Architektinnen des Wandels - Frauen gestalten Marokkos Zukunft
Die Rolle der Frau in der marokkanischen Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten tiefgreifend gewandelt. Längst sind es nicht mehr nur Reformen und politische Initiativen, die den Weg für mehr Gleichberechtigung ebnen, sondern vor allem die beeindruckenden Errungenschaften einzelner Frauen, die in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft herausragende Positionen einnehmen. Ihre Vision, ihr unternehmerisches Geschick und ihr Einsatz für nachhaltige Entwicklung haben das Land modernisiert und seine Wettbewerbsfähigkeit gestärkt.
Der 8. März, der Internationale Frauentag, ist nicht nur ein Anlass zur Feier, sondern vor allem ein Aufruf, diese Dynamik weiter voranzutreiben - indem Frauen verstärkt Zugang zu Entscheidungspositionen, Investitionen und innovativen Projekten erhalten, die die Zukunft des Landes mitgestalten werden.
Im Folgenden stellen wir einige der einflussreichsten marokkanischen Frauen vor, die durch ihre Arbeit Maßstäbe setzen und inspirieren:
Latifa Akharbach: Wegbereiterin eines modernen Mediensektors
Seit 2018 leitet Latifa Akharbach die Hohe Behörde für audiovisuelle Kommunikation (HACA) und prägt maßgeblich die Modernisierung der marokkanischen Medienlandschaft. Als ehemalige Journalistin und Diplomatin bekleidete sie bereits mehrere hochrangige Ämter, darunter das des Staatssekretärs für auswärtige Angelegenheiten, in dem sie zur Entwicklung der internationalen Beziehungen Marokkos beitrug.
Heute widmet sie sich der Schaffung eines ausgewogenen audiovisuellen Raums, in dem Vielfalt und Geschlechtergleichstellung in den Medien gefördert werden. Unter ihrer Führung hat die HACA Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformation und Hassrede in den klassischen Medien sowie auf digitalen Plattformen ergriffen. Ihr Wirken trägt entscheidend zur Glaubwürdigkeit des marokkanischen audiovisuellen Sektors bei und rüstet ihn für die Herausforderungen der digitalen Ära.
Im Jahr 2024 nominierte die marokkanische Regierung Latifa Akharbach als Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin der Kommission der Afrikanischen Union (AU). Diese Entscheidung spiegelt den klaren Willen Marokkos wider, seine Präsenz in den panafrikanischen Institutionen, insbesondere im Bereich der Medienregulierung und Kommunikation, zu stärken. Ihre Kandidatur fußt auf ihrer umfassenden Expertise in der Medienpolitik sowie ihrem unermüdlichen Engagement für eine besser strukturierte und inklusivere audiovisuelle Landschaft in Afrika.
Mit diesem Schritt verfolgt Marokko das Ziel, eine führende Rolle in der Entwicklung panafrikanischer Medienrichtlinien zu übernehmen und dabei hohe Standards in Transparenz und journalistischer Ethik zu fördern. Während ihrer Kampagne führte Latifa Akharbach zahlreiche diplomatische Gespräche, um ihre Vision eines modernen afrikanischen Mediensektors zu präsentieren – eines Sektors, der den Herausforderungen des digitalen Zeitalters gewachsen ist und eine effiziente Regulierung von Inhalten gewährleistet.
Ihr Werdegang und ihre Fachkompetenz machen sie zu einer Schlüsselfigur der marokkanischen und afrikanischen Medienlandschaft - einer Persönlichkeit, deren Einfluss weit über die Grenzen des Königreichs hinausreicht.
Leila Benali: Vordenkerin der Energiewende
Eine ebenso richtungsweisende Rolle spielt Leila Benali als Ministerin für den energetischen Wandel. Sie leitet das ehrgeizigste Vorhaben Marokkos im Bereich erneuerbarer Energien: die Entwicklung von grünem Wasserstoff. Mit einem Investitionsvolumen von zehn Milliarden Dollar strebt das Land eine führende Position in dieser zukunftsweisenden Technologie an. Jüngst geschlossene Abkommen mit Deutschland und Japan unterstreichen das wachsende internationale Interesse an Marokkos Energieinfrastruktur. Ziel ist es, bis 2030 eine Jahresproduktion von 500.000 Tonnen grünem Wasserstoff zu erreichen, wobei ein erheblicher Anteil für den Export nach Europa bestimmt ist.
Parallel dazu setzt Benali auf Innovationsförderung im Bereich erneuerbarer Energien. So treibt sie die Erweiterung des Windparks Boujdour voran und stärkt das Solarkraftwerk Noor Ouarzazate, das zu den größten der Welt zählt. Dabei ist ihr bewusst, dass der energetische Wandel mit einer gezielten Qualifizierung lokaler Fachkräfte einhergehen muss. Aus diesem Grund initiierte sie ein Ausbildungsprogramm für Ingenieurwesen im Energiesektor, das insbesondere Frauen ermutigen soll, in diesem strategischen Bereich Fuß zu fassen und technologische Innovationen im Bereich erneuerbarer Energien voranzutreiben.
Miriem Bensalah-Chaqroun: Eine Visionärin der nachhaltigen Wirtschaft
Als erste Frau an der Spitze der Confédération Générale des Entreprises du Maroc (CGEM) hat sich Miriem Bensalah-Chaqroun längst als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der marokkanischen Wirtschaft etabliert – und das nicht erst mit den ihr zuteilgewordenen Ehrungen. Seit mehreren Jahren lenkt sie die Geschicke von Eaux Minérales d'Oulmès, einem führenden Unternehmen der Lebensmittelindustrie. Ihr jüngstes großes Vorhaben, die Einweihung einer Recyclingfabrik in Benslimane, stellt einen bedeutenden Fortschritt auf dem Weg zu einer umweltfreundlicheren Produktion dar. Diese Anlage, konzipiert zur Verarbeitung mehrerer tausend Tonnen Plastik pro Jahr, ist Teil eines umfassenden Programms, das darauf abzielt, bis 2026 sämtliche Produktionseinheiten des Unternehmens auf 100 % erneuerbare Energien umzustellen. Ein kühnes Unterfangen, das eindrucksvoll demonstriert, wie eng Ökologie und wirtschaftliches Wachstum miteinander verknüpft sein können.
Parallel dazu setzt sie ihr Engagement für mehr Diversität in der Unternehmensführung fort. Mit ihrer Initiative „Femmes au Conseil“ ermöglicht sie es zahlreichen marokkanischen Managerinnen, in die Vorstände großer Unternehmen einzutreten und so zur Modernisierung der wirtschaftlichen Entscheidungsprozesse im Land beizutragen.
Nadia Fettah Alaoui: Architektin wirtschaftlicher Reformen
Seit ihrer Ernennung zur Ministerin für Wirtschaft und Finanzen hat sich Nadia Fettah Alaoui als eine effiziente Technokratin erwiesen, die nicht nur die makroökonomischen Gleichgewichte wahrt, sondern zugleich tiefgreifende Reformen vorantreibt. Eine ihrer zentralen Maßnahmen im Jahr 2024 war die Reform der Unternehmensbesteuerung, mit der sie die steuerliche Belastung kleiner und mittlerer Unternehmen verringern will. Durch die Senkung des Körperschaftssteuersatzes von 20% auf 15% für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 50 Millionen Dirham erhofft sie sich eine Belebung des wirtschaftlichen Gefüges und eine Förderung der Investitionen.
Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Politik liegt in der Digitalisierung der Steuerverwaltung. Mit der Einführung der Plattform „e-Finance“ hat sie administrative Abläufe für Tausende von Unternehmen und Bürgern erheblich vereinfacht. Seit ihrer Implementierung wurden bereits über 500.000 Transaktionen online abgewickelt - ein eindrucksvoller Beleg für die positiven Auswirkungen dieser Modernisierung auf das Geschäftsumfeld in Marokko. Doch Fettah Alaouis Engagement für finanzielle Inklusion geht über die Wirtschaft hinaus. Mit dem Programm „Finance pour Elles“ ermöglichte sie bereits 20.000 Unternehmerinnen den Zugang zu zinsvergünstigten Mikrokrediten, wodurch sie ihre Projekte realisieren und ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit stärken können.
Nawal El Moutawakel: Eine Pionierin des Sports und der Führungsrolle der Frauen
El Moutawakel war die erste marokkanische und zugleich erste afrikanische Frau, die bei den Olympischen Spielen eine Goldmedaille errang - ein Triumph, den sie 1984 feierte. Seither hat sie sich zu einer Ikone des Sports und der weiblichen Führungsstärke in Marokko und darüber hinaus entwickelt. Nach ihrer aktiven Karriere übernahm sie mehrere strategische Funktionen im Internationalen Olympischen Komitee (IOC). 1998 wurde sie als Mitglied in das Komitee gewählt, von 2012 bis 2016 war sie dessen Vizepräsidentin.
Im Juli 2024 wurde sie bei der 142. IOC-Session in Paris erneut zur Vizepräsidentin gewählt - gemeinsam mit dem Argentinier Gerardo Werthein. Ihr Mandat begann am 10. August 2024 und tritt die Nachfolge von John Coates und Ser Miang Ng an. Doch ihr Wirken beschränkt sich nicht auf den Sport. Nawal El Moutawakel engagierte sich auch politisch: Von 1997 bis 1998 war sie Staatssekretärin im Ministerium für soziale Angelegenheiten mit Zuständigkeit für Jugend und Sport, von 2007 bis 2009 leitete sie das Ministerium für Jugend und Sport.
Ihr Einfluss reicht weit über den Sport hinaus - sie ist eine leidenschaftliche Verfechterin der weiblichen Führungsrolle und setzt sich unermüdlich für die Förderung junger marokkanischer Athletinnen ein. Sie unterstützt sie darin, Barrieren zu überwinden und in ihren Disziplinen zu brillieren.
Nezha Hayat: Architektin eines modernen Finanzmarktes
An der Spitze der marokkanischen Finanzmarktaufsicht (AMMC) spielt Nezha Hayat eine zentrale Rolle bei der Regulierung und Weiterentwicklung der Kapitalmärkte des Landes. Als erste Frau in dieser Position hat sie eine Reihe tiefgreifender Reformen angestoßen, um die Transparenz der Börsenmärkte zu erhöhen, ausländische Investoren anzuziehen und die finanziellen Instrumente marokkanischer Unternehmen zu modernisieren.
Unter ihrer Aufsicht hat die AMMC strengere Vorschriften für öffentliche Übernahme- und Fusionsangebote eingeführt, um so einen besseren Schutz der Investoren und eine größere Marktstabilität zu gewährleisten. Darüber hinaus setzt sie sich aktiv für kleine und mittelständische Unternehmen ein, indem sie deren Börsengang erleichtert und ihnen den Zugang zu langfristigen Finanzierungsmöglichkeiten eröffnet. Mit ihren Maßnahmen stärkt sie die Wettbewerbsfähigkeit des marokkanischen Finanzsektors auf regionaler Ebene.
Saïda Karim Lamrani: Innovationskraft in Industrie und Energie
Als Vizepräsidentin der Safari-Gruppe, eines der bedeutendsten Industrie-Konglomerate Marokkos, erweist sich Saïda Karim Lamrani als eine Unternehmerin, die unermüdlich die Horizonte ihres Unternehmens erweitert. Im Jahr 2024 gab sie die Investition in einen 100-MW-Windpark in Tarfaya bekannt - ein ambitioniertes Vorhaben, das Hunderttausende Haushalte mit Strom versorgen und gleichzeitig die CO2-Bilanz des Landes erheblich verbessern soll.
Ihr Ehrgeiz geht jedoch über den Energiesektor hinaus: Mit fortgeschrittenen Verhandlungen mit einem asiatischen Automobilhersteller plant sie den Aufbau einer Produktionslinie für Elektrofahrzeuge in Marokko. Dieses Projekt, dessen Umsetzung für 2025 vorgesehen ist, könnte das Land als Schlüsselakteur im aufstrebenden Sektor der Elektromobilität in Afrika positionieren.
Gleichzeitig engagiert sie sich für die Ausbildung junger Menschen sowie für die verstärkte Integration von Frauen in technische Berufe. Ihr Programm „Femmes en Industrie“, das vor zwei Jahren ins Leben gerufen wurde, hat bereits Hunderten von Marokkanerinnen den Zugang zu spezialisierten Schulungen ermöglicht und ihnen den Einstieg in eine Branche erleichtert, die nach wie vor von Männern dominiert wird.
Salwa Idrissi Akhannouch: Eine Visionärin des Handels und der digitalen Entwicklung
Salwa Idrissi Akhannouch zählt zu den prägendsten Persönlichkeiten des Handels- und Digitalsektors in Marokko. Als Gründerin und Präsidentin der Aksal-Gruppe war sie treibende Kraft hinter der Errichtung des Morocco Mall, des größten Einkaufszentrums Afrikas. Unter ihrer Leitung hat Aksal bedeutende Investitionen in den Luxus-Einzelhandel, den Großhandel und den E-Commerce getätigt, indem sie Partnerschaften mit renommierten internationalen Marken wie Galeries Lafayette, Fendi, Gucci und Zara einging.
Im Jahr 2023 rief sie die Aksal Academy ins Leben, ein Ausbildungsprogramm für junge Marokkaner, das sie gezielt auf Berufe im Handel und im digitalen Sektor vorbereitet. Dieses ambitionierte Projekt hat das Ziel, bis 2026 rund 5.000 junge Menschen auszubilden und somit die wachsenden Anforderungen des Arbeitsmarktes in den Bereichen Einzelhandel und E-Commerce zu erfüllen. Ihr Innovationsgeist spiegelt sich zudem in der Entwicklung von Yan&One wider - einer marokkanischen Kosmetikmarke, die sich von internationalen Trends inspirieren lässt und den afrikanischen sowie arabischen Markt erobern soll.
Die weiblichen Architektinnen der marokkanischen Zukunft
Sie alle verkörpern den stetig wachsenden Einfluss von Frauen in den strategischen Schlüsselbereichen Marokkos. Ihre Bedeutung geht über die bloße Frage der Geschlechterparität hinaus: Sie stehen an der Spitze bedeutender Unternehmen, leiten Regierungsreformen und initiieren Projekte von internationaler Tragweite. Damit tragen sie entscheidend dazu bei, Marokko als wettbewerbsfähiges, modernes und inklusives Land zu positionieren.
Die rechtlichen Reformen der letzten Jahre haben den Weg für eine stärkere weibliche Repräsentation geebnet. Doch es ist ihr persönlicher Einsatz, ihre Entschlossenheit und ihre Vision, die es ihnen ermöglicht haben, sich durchzusetzen und ihr Umfeld nachhaltig zu gestalten.
Marokko schreitet voran - und diese Frauen sind seine Säulen.