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Marokko-USA-Freihandelsabkommen: Vom Zollvorteil zur Handelsbarriere?

Seit Inkrafttreten des Freihandelsabkommens (FHA) zwischen Marokko und den Vereinigten Staaten - unterzeichnet am 15. Juni 2004 und umgesetzt seit dem 1. Januar 2006 - haben sich die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern schrittweise liberalisiert. Allerdings unterliegen marokkanische Importe in die USA nun einem Zollsatz von 10%, wie der US-Präsident Donald Trump verkündete.

 

TangerMed -Weltkarte und Zollbeamter von Vector-Images auf pixabay.com Das Freihandelsabkommen zwischen Marokko und den USA bildet einen umfassenden Rahmen, der den Handel mit Waren und Dienstleistungen, öffentliche Ausschreibungen, Investitionen sowie den Schutz geistigen Eigentums, Umweltstandards und Arbeitsnormen regelt. Ein gemeinsamer Ausschuss überwacht seine Umsetzung und tagt abwechselnd in Rabat und Washington.

Mit dem Inkrafttreten des Abkommens erhielten über 98% der marokkanischen Industrieprodukte (mit Ausnahme von Textilien) unmittelbaren und zollfreien Zugang zum US-Markt. Für die verbleibenden Produkte wurde ein schrittweiser Zollabbau über einen Zeitraum von neun Jahren festgelegt. Im Gegenzug wurden 52% der US-Industrieprodukte sofort auf dem marokkanischen Markt von Zöllen befreit, während die restlichen Waren innerhalb von höchstens neun Jahren liberalisiert wurden.

Für den Textilsektor galt eine symmetrische Regelung mit Listen von Produkten, die ab Inkrafttreten des Abkommens von Zöllen befreit waren, spezifischen Kontingenten sowie einer schrittweisen Zollsenkung über sechs Jahre. Marokko profitierte zudem von einer zeitlich befristeten Ausnahmeregelung hinsichtlich der strengen US-Ursprungsregeln für Textilien. Innerhalb dieses Übergangszeitraums durften bis zu 30 Millionen Quadratmeter Textilprodukte aus Rohstoffen außerhalb der FHA-Zone gefertigt werden. Diese Sonderregelung endete im Dezember 2015.

Fortschreitende Liberalisierung des Agrarsektors

Der Agrarsektor wurde aufgrund seiner besonderen Sensibilität mit größerer Vorsicht behandelt. Bereits ab 2006 erhielten 56% der marokkanischen Agrarprodukte - darunter Fischereierzeugnisse, Zierpflanzen sowie über 80% der Obst- und Gemüsesorten - freien Zugang zum US-Markt. Für die verbleibenden Erzeugnisse erfolgte ein schrittweiser Zollabbau über fünf bis 18 Jahre, wobei für einige besonders sensible Produkte Importquoten bestehen.

Auf amerikanischer Seite wurden 44% der Agrarprodukte sofort zollfrei auf dem marokkanischen Markt zugelassen. Die restlichen Erzeugnisse unterliegen einer gestaffelten Marktöffnung über einen Zeitraum von fünf bis 25 Jahren, abhängig von ihrem Sensibilitätsgrad. Für als strategisch erachtete Produkte wurden Höchstkontingente sowie Übergangsfristen von bis zu 25 Jahren festgelegt.

Ursprungsregeln und sektorale Besonderheiten

Die Inanspruchnahme der Zollvorteile des FHA ist an strenge Ursprungsregeln gebunden. Für industrielle Waren (außer Textilien) ist eine wesentliche Weiterverarbeitung erforderlich, die eine Wertsteigerung von mindestens 35% umfasst. Im Textilsektor gilt das Prinzip der dreifachen Transformation: Die Faser, das Garn und der Stoff müssen marokkanischen oder amerikanischen Ursprungs sein.

Im Dienstleistungsbereich hat Marokko strategische Vorbehalte durchgesetzt, um nationale Monopole (z. B. Office Chérifien des Phosphates, Office National de l’Électricité, ONCF, Häfen, Postwesen) zu erhalten, den Marktzugang in sensiblen Branchen (Bergbau, audiovisueller Sektor, Transportwesen) einzuschränken und marokkanischen Staatsbürgern Vorrang bei bestimmten reglementierten Berufen (Rechtswesen, Buchhaltung, Medizin, Bildung, Tourismus) zu gewähren. Im Gegensatz dazu ist der Zugang zum US-Markt weitgehend liberalisiert, mit Einschränkungen vor allem in den Bereichen Atomenergie, Telekommunikation, Transport und soziale Dienstleistungen.

Die neuen US-Zölle sorgen für Besorgnis

Für Hassan Sentissi, Präsident des marokkanischen Exportverbandes (ASMEX), stellt diese Ankündigung eine „kalte Dusche“ für marokkanische Wirtschaftsakteure dar. Er erinnert daran, dass Marokko und die Vereinigten Staaten seit 2006 durch ein Freihandelsabkommen verbunden sind und dass die Einführung neuer Zölle bestimmte Errungenschaften dieses Abkommens infrage stellt.

Trotz dieses Rückschlags ist Hassan Sentissi der Ansicht, dass Marokko weiterhin Verhandlungsspielraum mit Washington besitzt. Er verweist auf die guten diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern, insbesondere in strategischen Bereichen wie der Rüstungs- und Sicherheitskooperation, die möglicherweise zu einer Lockerung dieser Maßnahmen beitragen könnten.

Daher ruft er zu einer verstärkten Lobbyarbeit auf, um die Interessen der marokkanischen Exporteure zu verteidigen und die Auswirkungen der neuen Zölle abzumildern. „Es ist entscheidend, unsere Anstrengungen zu intensivieren, um diese Zölle zu senken“, betont er.