Zumas Kehrtwende: Südafrikas stille Annäherung an Marokko
Die Beziehungen zwischen Marokko und Südafrika galten über Jahre als verhärtet - bestimmt von ideologischer Loyalität gegenüber dem Polisario und tiefem Misstrauen gegenüber Rabat. Umso überraschender kam die Erklärung des früheren südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma bei einem Besuch in Rabat.
Jacob Zuma bekannte sich ausdrücklich zur territorialen Integrität Marokkos und unterstützte den Autonomieplan für die Sahara. Damit vollzog er einen Bruch mit der bisherigen außenpolitischen Linie seines Landes - ein diplomatischer Paukenschlag mit Signalwirkung über den afrikanischen Kontinent hinaus, siehe YouTube-Video Newslive SAsiehe YouTube-Video Newslive SA.
Diese Erklärung fügt sich ein in eine strategische Neuausrichtung der Partei uMkhonto we Sizwe (MK), die unter Zumas Führung aus dem African National Congress (ANC) hervorgegangen ist. Bereits am 9. Juni veröffentlichte die MK ein programmatisches Dokument, in dem Marokko als „natürlicher Partner Südafrikas“ in der neuen afrikanischen Ordnung bezeichnet wurde.
Ein Bruch mit einem ideologischen Bollwerk
Gerade weil Südafrika seit der Präsidentschaft Nelson Mandelas zu den überzeugtesten Unterstützern des Polisario gehört, wiegt dieser Kurswechsel besonders schwer. Das Land zählt bis heute zu einem harten Kern afrikanischer Staaten - neun an der Zahl -, die die selbsternannte „Demokratische Arabische Republik Sahara“ (RASD) anerkennen. Gemeinsam mit Algerien übernahm Südafrika eine Führungsrolle im Aktivismus gegen Marokkos Anspruch auf die Westsahara, jenseits bloßer symbolischer Solidarität.
Die diplomatische Eiszeit begann 2004, als Präsident Thabo Mbeki die Anerkennung der RASD verkündete. Seither reihte sich ein feindseliger Akt an den nächsten: Der Empfang des Polisario-Chefs, wechselseitige Botschafterposten, eine groß angekündigte Solidaritätskonferenz im Jahr 2019 - die jedoch weitgehend unbeachtet blieb. Dabei berief man sich stets auf das moralische Erbe des Anti-Apartheid-Kampfs - obwohl Marokko selbst zu dessen Unterstützern zählte.
Ironischerweise war es unter Zumas eigener Präsidentschaft, dass sich Südafrika besonders scharf gegen Marokko positionierte - sowohl innerhalb der Southern African Development Community (SADC) als auch in der Afrikanischen Union.
Ein erstes Umdenken: Begegnung in Abidjan
Im November 2017 kam es am Rande des 5. Gipfeltreffens der Afrikanischen und Europäischen Union in Abidjan zu einem bemerkenswerten Treffen: König Mohammed VI. und Präsident Jacob Zuma sprachen erstmals direkt über den Saharafall. Laut Jeune Afrique räumte Zuma dabei ein, nicht über alle Aspekte des Konflikts informiert gewesen zu sein. Das Treffen mündete in der Entscheidung, die diplomatischen Beziehungen zu intensivieren - mit dem Versprechen, künftig auf pauschale Gegnerschaft in der Afrikanischen Union oder den Vereinten Nationen zu verzichten.
Die Hoffnungen, die aus diesem Gespräch erwuchsen, zerplatzten bald nach Zumas Rücktritt im Februar 2018, als Cyril Ramaphosa das Präsidentenamt übernahm. Zwar entsandten beide Länder wieder Botschafter - Marokko nach 13 Jahren, Südafrika im Jahr 2021 -, doch echte Bewegung kam nicht zustande. Heute sind beide Posten erneut vakant.
Die persönliche Agenda Dlamini-Zumas
Zumas ehemalige Ehefrau, Nkosazana Dlamini-Zuma, langjährige Ministerin für internationale Beziehungen (1999-2009), wurde 2012 zur Vorsitzenden der Kommission der Afrikanischen Union gewählt. In dieser Funktion setzte sie alles daran, Resolutionen gegen Marokko zu forcieren. Während ihrer gesamten Amtszeit von 2012 bis 2017 machte sie den Saharakonflikt zu einer persönlichen Priorität.
Auch auf der internationalen Bühne blieb Pretoria aktiv: Auf Betreiben Südafrikas wurde die Sahara-Frage im Jahr 2023 erstmals in die Agenda des BRICS-Gipfels aufgenommen. Das Abschlussdokument der 15. BRICS-Konferenz, die „Erklärung von Johannesburg II“, bekräftigte in Punkt 16 die Forderung nach einer „dauerhaften und einvernehmlichen politischen Lösung gemäß den einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats und im Einklang mit dem Mandat der MINURSO-Mission“.
Verhärtete Fronten und erste Risse
Die diplomatische Starre zwischen Rabat und Pretoria zeigte sich zuletzt im Februar 2024, als der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura Pretoria besuchte. Marokko reagierte ungewöhnlich scharf und erklärte einen Dialog mit einer Hauptstadt, die „weder Gewicht noch Einfluss“ auf die Sahara-Frage habe, für nutzlos.
Im Oktober 2024 entließ der ANC schließlich Obed Bapela aus seiner Funktion als Vizepräsident des außenpolitischen Ausschusses - nachdem dieser bei einem Besuch in Marokko für einen Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen geworben hatte. Ein Indiz dafür, dass die Einheitsfront zu bröckeln beginnt.
Zumas Rückkehr - und ein politisches Signal
All dies verleiht Zumas jüngster Stellungnahme besonderes Gewicht. Trotz laufender juristischer Verfahren bleibt der Altpräsident ein politischer Faktor in Südafrika. Seine Partei MK erreichte bei den Parlamentswahlen 2024 rund 14% der Stimmen - ein Achtungserfolg, der dem ANC erheblich schadete.
Schon 2019 hatte das südafrikanische Institute for Security Studies (ISS) konstatiert, dass das Projekt eines unabhängigen Sahara-Staates an Rückhalt verliere, während der marokkanische Autonomieplan zunehmend an Attraktivität gewinne. Zumas aktuelle Äußerung bestätigt diese Einschätzung - nun auf der Bühne der Realpolitik.
Symbolisch markiert seine Kehrtwende die erste sichtbare Rissbildung im monolithischen Konsens des ANC zur Westsahara. Der bisher unerschütterlich scheinende ideologische Schulterschluss mit dem Polisario gerät ins Wanken. Marokko hat es verstanden, sich die inneren politischen Dynamiken Südafrikas zunutze zu machen - und inmitten dieser Veränderungen eine Bresche in die Bastion der Polisario-Unterstützung zu schlagen.
Die Stärke der leisen Diplomatie
Dieses Ereignis verdeutlicht Marokkos Fähigkeit, jenseits traditioneller diplomatischer Wege Einfluss zu nehmen - über politische Parteien, Denkfabriken und Netzwerke. Es zeigt, dass der Schlüssel zur Zukunft der Afrikapolitik auch darin liegt, auf neue, noch ungefestigte politische Kräfte zu setzen.
Der jüngste Erfolg reiht sich ein in eine Strategie aktiver, vorausschauender Diplomatie. In Ermangelung institutioneller Kanäle - die Botschafterposten in Rabat und Pretoria sind unbesetzt - führt der Dialog mit der MK-Partei zu einem Durchbruch, der auf anderem Wege versperrt blieb. Wo offizielle Diplomatie an hartnäckigen Blockaden scheitert, vermag die Parallel-Diplomatie spektakuläre Impulse zu setzen.
Ein möglicher Dominoeffekt in Afrika
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| Ali Achour |
Ob diese Entwicklung kurzfristig die offizielle Position der von der ANC dominierten Regierung ändert, bleibt abzuwarten - zumal der ANC Zumas Äußerung verurteilte. Doch der klare Schulterschluss der MK mit Marokkos Autonomieplan dürfte mittelfristig Auswirkungen zeigen - in der Afrikanischen Union, bei multilateralen Organisationen und in bislang unentschlossenen Staaten.
Ein möglicher Dominoeffekt könnte schließlich nicht weniger bedeuten als das beginnende Ende des ideologischen Monopols des Polisario in Afrika - und seine allmähliche Marginalisierung auf kontinentaler wie internationaler Bühne.
Reden in englischer Sprache.
Im Folgenden die Zusammenfassung des YouTube-Video
Erklärung der MK-Partei, vorgetragen von Jacob Zuma, Südafrikas ehemaliger Präsident und Makasam Ze, dem Leiter der Präsidentschaft und Vorsitzenden des Ausschusses für internationale Beziehungen der Partei. Die Erklärung unterstreicht den Besuch der Partei in Rabat, um die historischen Beziehungen zwischen Südafrika und Marokko zu festigen, die ihren Ursprung im Kampf gegen die Apartheid haben.
Kernaussagen der Erklärung umfassen
Historische Verbindungen:
Der frühere Präsident Nelson Mandela wurde 1962 in Marokko ausgebildet und erhielt finanzielle sowie militärische Unterstützung für Befreiungsbewegungen in Südafrika und auf dem gesamten Kontinent.
Kontinuität der Beziehungen:
Der aktuelle Besuch stellt eine Fortsetzung des Treffens zwischen Präsident Zuma und König Mohammed VI. im Jahr 2017 dar, welches ein neues Kapitel in den bilateralen Beziehungen und den Austausch von Botschaftern einleitete.
Politische Position zur Sahara-Region:
Die MK-Partei hat eine Politik namens „Eine strategische Partnerschaft für afrikanische Einheit, wirtschaftliche Emanzipation und territoriale Integrität“ vorgeschlagen, um die langjährige Problematik der Sahara-Region anzugehen.
Unterstützung des marokkanischen Autonomie-Vorschlags:
Die Partei ist der Überzeugung, dass Marokkos Autonomie-Vorschlag eine substanzielle lokale Selbstverwaltung in der Sahara-Region ermöglicht, während die Souveränität Marokkos gewahrt bleibt und Stabilität, Frieden und Entwicklung gefördert werden. Sie ruft die internationale Gemeinschaft zur Unterstützung dieses Plans auf.
Engagement für afrikanische Einheit:
Die MK-Partei bekennt sich zur Wahrung der Souveränität und Einheit afrikanischer Staaten und stimmt mit Marokkos Bemühungen überein, seine territoriale Integrität zurückzugewinnen.
