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Wenn Bouchaib aus El jadida auf "Ute" trifft, ...

Wann immer die Rede von unserer Wirtschaft ist, darf ein Wort nicht fehlen: Fachkräftemangel. Dieser sperrige Begriff begleitet mich schon seit Beginn meines Berufslebens. Mittlerweile, so betonen Experten, sei bald nicht nur unsere Rente, sondern generell unser Wohlstand in Gefahr, sollte es keine Lösungsansätze für das Problem geben. Von 1,5 Millionen einwandernden Menschen war neulich die Rede, die wir jährlich bräuchten.

 

Wenn Bouchaib aus  El jadida auf "Ute" von der AB trifft, Foto: Jon Tyson auf unsplash.comAngesichts dieser Brisanz reisten dieses Jahr einige Minister:innen ins ferne Ausland, um die viel zitierten Fachkräfte anzuwerben.

An sich keine schlechte Idee, doch nur ein Tropfen auf den überhitzten Stein. Machen wir uns nichts vor: Im Vergleich mit Ländern wie Kanada haben wir wenig Argumente, um Top-Leute aus Indien und Co. hierher zu lotsen. Ein Nachteil unter vielen ist die Sprache, ein anderer unsere Bürokratie. Ganz zu schweigen von der hohen Steuerlast und den geplanten Einsparungen wie beim Elterngeld, gegen die viele bereits Sturm laufen.

Das „Onboarding“ hierzulande klappt nicht, wenn der 25-jährige Bouchaib aus El jadida oder Ranjid aus Neu-Delhi auf "Ute" von der Ausländerbehörde in Berlin-Treptow trifft, die bald ihre Rente antritt und die notwendigen interkulturellen Kompetenzen nicht mitbringt. Wer soll ihm helfen, die ganzen Formulare zu lesen, zu verstehen und dann auch noch korrekt auszufüllen? Selbst hier sozialisierte Menschen tun sich damit schwer und fragen sich manchmal zurecht: Ist das noch Deutsch?

Die Schwierigkeiten zeigen, dass ihre Ursache tiefgründig ist. Wir haben hierzulande viele Menschen mit Migrationsbiografie, deren Potenziale wir bei Weitem nicht ausschöpfen. Anstatt eine 40-jährige syrische Erzieherin nach ihrem Schulzeugnis der 10. Klasse zu fragen, bevor wir sie in der Tagespflege beschäftigen, sollten wir gucken, ob es in der Praxis nicht vielleicht doch passt. Nicht alles muss immer seine 1000-prozentige Richtigkeit haben.

Mit gerechter Bildung lässt sich viel erreichen. Die vielen Kinder und Jugendlichen, die nach 2015 zu uns gekommen sind, verdienen eine Perspektive. Wir sollten ihnen mehr vertrauen und weniger an ihnen zweifeln. Auf lange Sicht wird das den Fachkräftemangel zwar nicht komplett beheben, aber entscheidend reduzieren, da bin ich mir sicher. Lasst uns mehr mit und an den Menschen arbeiten, die davon geträumt haben, nach Deutschland zu kommen, anstatt mit Biegen und Brechen Ghanaer oder Brasilianerinnen anzuwerben.

Mehr über den Autor Mohammadi Akhabach finden Sie hier