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Zwischen Spiritualität und Lebensfreude: Die einzigartigen Aschura-Traditionen Marokkos

Während die Sonne lange Schatten über die Gassen der alten Medina wirft, hallt ein vertrauter Klang durch die Straßen: der tiefe, hohle Schlag der Taarija, einer traditionellen Handtrommel. Es ist Aschura, und in marokkanischen Städten wie Salé ist der Rhythmus des Feierns unverkennbar.

Ba Alhadi, Straßenhändler, mit Aschura Spielzeug auf dem lokalen Markt der Medina von Salè, Foto: barlamantoday.com, Othman Zoubeidi

Im Herzen der Alten Medina errichten Straßenhändler farbenprächtige Auslagen mit Kinderspielzeug, Süßigkeiten, Trockenfrüchten und kunstvoll handbemalten Taarija-Trommeln. Trotz der nachmittäglichen Hitze pulsiert der Markt vor Leben: Kinder zerren an den Ärmeln ihrer Eltern und Ladenbesitzer laden Passanten ein, die Instrumente auszuprobieren.

TaarijaDie Taarijas werden nach alten Methoden handgefertigt, wobei jede Trommel aus Ton geformt und mit gespannter Tierhaut bespannt wird. Trotz der aufwendigen Handwerkskunst bleiben sie erschwinglich und weithin zugänglich, oft werden sie für nur wenige Dirham pro Stück verkauft. Ein Händler erklärt: „Ältere Menschen verhandeln nie über den Preis einer Taarija, sie kennen ihren Wert.“ Dies unterstreicht die tiefe kulturelle Wertschätzung und die traditionelle Verwurzelung dieses Instruments in der marokkanischen Gesellschaft.

Die Trommeln sind ein fester Bestandteil der Aschura-Feierlichkeiten. In Marokko ist dieser Feiertag sowohl religiöser als auch tief kultureller Natur. Kinder bilden kleine Umzüge durch die Viertel, schlagen rhythmisch ihre Taarijas und singen dabei traditionelle Lieder. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich spontane musikalische Versammlungen direkt auf dem Markt bilden: Jemand probiert eine Trommel aus, andere stimmen mit ein, und bald klatscht eine kleine Menge begeistert mit. Diese spontanen Zusammenkünfte spiegeln die ausgelassene und gemeinschaftliche Atmosphäre wider, die Aschura prägt.

Überall in der Medina liegt der Duft von gerösteten Mandeln und getrockneten Feigen in der Luft; Nüsse und Trockenfrüchte sind ein fester Bestandteil der Aschura-Feierlichkeiten in ganz Marokko. Diese kulinarischen Traditionen symbolisieren Fülle und Segen und werden oft mit Familie und Freunden geteilt.

Bedeutung von Aschura

Aschura wird am 10. Tag des Muharram, dem ersten Monat des islamischen Kalenders, begangen. Obwohl es ein islamischer Gedenktag ist, hat er in Marokko eine besondere kulturelle Prägung erfahren, die über rein religiöse Riten hinausgeht.

Im Islam gedenkt Aschura verschiedener Ereignisse, darunter die Rettung Moses und seines Volkes vor dem Pharao. Für sunnitische Muslime ist es ein Tag des freiwilligen Fastens und der Dankbarkeit. Für schiitische Muslime hingegen ist es ein Tag der Trauer und des Gedenkens an das Martyrium des Imams Hussein, des Enkels des Propheten Mohammed, in der Schlacht von Kerbela.

In Marokko, das mehrheitlich sunnitisch geprägt ist, stehen die freudigen Aspekte und sozialen Traditionen im Vordergrund. Aschura ist eine zutiefst kulturelle und spirituelle Gelegenheit, die durch Fasten, Wohltätigkeit und eben auch durch fröhliche Traditionen wie Singen und Tanzen begangen wird. Es ist ein Fest, das besonders Kinder anspricht und ihnen Freude bereitet. Das Schenken von Spielzeug und Süßigkeiten sowie das gemeinsame Musizieren mit den Taarijas stärken den familiären und gemeinschaftlichen Zusammenhalt. Der Austausch von Nüssen und Trockenfrüchten ist ein weiteres zentrales Element, das die soziale Interaktion und das Teilen symbolisiert. Aschura dient somit nicht nur als religiöser Gedenktag, sondern auch als wichtiger Anlass zur Bewahrung und Weitergabe marokkanischer Traditionen über Generationen hinweg.