Erkenntnisse aus der Volkszählung 2024
Zum 1. September 2024 zählte Marokko eine Bevölkerung von 36.828.330 Einwohnern. Das durchschnittliche jährliche Bevölkerungswachstum betrug zwischen 2014 und 2024 nur noch 0,85%, was auf eine deutliche Verlangsamung des demografischen Wachstums hinweist.
Hohe Arbeitslosigkeit, Geschlechterungleichheiten und regionale Disparitäten erfordern strukturelle Reformen, um die wirtschaftliche Entwicklung des Landes gerechter und nachhaltiger zu gestalten.
Die sieben größten Städte des Landes vereinen 37,8% der städtischen Bevölkerung auf sich auf Casablanca mit über 3,23 Millionen Einwohnern, gefolgt von Tanger (1,27 Millionen), Fès (1,18 Millionen) und Marrakesch (1,01 Millionen).
Chakib Benmoussa zeichnete in seinem Bericht ein ambivalentes Bild der sozioökonomischen Lage Marokkos. Einerseits präsentierte er alarmierende Zahlen zu Arbeitslosigkeit und sozialen Ungleichheiten, insbesondere in Bezug auf Geschlechterunterschiede und regionale Disparitäten. Andererseits hob er die Bedeutung des privaten Sektors und der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) als treibende Kräfte der marokkanischen Wirtschaft hervor, trotz fortbestehender regionaler Ungleichheiten und einer unterrepräsentierten weiblichen Führung in Unternehmen.
Arbeitsmarkt: Alarmierende Trends
Die präsentierten Ergebnisse der Volkszählung enthüllen eine besorgniserregende Entwicklung auf dem marokkanischen Arbeitsmarkt. Während im Jahr 2014 noch 47,6% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wirtschaftlich aktiv waren, waren es 2024 nur noch 41,6%.
Dieser Rückgang betrifft sowohl städtische als auch ländliche Gebiete, wobei die Disparitäten zwischen beiden Lebensräumen auffällig sind. In städtischen Regionen liegt der Aktivitätsgrad bei 43,8%, während er in ländlichen Gebieten nur 37,6% erreicht.
Geschlechterungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt
Auch die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind erheblich. Der Aktivitätsgrad der Männer beträgt 67,1%, während nur 16,8% der Frauen wirtschaftlich aktiv sind. Diese Kluft zeigt, dass der marokkanische Arbeitsmarkt weiterhin stark geschlechtsspezifisch geprägt ist.
Anstieg der Arbeitslosigkeit
Parallel dazu ist die Arbeitslosenquote in Marokko drastisch gestiegen: Im Jahr 2024 lag sie bei 21,3%, verglichen mit 16,2% im Jahr 2014. Besonders alarmierend ist die Situation der Frauen, deren Arbeitslosenquote auf 29,6% kletterte.
Auch ländliche Regionen sind stark betroffen: Hier stieg die Arbeitslosenquote von 10,5% im Jahr 2014 auf 21,4% im Jahr 2024. In städtischen Gebieten fiel der Anstieg weniger drastisch aus, von 19,3% auf 21,2%.
Regionale Disparitäten
Sechs Regionen des Landes verzeichnen Arbeitslosenquoten, die über dem nationalen Durchschnitt liegen. Besonders betroffen sind Guelmim-Oued Noun mit 31,5% und die Region Oriental mit 30,4%. Die niedrigste Arbeitslosenquote wurde in Dakhla-Oued Eddahab mit 10,6% registriert.
Die Struktur der marokkanischen Wirtschaft
Der Bericht enthüllte auch wichtige Daten zur wirtschaftlichen Struktur Marokkos. Das Land zählt insgesamt 1.304.564 aktive Betriebe (ohne den Landwirtschaftssektor), von denen 1.130.021 auf Gewinnorientierung ausgerichtet sind. Diese Unternehmen schaffen 3,6 Millionen dauerhafte Arbeitsplätze.
Dominanz des privaten Sektors
Die wirtschaftliche Landkarte Marokkos zeigt eine klare Dominanz des privaten Sektors. 86,6% der Unternehmen sind privatwirtschaftlich organisiert, während öffentliche Betriebe lediglich 11,3% und gemeinnützige Organisationen nur 2,1% ausmachen.
Sektorale Verteilung
Die wirtschaftlichen Aktivitäten sind branchenübergreifend diversifiziert, jedoch ungleich verteilt. Der Dienstleistungssektor nimmt mit 30,8% den größten Anteil der Unternehmen ein und stellt 36% der dauerhaften Arbeitsplätze bereit.
Der Handel, der 52% der Betriebe umfasst, trägt 29,6% zur Gesamtbeschäftigung bei. Die Industrie, obwohl sie nur 13,7% der Unternehmen stellt, schafft 29,8% der Arbeitsplätze und zeigt damit ihre entscheidende Rolle in der Wertschöpfung.
Der Bausektor, der nur 3,5% der Betriebe ausmacht, trägt immerhin 4,6% zur Gesamtbeschäftigung bei.
Regionale Verteilung und Herausforderungen
Auch die geografische Verteilung der Unternehmen zeigt signifikante Unterschiede. Die Region Rabat-Salé-Kénitra beherbergt 13,2% aller Betriebe, gefolgt von den südlichen Regionen wie Dakhla-Oued Eddahab und Laâyoune-Sakia El Hamra.
Diese regionalen Ungleichheiten verdeutlichen die Notwendigkeit einer gerechteren wirtschaftlichen Entwicklungspolitik, um den sozioökonomischen Herausforderungen in verschiedenen Landesteilen gerecht zu werden.
Dominanz kleiner Strukturen
Die marokkanische Wirtschaft besteht überwiegend aus kleinen Unternehmen: 97,3% der Betriebe beschäftigen weniger als zehn Personen und tragen damit 54,2% zur Gesamtbeschäftigung bei.
Zwar fördern diese Kleinstunternehmen die Gründerkultur, sie stellen jedoch auch eine Herausforderung dar, insbesondere bei der Schaffung stabiler und nachhaltiger Arbeitsplätze.
Größere Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten machen lediglich 0,5% der Gesamtzahl aus, stellen jedoch 32,7% der Arbeitsplätze.
Frauenbeteiligung am Arbeitsmarkt
Die Beteiligung von Frauen an der dauerhaften Beschäftigung ist mit 27,7% der Gesamtbelegschaft durchaus signifikant. Sie sind besonders stark im Dienstleistungssektor (36,3%) und in der Industrie (33,3%) vertreten.
Allerdings bleibt die Anwesenheit von Frauen in Führungspositionen gering. Nur 10,1% der Frauen stehen an der Spitze von Unternehmen, die 7,8% der Gesamtbeschäftigung abdecken.
Ihre Präsenz ist dabei im Dienstleistungssektor (14,6%) und in der Industrie (13,5%) besonders ausgeprägt.
Ein Viertel der Bevölkerung spricht Amazigh
Neben den wirtschaftlichen Erkenntnissen hat der Allgemeine Bevölkerungs- und Wohnungszensus 2024 auch die sprachliche Situation in Marokko beleuchtet. Ein Viertel der Bevölkerung (24,8%) spricht Amazigh, wobei der Anteil in ländlichen Gebieten mit 33,3% deutlich höher liegt als in den Städten (19,9%). Allerdings beherrschen lediglich 1,5% der Bevölkerung das Lesen und Schreiben in Amazigh, insbesondere in der Schrift Tifinagh.
Im Vergleich dazu können nahezu alle alphabetisierten Marokkaner über zehn Jahre (99,2%) in Arabisch lesen und schreiben. Die Kenntnisse in Französisch (57,7%) und Englisch (20,5%) weisen ebenfalls deutliche Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Regionen auf.
Marokkanisches Darija bleibt die am weitesten verbreitete Umgangssprache und wird von 91,9% der Bevölkerung gesprochen. Das Hassani, ein Dialekt, der vor allem in den südlichen Provinzen gesprochen wird, nutzen lediglich 0,8% der Bevölkerung.
Über 5 Millionen Marokkaner sind 2024 älter als 60 Jahre
Der Allgemeine Bevölkerungs- und Wohnungszensus (RGPH) 2024 bestätigt einen tiefgreifenden demografischen Wandel in Marokko, der durch eine beschleunigte Alterung der Bevölkerung gekennzeichnet ist. Dieses Phänomen stellt das Land vor erhebliche sozioökonomische Herausforderungen. Im Jahr 2024 betrug der Anteil der Personen ab 60 Jahren 13,8% der Gesamtbevölkerung, was etwa 5 Millionen Menschen entspricht. Dies stellt einen deutlichen Anstieg gegenüber 2014 dar, als diese Altersgruppe 9,4% der Bevölkerung bzw. 3,2 Millionen Menschen umfasste.
Die jährliche Wachstumsrate der älteren Bevölkerung wird auf 4,6% geschätzt und liegt damit deutlich über dem Wachstumstempo der Gesamtbevölkerung, das bei 0,85% liegt. Gleichzeitig geht der Anteil der unter 15-Jährigen weiter zurück - von 28,2% im Jahr 2014 auf 26,5% im Jahr 2024 - was auf einen deutlichen Rückgang der Geburtenrate hindeutet.
Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15-59 Jahre) bleibt zwar die Mehrheit, ihr Anteil ist jedoch ebenfalls rückläufig und sinkt von 62,4% im Jahr 2014 auf 59,7% im Jahr 2024.
Altersverteilung der Senioren:
- 60-69 Jahre: etwa 58,8%
- 70-79 Jahre: 28,3%
- 80 Jahre und älter: 12,9%
Diese umgekehrte Alterspyramide ist ein klares Zeichen für eine demografische Transition, die von einem Rückgang der Geburtenrate begleitet wird. Die durchschnittliche Geburtenrate lag im Jahr 2024 bei 1,97 Kindern pro Frau, verglichen mit 2,2 Kindern im Jahr 2014.
Geschlechterungleichheiten
Der Alterungsprozess betrifft Frauen stärker als Männer, da Frauen eine höhere Lebenserwartung haben. Diese Situation erhöht den Bedarf an angepassten Gesundheits- und Sozialschutzmaßnahmen. Die demografische Entwicklung stellt Marokko vor mehrere Herausforderungen:
Gesundheitssystem
Die alternde Bevölkerung erfordert eine grundlegende Reform der Gesundheitspolitik, um auf die spezifischen Bedürfnisse älterer Menschen einzugehen - insbesondere im Hinblick auf die Versorgung chronischer Krankheiten und die steigende Pflegebedürftigkeit.
Sozialschutz
Der Anstieg der Rentnerzahlen macht es erforderlich, das Sozialsicherungssystem zu überarbeiten, um die Nachhaltigkeit der Rentenzahlungen langfristig sicherzustellen.
Angepasste Infrastrukturen
Der Bedarf an sozialen Einrichtungen, wie Altersheimen und ambulanten Pflegediensten, steigt rapide und wird zu einer dringenden Herausforderung.
Dieser Alterungsprozess, kombiniert mit einer sinkenden Geburtenrate und der steigenden Lebenserwartung, zwingt Marokko dazu, seine öffentlichen Politiken neu auszurichten, um sowohl den Bedarf der älteren Generationen als auch die Zukunftsperspektiven der jungen Generationen besser zu berücksichtigen.
Die Arbeitslosenquote
Nur noch 41,6% der Marokkaner über 15 Jahre gehen einer wirtschaftlichen Tätigkeit nach. 2014 betrug dieser Anteil noch 47,6%. Der Rückgang der Erwerbsbeteiligung betrifft Männer stärker als Frauen: Die Beschäftigungsquote der Männer fiel von 75,5% auf 67,1%, während der Anteil der berufstätigen Frauen von 20,4% auf 16,8% sank.
Auch die geografische Verteilung der Arbeitslosigkeit offenbart gravierende Ungleichheiten. In den städtischen Gebieten stieg die Arbeitslosenquote von 19,3% auf 21,2%, während sie in den ländlichen Regionen von 10,5% auf 21,4% stieg.
Frauen sind weiterhin besonders stark von der Krise auf dem Arbeitsmarkt betroffen: Ihre Arbeitslosenquote liegt 2024 bei 25,9%, während die Quote bei den Männern 20,1% beträgt.
Darüber hinaus zeigt sich eine erhebliche regionale Diskrepanz. In einigen Regionen liegt die Arbeitslosigkeit weit über dem nationalen Durchschnitt. Besonders betroffen sind:
- Guelmim-Oued Noun mit 31,5%,
- die Region Oriental mit 30,4%,
- Béni Mellal-Khénifra mit 26,8%,
- Laâyoune-Sakia Hamra mit 26,6% sowie
- Fès-Meknès mit 23,3%.
Demgegenüber gibt es Regionen mit vergleichsweise niedrigeren Arbeitslosenquoten, wie:
- Dakhla-Oued Ed-Dahab mit 10,6%,
- Casablanca-Settat mit 18,8%,
- Tanger-Tétouan-Al Hoceima mit 19,6%,
- Souss-Massa mit 19,7% und
- Rabat-Salé-Kénitra mit 19,8%.
Diese Zahlen verdeutlichen eine deutliche Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation in Marokko, insbesondere für Frauen und ländliche Regionen.