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Geopolitische Neuausrichtung im westlichen Mittelmeerraum

Die Entscheidung Spaniens, seine Flagge von mehreren umstrittenen Felsinseln vor der marokkanischen Küste zu entfernen, markiert mehr als eine symbolische Geste. Sie steht im Zeichen einer tiefgreifenden diplomatischen Neuausrichtung, deren Wurzeln bis in das 16. Jahrhundert zurückreichen - zu einem historischen Wendepunkt, der bis heute die Machtverhältnisse im westlichen Mittelmeer prägt.

 

Spanische Insel Laila vor der marokkanischen Mittelmeerkueste, Foto Juanlu Gonzalez auf WikimediaIn einem bedeutsamen diplomatischen Schritt hat Spanien kürzlich seine Flagge von mehreren umstrittenen Felsinseln vor der Nordküste Marokkos entfernt - darunter auch von Jezeret Leila. Diese Entscheidung, die mit Spaniens Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Sahara im Jahr 2022 einhergeht, deutet auf eine tiefgreifende Neubewertung historischer Territorialansprüche und eine veränderte Konstellation der Kräfteverhältnisse in der Region hin.

Diese aktuellen Entwicklungen sind jedoch untrennbar mit einem zentralen historischen Ereignis verbunden, das über vier Jahrhunderte zurückliegt: der Schlacht von Wadi al-Makhazin - auch bekannt als die Schlacht von Al Ksar Lekbir („die große Festung“) -, die am 4. August 1578 stattfand. Diese Schlacht veränderte nicht nur den Lauf der marokkanischen Geschichte, sondern setzte auch politische und geopolitische Dynamiken in Gang, die bis heute im Mittelmeerraum nachwirken.

Der Bruch mit dem europäischen Expansionismus

Schlacht von Wadi al Makhazin. Skizze von Georges Jansoone auf Wikimedia

Die Schlacht von Wadi al-Makhazin war ein entscheidendes Gefecht zwischen dem saadischen Sultanat von Marokko und dem portugiesischen Weltreich. König Sebastian I. von Portugal versuchte, seinen Einfluss in Nordafrika auszudehnen, und verbündete sich zu diesem Zweck mit dem zuvor abgesetzten marokkanischen Sultan Muhammad al-Mutawakkil. Mit einer Streitmacht von 20.000 Mann landete Sebastian bei Tanger. Doch die zahlenmäßig deutlich unterlegenen portugiesischen Truppen wurden von der saadischen Armee unter der Führung von Sultan Abd al-Malik I. vernichtend geschlagen. In der Folge fielen König Sebastian und Sultan al-Mutawakkil in der Schlacht, tausende portugiesische Soldaten gerieten in Gefangenschaft.

Die Niederlage hatte weitreichende Folgen: Sie bedeutete das Ende portugiesischer Expansionsbestrebungen in Nordafrika und leitete die sogenannte Iberische Union (1580–1640) ein, unter der Spanien und Portugal unter einer Krone vereint wurden. Damit gingen zahlreiche portugiesische Besitzungen, auch entlang der marokkanischen Küste, in spanischen Besitz über.

Koloniales Erbe und territoriale Spannungen

Mit der Übernahme portugiesischer Gebiete durch Spanien fielen auch mehrere strategisch bedeutsame Küstenstädte und Inseln in Marokko an die spanische Krone. So blieb Sebta (Ceuta), das Portugal bereits 1415 erobert hatte, ab 1580 unter spanischer Verwaltung. Melilla wiederum war bereits 1497 von Spanien besetzt worden und befindet sich seither unter spanischer Kontrolle. Diese beiden Enklaven, ebenso wie diverse vorgelagerte Inseln, sind bis heute Gegenstand diplomatischer Auseinandersetzungen zwischen Marokko und Spanien.

Die jüngste Entfernung der spanischen Flagge von Felsinseln wie Jezeret Leila kann als symbolische Anerkennung marokkanischer Hoheitsansprüche verstanden werden. Auch wenn dies keine formelle Abtretung staatlicher Souveränität bedeutet, zeugt es doch von einem veränderten Umgang Spaniens mit seinem kolonialen Erbe und seiner Partnerschaft mit Marokko.

Symbolische Geste mit geopolitischer Tragweite

Trotz ihrer geringen Größe sind diese Inseln von überproportionaler symbolischer und geopolitischer Bedeutung. Sie stehen für jahrhundertealte koloniale Auseinandersetzungen, deren Ausgang sich auf jenen historischen Wendepunkt der Schlacht von Wadi al-Makhazin zurückführen lässt. Dieses Gefecht beeinflusste nicht nur das Schicksal Marokkos, sondern veränderte auch die Rolle Portugals und Spaniens im westlichen Mittelmeerraum - eine Wirkung, die sich bis heute in den diplomatischen Beziehungen niederschlägt.

Die spanische Entscheidung, die Flagge von den Riff-Inseln zu entfernen, ist eine seltene Geste des Entgegenkommens gegenüber marokkanischen Souveränitätsansprüchen - auf Territorien, die seit dem 15. und 16. Jahrhundert unter portugiesischer oder spanischer Kontrolle standen. Dieser Schritt geht über bloße Symbolik hinaus: Er ist Teil einer breiter angelegten geopolitischen Neuausrichtung zwischen Marokko und Spanien, die sich auch auf Fragen der regionalen Sicherheit, der Migrationspolitik und der diplomatischen Zusammenarbeit erstreckt.