Westsahara: Zwischen Diplomatie und Konfrontation
Über Jahre hinweg zeigte Algerien wenig Interesse an einer Konfrontation um die Westsahara. Offizielle Emissäre signalisierten König Hassan II., dass Algier keine Neigung habe, außenpolitische Spannungen zu schüren, und die diplomatische Lösung der Dekolonialisierung des Gebiets unterstütze.
Doch Marokko reagierte scharf: „Wenn Algerien versucht, dieses marokkanische Territorium [die Westsahara] durch ein angebliches Referendum abzuspalten, haben wir das Recht, die Rückkehr aller marokkanischen Gebiete zu fordern, die Algerien weiterhin ohne Referendum besetzt hält.“
Privat klagte König Hassan II. über die oft unbedachten Aktionen des algerischen Präsidenten Houari Boumédiène, die er als „überschwänglich wie die eines Unterpräfekten“ beschrieb. Die Beziehungen zwischen Marokko und Algerien, geprägt von einem unausgewogenen Machtverhältnis, blieben sowohl notwendig als auch konfliktträchtig.
Spaniens geheime Pläne und Marokkos Gegenmaßnahmen
Bereits 1973 plante Spanien im Geheimen, ein Referendum unter der sahrauischen Bevölkerung durchzuführen. Ein Termin war festgelegt, internationale Mächte informiert und Algerien eingeweiht. Marokko reagierte mit einem diplomatischen Gegenzug: Es brachte eine Resolution vor die Vereinten Nationen, die den Internationalen Gerichtshof in Den Haag mit der Angelegenheit befassen sollte. Die Überraschung: Selbst Algerien stimmte der marokkanischen Initiative zu.
Madrid versuchte indes, Algerien dazu zu bewegen, Truppen an die Grenze zur Westsahara zu verlegen - vergeblich. Stattdessen versuchte Spanien, europäische Länder gegen die marokkanischen Pläne zu mobilisieren. Doch König Hassan II. vertraute auf den Lauf der Zeit, fest entschlossen, die territoriale Einheit Marokkos zu verteidigen.
Die Grüne Marschbewegung und der Wendepunkt 1975
Am 6. November 1975, kurz vor der Grünen Marschbewegung, erhob die algerische Regierung ihre Stimme gegen Marokko. Das FLN drohte: „Das marokkanische Regime wird durch eine revolutionäre Avantgarde gestürzt.“ König Hassan II., der am 3. November den Abmarsch des ersten Kontingents der Grünen Marschbewegung aus Marrakesch angeführt hatte, reagierte gelassen, wenn auch mit Ironie: „Es ist das erste Mal, dass eine Monarchie eine Bedrohung für eine Revolution darstellen soll. Wenn Algerien uns morgen den Krieg erklärt, werde ich nicht überrascht sein. Aber womit? Krieg führt man mit einem Volk, nicht nur mit einer Armee.“
Radikale Töne und diplomatische Zerwürfnisse
Nach der Grünen Marschbewegung verschärfte sich der Ton Algeriens drastisch. Präsident Boumédiène erklärte, die Rückkehr der Westsahara zu Marokko sei eine Bedrohung für die algerische Revolution. Hassan II. konterte mit diplomatischer Finesse und forderte sogar einen „Ehrenkodex für Staatsoberhäupter“, um unnötige Eskalationen zu vermeiden.
Die algerische Presse verstärkte die Spannungen mit Anschuldigungen, Marokko plane, weitere algerische Gebiete zu annektieren. Die wachsende diplomatische Feindseligkeit überschattete jegliche Bemühungen um eine friedliche Beilegung des Konflikts.
In Gesprächen mit französischen Beobachtern hob König Hassan II. die Eigenschaften hervor, die einen großen Staatsmann ausmachen: strategisches Denken, Geduld und ein unerschütterliches Zielbewusstsein. Für Hassan II. war klar: Die Verteidigung der marokkanischen Integrität und Würde würde nicht auf dem Schlachtfeld, sondern auf diplomatischem Terrain entschieden werden.
Ein Konflikt, der den Maghreb prägt
Der Streit um die Westsahara markierte eine neue Phase in den Beziehungen zwischen Marokko und Algerien. Während die Spannungen eskalierten, standen diplomatische Bemühungen und militärische Drohgebärden im ständigen Wechselspiel. Die Frage bleibt: Wird die Region je einen Weg finden, Konflikte durch Zusammenarbeit zu überwinden?