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Deutsch-Marokkanische Gemeinsame Erklärung

Im Folgenden die in einer gemeinsamen Erklärung und nach Gesprächen zwischen dem Minister für auswärtige Angelegenheiten, afrikanische Zusammenarbeit und im Ausland lebende Marokkaner, Nasser Bourita, und der deutschen Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland, Annalena Baerbock, verabschiedeten Schwerpunkte der Zusammenarbeit:

 

Quelle: Auswärtiges Amt, Berlin 

Deutsch-Marokkanische Gemeinsame Erklärung, Annalena Baerbock und Nasser Bourita, Foto: Auswärtiges Amt, Berlin1. Der Minister für auswärtige Angelegenheiten, afrikanische Zusammenarbeit und marokkanische Staatsangehörige im Ausland, Herr Nasser Bourita, begrüßte die Bundesministerin des Auswärtigen der Bundesrepublik Deutschland, Frau Annalena Baerbock, am 25. August 2022 zu einem Arbeitsbesuch in Rabat.

2. Die Ministerin und der Minister führten einen fruchtbaren Austausch und betonten, dass auf beiden Seiten ein erhebliches Interesse an engen freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Marokko besteht. Sie begrüßten die Tatsache, dass die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern in allen Bereichen und mit allen Akteuren wiederaufgenommen worden ist.

3. Die Ministerin und der Minister bekräftigten ihren gemeinsamen Willen, die bilateralen Beziehungen, die seit vielen Jahren zwischen den beiden Ländern bestehen, weiter zu vertiefen, um eine erweiterte, auf die Zukunft ausgerichtete Partnerschaft auf den Weg zu bringen. Dieser gemeinsame Wunsch der Ministerin und des Ministers gründet sich auf ihren Willen, den Dialog und die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen sowie zivilgesellschaftlichen Kontakte zu verstärken, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und gute Regierungsführung zu unterstützen sowie Handel und Investitionen zu fördern und in der Klima- und Biodiversitätspolitik sowie bei Lösungen im Bereich der erneuerbaren Energien zusammenzuarbeiten. In dieser Partnerschaft spielen die Zivilgesellschaft und nichtstaatliche Organisationen, einschließlich der deutschen politischen Stiftungen, eine wichtige Rolle.

4. Die deutsche Ministerin bekräftigte noch einmal die von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an Seine Majestät Mohammed VI., König von Marokko, gerichtete Einladung, im Rahmen eines Staatsbesuchs nach Deutschland zu kommen, um eine erneuerte Partnerschaft zwischen den beiden Ländern zu besiegeln.

5. Deutschland begrüßt die von Marokko unter der Führung Seiner Majestät Mohammed VI., König von Marokko, durchgeführten Reformen zugunsten einer offeneren und dynamischeren marokkanischen Gesellschaft und Wirtschaft, insbesondere mittels des neuen Entwicklungsmodells und verbesserter Regionalisierung.

6. Deutschland bestätigte erneut Marokkos Stellung als wesentlicher Partner der Europäischen Union und als Partner Deutschlands in Nordafrika und in Afrika insgesamt sowie als Bindeglied zwischen Nord und Süd. Es setzt sich für die Stärkung der Strategischen Partnerschaft zwischen Marokko und der EU ein. Marokko bestätigte erneut die Bedeutung der langjährigen privilegierten Partnerschaft mit der EU und betrachtet Deutschland als einen wesentlichen europäischen Partner.

7. Beide Seiten bekräftigten die ausschlaggebende Bedeutung, die der regelbasierten internationalen Ordnung und den fundamentalen Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen als Grundlage für die Regelung der Beziehungen zwischen Staaten zukommt. Sie brachten ihre Verurteilung jedweder Verletzung der fundamentalen Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen sowie der Anwendung von Gewalt zum Ausdruck. In diesem Zusammenhang drückten die Ministerin und der Minister ihre tiefe Besorgnis aus über die Auswirkungen der russischen Invasion der Ukraine im Hinblick auf die Verschärfung der weltweiten Nahrungsmittelkrise, durch die die ohnehin bereits angespannte Lage hinsichtlich der globalen Ernährungssicherheit weiter verschärft wird. Sie erinnerten daran, wie wichtig es ist, die Lieferung von Nahrungsmitteln und Agrarprodukten an die Weltmärkte zu erleichtern und zu fördern.

8. Die Bundesministerin erkennt die wichtige Rolle Marokkos für Frieden und Stabilität in der Region an. Beide Seiten bekräftigten ihre Unterstützung für Frieden, Stabilität und nachhaltige Entwicklung in der Region. Sie unterstrichen ihr besonderes Engagement für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus und die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, der für die Sicherheit und Stabilität der Euro-Mittelmeerregion entscheidend ist.

9. Beide Seiten hoben ihre Bereitschaft hervor, sich für Menschenrechte im Allgemeinen und insbesondere für Frauenrechte und Geschlechtergleichheit zu engagieren und weiterhin gegen alle Formen der Diskriminierung von Frauen und Mädchen und der Gewalt gegen sie vorzugehen.

10. Die Ministerin und der Minister kamen überein, die Möglichkeit zu prüfen, ein Abkommen zwischen Marokko und Deutschland zur Abschaffung der Visumspflicht für Dienstpässe zu schließen.

Politischer Dialog

11. Die Ministerin und der Minister erklärten ihre Bereitschaft, einen strategischen Dialog über bilaterale und internationale Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse einzurichten, insbesondere über den Klimawandel, die Entwicklung des afrikanischen Kontinents, regionalen Frieden und regionale Stabilität, die Stärkung der multilateralen Ordnung, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung, Migrationsmanagement und Gestaltung der Rückkehr  und Rückführung, die Bekämpfung von Terrorismus und Radikalisierung, Förderung der Menschenrechte sowie die Schaffung eines Euro-Mittelmeerraums für gegenseitigen Austausch und gemeinsamen Wohlstand.

12. Die Ministerin und der Minister vereinbarten, auf der Grundlage dieser Zielsetzung einen multidimensionalen strategischen Dialog einzurichten, der alle zwei Jahre abwechselnd im Königreich Marokko und in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden soll. Den Vorsitz bei diesem Dialog werden der jeweilige Außenminister bzw. die jeweilige Außenministerin der beiden Länder innehaben, er könnte aber bei Bedarf auch anderen Ministerinnen und Ministern offenstehen. Der Dialog wird auf der Ebene hoher Beamter vorbereitet werden.

13. Dieser strategische Dialog wird auf gemeinsame Werte und gegenseitigen Respekt sowie das Ziel gegründet sein, die Prinzipien und Grundlagen für die Beziehungen zwischen Marokko und Deutschland festzulegen, die Basis zu definieren, auf der sie weiterentwickelt werden, und die schwerpunktmäßigen Interessen beider Seiten zu wahren. Er wird die Grundlage dafür bilden, im Rahmen der bilateralen Beziehungen voranzuschreiten, und die Kohärenz zwischen den verschiedenen Bereichen der bilateralen Zusammenarbeit stärken.

14. Er wird ferner als Plattform für Diskussionen und Beratungen über strategische Fragen von gegenseitigem Interesse dienen, darunter Fragen der regionalen und internationalen Sicherheit und Entwicklungsangelegenheiten.

15. Im Hinblick auf die Westsahara-Frage unterstrich die Bundesministerin die langjährige Unterstützung Deutschlands für den von den Vereinten Nationen geführten Prozess für eine gerechte, pragmatische, dauerhafte und für alle Seiten annehmbare politische Lösung.
Marokko und Deutschland sind sich über die Unumgänglichkeit der VN im politischen Prozess einig und bekräftigen ihre Unterstützung für die Resolution 2602 des VN-Sicherheitsrats, die auf die Rolle und die Verantwortlichkeiten der Parteien bei der Suche nach einer realistischen, praktikablen, dauerhaften und kompromissbasierten politischen Lösung hinweist.
In diesem Zusammenhang betrachtet Deutschland den im Jahr 2007 vorgestellten Autonomie-Plan als ernsthafte und glaubwürdige Bemühung Marokkos und eine gute Grundlage, um zu einer Einigung beider Seiten zu kommen.
Marokko und Deutschland begrüßen die Ernennung des Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Herrn Staffan de Mistura, und bestätigen erneut ihre aktive Unterstützung für seine Bemühungen darum, den politischen Prozess auf der Grundlage der einschlägigen Resolutionen des VN-Sicherheitsrats voranzubringen. Ferner bekräftigen sie ihre Unterstützung für MINURSO.

16. Marokko und Deutschland bekräftigen die zentrale Bedeutung der historischen privilegierten Partnerschaft zwischen dem Königreich Marokko und der Europäischen Union. Sie stimmen darin überein, dass sie Maßnahmen ergreifen wollen, um die Stabilität und Kontinuität der Strategischen Partnerschaft zwischen Marokko und der EU zu erhalten. Sie bestätigen erneut, dass sie sich dafür einsetzen, auf allen Ebenen zur Stärkung dieser Partnerschaft beizutragen, wobei sie auf den in der Gemeinsamen Erklärung der EU und Marokkos vom Juni 2019 zum Ausdruck gebrachten Erfolgen und Positionen aufbauen wollen; mit dieser Erklärung wurde eine Partnerschaft des gemeinsamen Wohlstands zwischen der EU und Marokko auf den Weg gebracht. Die Ministerin und der Minister hoben hervor, wie wichtig es ist, sich für die Fertigstellung des Addendums der Gemeinsamen Erklärung der EU und Marokkos einzusetzen. Die beiden Partner fordern dazu auf, die Umsetzung der Leuchtturmprojekte zugunsten Marokkos im Rahmen der Neuen Agenda für den Mittelmeerraum und ihres Wirtschafts- und Investitionsplans zu beschleunigen. Sie begrüßen die bevorstehende Verabschiedung des Grünen Plans durch Marokko und die EU, der einen günstigen Rahmen für die Entwicklung einer erweiterten Kooperation zwischen beiden Ländern schaffen wird.

17. Deutschland und Marokko werden in Mittelmeerforen zusammenarbeiten, um nachhaltige Entwicklung, Frieden, Sicherheit und Stabilität in dieser Region zu fördern, insbesondere im Rahmen der Union für den Mittelmeerraum und der Anna-Lindh-Stiftung.

18. In diesem Zusammenhang haben die Ministerin und der Minister den Grundsatz der regionalen Zusammenarbeit entschieden unterstützt und auf die wichtige Rolle hingewiesen, die die Union des Arabischen Maghreb für Frieden, Stabilität und nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung spielen könnte. Die Bundesministerin unterstrich das Potenzial der Bemühungen Seiner Majestät Mohammed VI., König von Marokko, um die Stärkung der Integration der Maghreb-Region auf einer soliden und stabilen Grundlage.

19. Mit Blick auf die Lage im Nahen Osten bekräftigten die Ministerin und der Minister das Engagement ihrer Länder für eine Zwei-Staaten-Lösung mit einem demokratischen, souveränen und lebensfähigen Palästina, das in Frieden und Sicherheit Seite an Seite mit Israel lebt, sowie für den Erhalt des Sonderstatus der Stadt Jerusalem und den besonderen multi-religiösen Charakter dieser heiligen Stadt.

20. Deutschland begrüßt die Wiederaufnahme und stetige Entwicklung der Beziehungen zwischen Marokko und Israel. Beide Seiten unterstrichen das Potenzial der Beziehungen zu Israel im Hinblick auf Frieden, Sicherheit und Wohlstand in der Region.

21. Was Libyen betrifft, bekräftigten die Ministerin und der Minister ihr entschlossenes Engagement für die Souveränität, Unabhängigkeit, territoriale Unversehrtheit und nationale Einheit Libyens. Sie erinnerten daran, dass die Resolution 2570 des VN-Sicherheitsrats die zentrale Rolle der Vereinten Nationen für die Herbeiführung eines alle Seiten einschließenden, politischen Prozesses unter libyscher Führungs- und Eigenverantwortung hervorhebt.
Die Ministerin und der Minister stimmten überein, dass sie den politischen Austausch zwischen den beiden Ländern vertiefen wollen, um die Anstrengungen der VN in Libyen zu unterstützen und Frieden und Stabilität im Sahel-Raum zu fördern.

22. Die Ministerin und der Minister bestätigten erneut die zentrale Bedeutung des Multilateralismus und einer regelbasierten Ordnung als Instrument zugunsten des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit sowie die entscheidende Rolle der Vereinten Nationen, wenn es um globale Herausforderungen geht; ferner bekräftigen sie die Bedeutung eines fortgesetzten dynamischen Dialogs, um die Probleme, vor denen die Welt steht, besser anzugehen. Sie brachten ihre Bereitschaft zum Ausdruck, gemeinsame Initiativen zu multilateralen Fragen von gemeinsamem Interesse im Rahmen der VN und sonstiger internationaler Organisation in Betracht zu ziehen.

23. Die Ministerin und der Minister hoben die Bedeutung interparlamentarischer Kontakte hervor, die eine entscheidende Rolle für die Stärkung der bilateralen Beziehungen spielen. Sie ermunterten die Legislativen beider Länder, ihre Zusammenarbeit zu intensivieren und laden sie ein, ein parlamentarisches Forum zu gründen, was einen bedeutenden Beitrag dazu leisten würde, die beiden Völker näher aneinander heranzuführen, das gegenseitige Vertrauen zu stärken und die Positionen zu Fragen von gemeinsamem Interesse einander anzunähern.

Sicherheitspolitische Zusammenarbeit

24. Die Ministerin und der Minister betonten das gemeinsame Interesse Deutschlands und Marokkos an einer Stärkung der engen bilateralen Zusammenarbeit, um Bedrohungen der nationalen und der internationalen Sicherheit entgegenzuwirken.
Die Ministerin und der Minister betonten die Bedeutung der langjährigen bilateralen Partnerschaft im Sicherheitsbereich. Sie begrüßten die Stärkung dieser Partnerschaft als Instrument, die gemeinsamen Herausforderungen zusammen anzugehen.

25. Was den Cyber-Bereich betrifft, unterstrichen die Ministerin und der Minister das gemeinsame Ziel der beiden Länder, ihren Dialog und ihre Zusammenarbeit auf dem zunehmend wichtigen Gebiet der Cybersicherheit zu vertiefen, sowie ihre Unterstützung für einen freien, offenen, friedlichen und sicheren Cyberraum unter Achtung der Grundsätze des Völkerrechts. Mit Blick auf den Kampf gegen den Terrorismus riefen sie zu verstärkten internationalen Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus und gewalttätigem Extremismus in allen seinen Ausprägungen und Erscheinungsformen auf und bekräftigten ihre Unterstützung für die internationale Antiterror-Architektur, einschließlich einschlägiger Entscheidungen des VN-Sicherheitsrats und der Weltweiten Strategie der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des Terrorismus.

26. Die Ministerin und der Minister brachten ferner ihre tiefe Besorgnis über die beunruhigende Entwicklung der terroristischen Bedrohung in Afrika zum Ausdruck, die durch die Zunahme bewaffneter nichtstaatlicher Akteure, insbesondere im Sahel-Raum, verschlimmert wird, und bekräftigten ihre Unterstützung für die Anstrengungen der Länder in der Region auf diesem Gebiet. In diesem Zusammenhang begrüßten sie die Einrichtung eines Programmbüros für Terrorismusbekämpfung und Ausbildung in Afrika des Büros der Vereinten Nationen für Terrorismusbekämpfung in Rabat.

27. Deutschland begrüßt Marokkos Beitrag zu regionalen und internationalen Bemühungen der Terrorismusbekämpfung, insbesondere durch seinen Ko-Vorsitz im Global Counterterrorism Forum und seinen Ko-Vorsitz in der Africa Task Force der Globalen Koalition zur Niederschlagung von ISIS/Daesch.

28. Marokko begrüßt Deutschlands aktive Teilnahme am Global Counterterrorism Forum durch seinen Ko-Vorsitz in der Arbeitsgruppe für den Aufbau von Kapazitäten in Westafrika sowie am Treffen auf Ministerebene der Globalen Koalition zur Niederschlagung von ISIS/Daesch am 11. Mai 2022 in Marrakesch, bei dem ein großer Teil der Agenda der Lagebeurteilung in Afrika gewidmet war. In diesem Zusammenhang bekräftigten die Ministerin und der Minister ihre Bereitschaft, ihre Zusammenarbeit in diesen verschiedenen Foren fortzusetzen.

29. Die Ministerin und der Minister würdigten die umfassende Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Marokko im Rahmen des Deutschen Biosicherheitsprogramms mit dem Ziel, den Missbrauch und die Verbreitung von biologischen Erregern zu verhindern. Sie betonten ihren entschlossenen Einsatz für die Ziele des Biowaffenübereinkommens.

30. Die Ministerin und der Minister hoben die Notwendigkeit hervor, die aktuelle Migrationslage als eine gemeinsame Herausforderung mit gemeinsamer Verantwortlichkeit zu begreifen. Sie stehen für ihre menschliche Verantwortung und ihre Pflichten ein, wie sie in der Genfer Flüchtlingskonvention niedergelegt sind, und vereinbarten, die Zusammenarbeit zwischen ihren Sicherheitsbehörden im Kampf gegen grenzüberschreitende Kriminalität, einschließlich Menschenhandel, zu intensivieren.

31. Deutschland erkennt Marokkos Anstrengungen bei der Reduzierung irregulärer Migration und seinem Vorsitz im Rahmen des Rabat-Prozesses an. Beide Länder sind übereingekommen, Informationen auszutauschen und sich gegenseitig über bewährte Verfahren zu unterrichten. Marokko begrüßt in diesem Zusammenhang die angebotene technische Unterstützung. Die Ministerin und der Minister vereinbarten, dass sie eine Stärkung der Mechanismen zur Verbesserung der Mobilität von Fachkräften, der legalen Migration, der Rückkehr, Rückübernahme und der Wiedereingliederung prüfen werden.

Klimapolitik

32. Im Bereich Klimawandel bestätigten die Ministerin und der Minister ihren gemeinsamen Willen, sich für ehrgeizige internationale Verpflichtungen im Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels einzusetzen und Maßnahmen zur Abschwächung dieser Folgen anzuregen. Beide sind der Überzeugung, dass die Bemühungen um einen wirtschaftlichen Wiederaufschwung nach der COVID-19-Pandemie mit den im Bereich Klimawandel eingegangenen Verpflichtungen und dem Schutz der Umwelt, einschließlich der biologischen Vielfalt, im Einklang stehen sollten.

33. Deutschland begrüßte die führende Rolle Marokkos bei der Umsetzung von Initiativen, welche die Stärkung der Resilienz des afrikanischen Kontinents gegenüber den Folgen des Klimawandels zum Ziel haben, insbesondere der auf dem ersten Aktionsgipfel geschaffenen regionalen Klimakommissionen sowie der unter deutsch-marokkanischem Vorsitz gegründeten NDC-Partnerschaft, die beide auf der COP 22 ins Leben gerufen wurden.

34. Die Ministerin und der Minister würdigten die langjährige Zusammenarbeit zwischen Marokko und Deutschland, insbesondere in den Bereichen nachhaltige Entwicklung, nachhaltige Land- und Forstwirtschaft, biologische Vielfalt, Klimaschutz, erneuerbare Energien, Wasser und Ernährungssicherheit. Sie bekräftigten ihr gemeinsames Interesse, diese Zusammenarbeit weiterzuverfolgen und zu intensivieren, um die Bandbreite dieser Zusammenarbeit auszuweiten und das Erreichte zu festigen.

Entwicklungszusammenarbeit

35. Die Ministerin und der Minister begrüßten den Erfolg der langjährigen und gut strukturierten Entwicklungszusammenarbeit zwischen Marokko und Deutschland. Sie ist auf die zwei Kernbereiche nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Ausbildung und Beschäftigung sowie Klima und Energie, sozial gerechte Energiewende, einschließlich erneuerbarer Energien und Wasserbewirtschaftung ausgerichtet. Im Rahmen der jährlichen Regierungsverhandlungen über Entwicklungszusammenarbeit wird die Richtung der weiteren Entwicklung der Zusammenarbeit bestimmt und werden diesbezügliche Vereinbarungen geschlossen.

36. Beide Parteien sind übereingekommen, durch die Schaffung eines förderlichen Umfelds, einschließlich entsprechender Verwaltungsverfahren, im Einklang mit den in beiden Ländern festgelegten Vorschriften einen Beitrag zu einer erfolgreichen Entwicklung zu leisten. Deutschland unterstrich, wie wichtig ein verlässliches Engagement der Partner ist, um das gemeinsam vereinbarte Entwicklungsportfolio erfolgreich umsetzen zu können.

37. Marokko ist Mitglied der G20-Initiative „Compact with Africa“, die zum Ziel hat, die Rahmenbedingungen für private Investitionen zu verbessern. Zu diesem Zweck sind Deutschland und Marokko Ende November 2019 eine Partnerschaft zur Förderung von Reformen eingegangen. Marokko begrüßte die umfangreiche finanzielle, wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit, die dank dieser Reformpartnerschaft ein hohes Qualitätsniveau erreicht hat.

38. Marokko würdigte die beträchtlichen Anstrengungen Deutschlands, rasch und umfassend auf seinen dringenden Bedarf sowie seinen Aufruf zur Unterstützung während der ersten Phase der COVID-19-Pandemie 2020 mit der Gewährung eines Hilfsprogramms zu reagieren.

39. Marokko und Deutschland unterzeichneten 2020 eine gemeinsame Absichtserklärung zur Entwicklung und Förderung grüner Wasserstofftechnologie sowie des „Power-to-X“-Sektors und bemühen sich aktiv um die Umsetzung wichtiger Pilotprojekte in diesem Zusammenhang. Die beiden Länder beabsichtigen, diese Zusammenarbeit im Rahmen der Marokkanisch-Deutschen Energiepartnerschaft (PAREMA) fortzusetzen und zu vertiefen.

40. Um der deutsch-marokkanischen Zusammenarbeit eine neue Dynamik zu verleihen, kamen die Ministerin und der Minister überein, dass die Schwerpunkte der künftigen Kooperation in gegenseitigem Einvernehmen bestimmt werden und auf folgenden Bereichen aufbauen könnten:

  • Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Ausbildung und Beschäftigung: 

    • Förderung einer nachhaltigen, inklusiven Wirtschaftsentwicklung

    • Förderung menschenwürdiger Arbeit, auch durch Unterstützung der fachlichen und beruflichen Ausbildung

    • Förderung eines grünen Wiederaufbaus nach der Corona-Pandemie 

  • Klima und Energie, sozial gerechte Energiewende: 

    • Bekämpfung des Klimawandels sowie Förderung der Anpassung daran, auch im Wassersektor 

    • Zusammenarbeit in den Bereichen Energieeffizienz, Entwicklung erneuerbarer Energien, nachhaltige Land- und Forstwirtschaft sowie biologische Vielfalt 

    • Entwicklung und Förderung eines grünen Wasserstoff- und Power-to-X-Sektors einschließlich der Perspektive, in Zukunft die Entwicklung von Exportmöglichkeiten zu unterstützen 

  • Förderung der sich durch technischen Fortschritt und Digitalisierung ergebenden Möglichkeiten, was Marokkos Anstrengungen zum Aufbau einer ökologischen Wirtschaft und zur durchgängigen Berücksichtigung der Dekarbonisierung unterstreicht

  • Förderung der Teilhabe und Einbeziehung von Frauen und Jugendlichen 

  • Unterstützung von Aspekten der Migration einschließlich der Förderung regulärer Migration als Mittel zur Entwicklung 

  • Förderung von Maßnahmen von gemeinsamem Interesse im Rahmen der Dreieckskooperation

Wirtschaftliche Zusammenarbeit

41. Die Ministerin und der Minister betonten, dass der wirtschaftliche Wiederaufschwung nach zwei Jahren Pandemie in einem Umfeld besonderer internationaler Spannungen eine Herausforderung darstellt. Gleichzeitig riefen sie Wirtschaftsakteure auf, die neuen Gelegenheiten zu ergreifen, die der europäische und der afrikanische Markt bieten.

42. Beide Länder bekräftigten ihren Wunsch, die bilateralen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu stärken und auszuweiten, was einen echten Transfer von Know-how und Technologie ermöglichen wird.

43. Die Ministerin und der Minister äußerten beide Interesse daran, dass die Gemischte Wirtschaftskommission so bald wie möglich einberufen wird. Beide Seiten werden ihre jeweiligen Unternehmen und Wirtschaftsverbände darüber informieren und sie dazu ermutigen, sich auch künftig zu engagieren und weiter zu investieren.

44. Beide Länder begrüßten die in den letzten zehn Jahren erzielten Ergebnisse der Marokkanisch-Deutschen Energiepartnerschaft PAREMA, durch die in den Bereichen Energieeffizienz, erneuerbare Energien und grüner Wasserstoff eine Plattform für fruchtbare Zusammenarbeit geschaffen wurde. Beide Seiten sehen dem 10. Jubiläum der PAREMA in diesem Jahr erwartungsvoll entgegen und kamen überein, den bevorstehenden Energietag gemeinsam auszurichten.

45. Beide Seiten begrüßten ferner den Abschluss der Verhandlungen über den Fahrplan für nachhaltigen Stromhandel (Sustainable Electricity Trade – SET) und streben eine zeitnahe Unterzeichnung mit den anderen europäischen Unterzeichnerstaaten an.

46. Neben der bilateralen Zusammenarbeit unterstützen beide Seiten auch den MENA Europe Energy Gateway sowie die Ansätze des MENA Europe Energy Dialogue und sehen einer stärkeren Erweiterung der Infrastruktur zwischen der MENA-Region und der EU sowohl mit Blick auf die Stromnetze als auch hinsichtlich der Wasserstoff-Infrastruktur erwartungsvoll entgegen.

47. Beide Seiten vereinbarten, weitere bilaterale Energieprojekte zu fördern, und begrüßten die geplante Absprache im Rahmen des Programms H2 UPP sowie weitere Instrumente zur gemeinsamen Wasserstoffförderung von Unternehmen und Regierungen (B2G).

48. Sie unterstrichen ihr Bestreben, ihre Wirtschafts- und Handelsbeziehungen weiterzuentwickeln, indem deutsche Unternehmen dazu ermutigt werden, auf der Grundlage des neuen marokkanischen Investitionsgesetzes neue Investitionsmöglichkeiten in Marokko zu prüfen, die sich insbesondere durch seine Öffnung gegenüber anderen Schwellenländern und die Schaffung sicherer und stabiler Investitionsbedingungen ergeben haben. Umgekehrt werden marokkanische Unternehmen dazu ermutigt, in Deutschland zu investieren. Die Ministerin und der Minister würdigten den wichtigen Beitrag der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Marokko für die Förderung von Handel und Investitionen.

49. Deutschland ist der Ansicht, dass Marokko, das dank seiner dynamischen Entwicklung zu einem wichtigen Investitionsstandort für deutsche Firmen in Afrika geworden ist, ein wichtiger Partner für eine Dreieckskooperation zwischen Unternehmen in Marokko, Deutschland und Afrika sein kann.

50. Die Ministerin und der Minister regen zu interregionaler und interkommunaler Kooperation zwischen den beiden Ländern an, die als wesentlich erachtet wird, um die Zusammenarbeit weiter zu stärken und den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Marokko und Deutschland neuen Schwung zu verleihen. 

Kultur, Bildung und Forschung

51. Die Ministerin und der Minister betonten, wie wichtig die bilaterale Zusammenarbeit im Kultur- und Wissenschaftsbereich für die Förderung der Entwicklung von Mensch und Wirtschaft sowie für die Stärkung des Austauschs auf zwischenstaatlicher und zivilgesellschaftlicher Ebene ist.

52. Marokko und Deutschland bekräftigten ihr Bekenntnis, die wachsende Begeisterung marokkanischer Jugendlicher für eine Ausbildung in Deutschland und die deutsche Sprache sowie ihr zunehmendes Interesse daran zu nutzen. Die Ministerin und der Minister kamen überein, gemeinsame Maßnahmen voranzubringen, die junge Menschen aus beiden Ländern enger vernetzen und ihr jeweiliges Wissen übereinander fördern sollen. Beide Seiten waren sich einig, dass sie zur Schaffung eines breiteren Zugangs zu einer Vielfalt von Sprachen, die eine wissenschaftlichere und professionellere Ausbildung ermöglichen, prüfen, wie die deutsche Sprache an marokkanischen Schulen eingeführt und im dortigen Schulsystem gefördert werden kann und wie die arabische Sprache und die marokkanische Kultur in Deutschland gefördert werden können.

53. Marokko brachte seinen Wunsch zum Ausdruck, Deutschland möge seine Verfahren vereinfachen, um marokkanischen Studierenden während ihres Studiums in Deutschland Reise und Aufenthalt zu erleichtern, und die Möglichkeit prüfen, die Anzahl an Stipendien für marokkanische Studierende an deutschen Universitäten zu erhöhen.

54. Marokko und Deutschland werden zusammen daran arbeiten, die Möglichkeiten für die berufliche Bildung einschließlich des Austauschs von Fachwissen und der Schulung von Ausbilderinnen und Ausbildern sowie die Zusammenarbeit bei Forschung und länderübergreifender Bildung zum gegenseitigen Nutzen beider Länder auszuweiten.

55. Die Ministerin und der Minister ermutigen die an der beruflichen Bildung Beteiligten, insbesondere im Privatsektor, dazu, neue Formen der Zusammenarbeit zu prüfen, einander über bewährte Verfahren zu informieren und ihre Erfahrungen im Bereich der Lehrplanentwicklung und Ausbildung auszutauschen.

56. Die Ministerin und der Minister verliehen ihrer Zufriedenheit mit Umfang und Qualität der Zusammenarbeit im Bereich der Hochschulbildung und wissenschaftlichen Forschung Ausdruck und riefen dazu auf, diese weiter zu stärken, insbesondere auf den Gebieten Innovation, nachhaltige Entwicklung und Energieeffizienz.

57. Die Ministerin und der Minister kamen überein, nach Möglichkeiten zu suchen, wie die Zusammenarbeit zwischen den diplomatischen Ausbildungsstätten beider Länder weiterentwickelt werden kann.

58. Sie betonten, wie wichtig der Ausbau der Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern im Bereich Sport, insbesondere im Frauensport, ist.

59. Abschließend hoben die Ministerin und der Minister die freundschaftliche und konstruktive Atmosphäre ihres Treffens hervor und waren sich einig, die engen und regelmäßigen Konsultationen in allen Politikbereichen zur Stärkung der umfassenden Partnerschaft zwischen Marokko und Deutschland fortzusetzen.