Symbole nationaler Souveränität: Marokkanische Flagge und Hymne
Symbole wie die Nationalflagge und die Hymne eines Staates sind weit mehr als dekorative Elemente oder zeremonielle Begleiter. Sie sind Träger einer reichen, teils überraschenden Geschichte und reflektieren zugleich die politischen, kulturellen und ideologischen Entwicklungen eines Landes. So verhält es sich auch mit den Symbolen der marokkanischen Nation, deren historische Tiefe und komplexe Entstehungsgeschichte oftmals im Alltagsgebrauch übersehen werden.
Obwohl Soldaten und Schüler in Marokko täglich die Nationalflagge salutieren und die Nationalfhymne (s.YouTube-Video) singen, sind nur wenige mit den historischen Details dieser Symbole vertraut. Beispielsweise trug die marokkanische Flagge zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen sechsarmigen Stern, bevor sie in ihrer heutigen Form gestaltet wurde. Ebenso wurde die Nationalhymne von einem französischen Offizier komponiert, während die heute bekannten Texte erst im Jahr 1969 hinzugefügt wurden. Diese Geschichten offenbaren viel über den kulturellen Wandel und die nationale Identitätsbildung Marokkos.
Die Entwicklung der marokkanischen Flagge
Die Flagge hat in der Geschichte Marokkos stets eine zentrale Rolle gespielt und dabei zahlreiche Wandlungen durchlaufen. Bereits in frühesten Zeiten führten die Berber verschiedene Flaggen, doch Yusuf ibn Tashfin, der Gründer der Almoraviden-Dynastie, führte erstmals eine offizielle Flagge ein. Sie trug die Inschrift des Glaubensbekenntnisses: „Es gibt keinen Gott außer Allah, und Muhammad ist sein Gesandter.“
Mit der Dynastie der Meriniden kam es zu einer bedeutenden Änderung: Der Flagge wurde ein sechsarmiger Stern hinzugefügt, ein Symbol, das in dieser Epoche als Ausdruck von Macht und kosmischer Ordnung diente. Unter den Alaouiten, der bis heute herrschenden Dynastie, änderte sich die Farbgebung der Flagge mehrfach. Während der französischen Kolonialzeit erhielt die Flagge ihre heutige Gestalt.
Die moderne marokkanische Flagge wurde unter der Leitung des französischen Marschalls Hubert Lyautey gestaltet, der nach Unterzeichnung des Protektoratsvertrags von 1912 zum Generalresidenten Marokkos ernannt wurde. Ein Dekret aus dem Jahr 1915 legte die nationalen Symbole fest und ersetzte den sechsarmigen Stern durch einen fünfzackigen Stern, da der frühere Stern zu jener Zeit als „nicht ehrenhaft“ angesehen wurde. Diese Neugestaltung spiegelte nicht nur koloniale Einflüsse wider, sondern verdeutlichte auch, wie nationale Symbole sowohl politischer als auch kultureller Identifikation dienten.
Die Nationalhymne: Ein Symbol im Wandel
Auch die Geschichte der marokkanischen Nationalhymne ist von einer spannenden Entwicklung geprägt. Ihre musikalische Grundlage wurde ursprünglich von dem französischen Kapitän Léon Moreau, Leiter der Kapelle der Scherifischen Garde, komponiert. Jahrzehntelang existierte diese Melodie ohne begleitende Texte. Nach der Unabhängigkeit Marokkos 1956 gab es mehrere Anläufe, eine Hymne zu schaffen, die die nationale Identität ausdrückt. Diese Bemühungen blieben jedoch zunächst erfolglos, da die symbolische Bedeutung solcher Identitätsmarker noch im Aufbau begriffen war.
Erst im Jahr 1969 erhielt die Hymne ihre heute bekannte Form. Anlässlich der Qualifikation Marokkos für die Fußballweltmeisterschaft wurde ein Dichterwettbewerb ausgeschrieben, aus dem ein Gedicht von Moulay Ali Skalli als Sieger hervorging. König Hassan II. nahm an diesem Gedicht kleinere Änderungen vor, um es an die nationale Vision anzupassen. Seither hat die Hymne, insbesondere bei internationalen Sportereignissen, die Funktion eines kraftvollen Symbols für den nationalen Stolz und die moralische Unbezwingbarkeit übernommen.
Zusammenfassung
Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichten der marokkanischen Flagge und Hymne verdeutlichen die enge Verbindung zwischen nationalen Symbolen, kultureller Identität und historischen Kontexten. Um ihre tiefere Bedeutung zu erfassen, ist es notwendig, sich mit den historischen und kulturellen Hintergründen dieser Symbole auseinanderzusetzen.
Das Verständnis solcher Kontexte trägt nicht nur zur Bewahrung des kulturellen Erbes bei, sondern stärkt auch das nationale Bewusstsein und die Identifikation der Bürger mit ihrer Geschichte. In einer globalisierten Welt, in der Identitäten zunehmend fragmentiert erscheinen, bleiben Symbole wie die Flagge und die Hymne unverzichtbare Bindeglieder zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einer Nation.