Zum Hauptinhalt springen

Marock’n’Roll: Hoba Hoba Spirit

Der Journalist und Filmer Kai Horstmeier erzählt von der Entstehung seines Dokumentarfilms über die populäre marokkanische Fusionsband „Hoba Hoba Spirit“. Er begleitete sie auf Ihrer Tour durch Marokko und Frankreich.

 

More than music (Mehr als nur Musik) 

 

Konzert in Essaouira, Foto: Kai Horstmeier

 Einführung von Eberhard Hahne

Hoba Hoba Spirit ist eine musikalische Fusionsband aus Casablanca. Sie wurde 1998 gegründet. Sie besteht aus:

  • Adil Hanine (Schlagzeuger)
  • Abdessamad Bourhim, (Gitarrist)
  • Saâd Bouidi (Bassgitarre)
  • Réda Allali (Sänger und Gitarrist)
  • Mohammed Laâbidi (Percussion)

Der Musikstil ist eine Mischung aus Rock, Reggae und Gnawa. Sie bezeichnen ihre Musik als "Hayha" (Es ist wie eine Treibjagd. Wenn die Treiber Krach schlagen, um die Wildschweine aus dem Wald zu jagen). Die Texte sind überwiegend in marokkanisch-arabisch und/oder Französisch und handeln von Desorientierung und Verwirrung junger Menschen.

Die Band hat sich in den letzten Jahren zu einer der beliebtesten Rock-Acts in Marokko entwickelt und spielt häufig bei den wichtigsten Festivals des Landes, wie das Mawazine Festival in Rabat, das L'Boulevard in Casablanca, das Timitar Festival in Agadir und das Gnaoua and World Musikfestival in Essaouira.

2015, kurz nach 18 Uhr im Sqala in Casablanca, gleich hinter der Medina. Adil, Sonnenbrille, langer Bart, Baseballkappe. Und Hamza. Nur die Baseballkappe fehlt. Seit Jahren habe ich darauf gewartet, eigentlich wollten wir uns schon 2010 treffen, das hat sich aber aus „redaktionsinternen“ Gründen bei meinem damaligen Sender „euronews“ zerschlagen. Wir wollten seinerzeit eine Kurztournee durchs ländliche Marokko drehen, dort, wo die Kultur sich nur selten hin verirrt.

Fünf Jahre und eine Kündigung später sitzen wir nun hier. Schlagzeuger, Ton-Ingenieur und Filmemacher sind sich rasch einig: Im nächsten Monat geht es los, zunächst einmal nach Oujda an die algerische Grenze, am nächsten Morgen dann zurück nach Casablanca. 400 Fans auf dem Platz Jeddah im Stadtzentrum von Oujda, 20.000 beim Festival „L’Boulevard“ in Casablanca: unterwegs mit „Hoba Hoba Spirit“, der wohl bekanntesten und ältesten marokkanischen Punk-Metal-Rock-Reggae-Gnawa - kurz „Hayha“-Band.

Seit 1998 unterwegs

Seit 1998 spielen sie in wechselnden Besetzungen zusammen, seitdem sind sie ständig unterwegs: in Afrika, im Nahen Osten, Europa, in den USA und in Marokko selbstverständlich.

Es war nicht immer leicht. Zu Beginn wusste niemand so recht, was man mit dieser Musik anfangen sollte. War das Rock, Punk, Metal und dann noch ein Schlag Gnawa dazu? „Als Hoba angefangen hat“, erinnert sich Réda Allali, Gitarrist und Sänger der Band, „haben uns die Leute unsere Legitimität abgestritten. Das gab es einfach nicht. Eine marokkanische Gruppe hatte damals ausschließlich nach marokkanischen Codes und mit arabischen Texten zu funktionieren. „Warum spielt ihr diese merkwürdige Musik, haben die Leute uns damals gefragt.“ Das führte bis zu kurzen Gefängnisaufenthalten - wegen „Teufelsanbetung“. „Aber“, so Allali, „das ist vorbei. Diese Schlacht ist gewonnen. Und das ist schon mal etwas wert.“ Die Band handelte sich damals schon den Ruf ein, die „marokkanischen Clash (Erklärung)“ zu sein.

Oujda

September 2015, Rendezvous in Casablanca am Freitag um 10 Uhr morgens. Mit dem Minibus holen sie mich ab, lediglich Hamza Chioua, den Ton-Ingenieur, und Adil Hanine, den Schlagzeuger, habe ich bereits gesehen, die anderen nicht. Aber wir haben zehn Stunden Fahrt bis nach Oujda vor uns, Zeit, sich kennenzulernen. Sie wissen nicht, was ich mit den Bildern anfangen will, die ich hier dummdreist drehe, ich weiß nicht, wohin die Reise führen wird. Machen wir das Beste draus. Oujda, rund 500.000 Einwohner, ist die Heimatstadt von Réda. Das Konzert morgen hat das „Institut Français“ organisiert, wir rechnen mit gut 400 Zuschauern, entspannte Atmosphäre. Beim Soundcheck am Samstag klappern die Boxen ein wenig im Wind, langsam füllt sich der Platz Jeddah im Herzen der Stadt. Das Konzert ist ein Fest, wie immer, wenn „Hoba Hoba Spirit“ zum Tanz aufspielen. Der Rest ist schnell erzählt: Um 19 Uhr ruft der Imam der nahegelegenen Moschee zum Gebet, das Konzert ist vorbei. „Um diplomatische Probleme zu vermeiden“, erklärt mir ein Mitarbeiter des „Institut Français“.

Casablanca

Am nächsten Morgen um 8 Uhr geht es wieder los. Minibus, Autobahn, Mittagessen on the Road - zehn Stunden später kommen wir wieder in Casablanca an, direkt beim Festival „L’Boulevard“. Zeit für ein Nickerchen im Hotel. Erst spielt noch Mehdi Nassouli, der begnadete Jung-Mâalem, der die Goumbri wie ein Alter spielt, und dann kommen auch noch Zebda aus Toulouse. 20.000 Fans werden „Hoba Hoba Spirit“ später im Stadion „Club Olympique de Casablanca“ zum Kochen bringen, als sie das Festival mit einem Riesen-Gig beschließen. „Bienvenue à Casa“, heißt es dann wieder im März 2016. Die „Hobas“ spielen im B-Rock an der Corniche, der Atlantik-Promenade von Casablanca. Es ist das gewohnte Bild: Das Konzert ist ausverkauft, der Saal tobt von Anfang an, am Ende ist keiner mehr trocken hier. Wir treffen uns später noch bei Réda und ziehen Bilanz. „Wir sind von Anfang an eine Bande von Freunden gewesen“, sagt er, „und das ist bis heute so geblieben.“

Essaouira

Link zum Film Hoba Hoba Spirit: Marock’n’Roll - More than Music auf Vimeo  

Das Meer, die Stadt, die Musik. Wiedersehen im Mai 2016 in Essaouira bei der 19. Ausgabe des „Festival Gnaoua et Musique du Monde“. Die Musik-Zeitschrift „Inrocks“ beschreibt das Ereignis so: „Manche Musiker scheinen sich im wahrsten Sinne des Wortes von der leichten Brise, die hier weht, durchdringen zu lassen… Vor allem die irren Rocker von ‚Hoba Hoba Spirit‘, die ein infernales Set hinlegen. Sie reihen Hymnen aneinander, und die Jugendlichen singen jeden Ton im Chor aufgekratzt mit. Wenn eine Gruppe in Marokko Grenzen verschoben, den Spuren der Menschen gefolgt ist und die Wüste bevölkert hat – dann sind es diese Jungs aus Casablanca.“

Tourcoing

Konzert, Foto: Kai HorstmeierKein sanfter, warmer Wind, kein Meer, keine Sonne: Tourcoing bei Lille im Norden Frankreichs im November 2016. Es ist kalt. Was ist das denn nun eigentlich genau, „Hayha-Musik“? Wir sitzen nach dem Set im Backstage-Bereich des „Grand Mix“, ein in der Region bekannter Konzert-Saal. „Hayha? Uff!“, Adil lacht sich schlapp. „Dann erklär mal schön, Réda!“ Réda zeigt sich tapfer: „Hayha ist eine Treibjagd, weißt du? Wenn die Treiber Krach schlagen, um die Wildschweine aus dem Wald zu jagen. Es macht Lärm, es brüllt, verstehst du? Das ist Party machen, aber nicht auf die höfliche, manierliche Tour im Sinne von ‚Wie geht es Ihnen, Madame?‘, nein, du schwitzt und am Ende sagst du zu deinem Kumpel ‚Alter, ich liebe dich!‘. Es ist rural, afrikanisch. Das ist es, was wir auf der Bühne machen wollen. Hayha ist eine Party, aus der Trance entsteht. Du fühlst dich gut dabei. Warum wir es schaffen, eine solche Musik zu machen? Weil wir uns vor Nichts verschließen und alle Türen offenlassen.“ Am Ende unserer Reise haben wir ganz genau verstanden, was „Hayha“ ist.

Mehr über Kai Horstmeier erfahren Sie hier