Erbe zu verbinden, und sieht dies als den effektivsten Weg, um den Einflüssen der Globalisierung zu begegnen.

Der zeitgenössische Tanz war, wie manche meinen, nie eine Randnotiz des kulturellen Erbes, sondern vielmehr bietet er die Möglichkeit, dieses kulturelle Erbe zu erneuern und für die Welt zu öffnen.

Der tanzende Körper ist Ausdruck des Unterbewusstseins, deshalb ist Taoufiq Izeddiou in seinen künstlerischen Darbietungen daran interessiert, traditionelle marokkanische Musik zu verwenden, wie beispielsweise die "Gnaoua" -Musik.

Neben seiner Überzeugung an die Notwendigkeit in die Folklore des zeitgenössischen Tanzes zu investieren, glaubt Taoufiq Izeddiou, dass der zeitgenössische Tanz weniger einen Raum für Luftsprünge bietet, vielmehr soll er den Charme eines Tanzenden betonen. In diesem Sinne ist die Show "Botero im Orient" zu verstehen, für die er im Übrigen auch zwei beleibte Tänzer engagiert hat.

Der Künstler

Taoufiq Izeddiou lehnt die Vorstellung ab, dass Tänzer bestimmte Eigenschaften zu erfüllen haben (Größe, Geschlecht, usw.). Er glaubt, dass die arabische Kultur die Übergewichtigen von ihren traditionellen Tänzen nie abhalten würde, was durch die Tatsache belegt wird, dass die folkloristischen Tanzgruppen in der gesamten arabischen Welt aus einer Fülle von „Alten“ bestehen, die dem Tanz bis ins hohe Alter treu bleiben.

Tatsächlich ist es der Show "Botero im Orient" gelungen, das arabische und europäische Publikum davon zu überzeugen, dass wahre Anmut die Gnade der Seele ist, und wenn die Seele des Tänzers anmutig ist, wird das Publikum die Aufführungen genießen können.

Das ist die Herausforderung, die diese Show mit sich bringt. So ist es Taoufiq Izeddiou in seiner letzten künstlerischen Arbeit gelungen, sich gegen den alleinigen Anspruch des "anmutigen Körpers" zu wehren. Er legt überzeugend durch die Freiheit des Tanzes das Recht aller dar, insbesondere der Übergewichtigen, ihnen eine „Stimme“ zu verleihen.

Fotogalerie, Fotos: Iris Verhoeyen

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