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Antikorruption und Souveränität: Der G77 setzt politische Leitplanken

Auf der UN-Konferenz gegen Korruption in Doha hat der G77 gemeinsam mit China klare politische Grenzen gezogen. Im Mittelpunkt stehen staatliche Souveränität, multilaterale Verfahren und die Ablehnung einseitiger Sanktionen. Die Debatte zeigt, dass Antikorruptionspolitik längst Teil globaler Macht- und Ordnungsfragen geworden ist und direkte Auswirkungen auf internationale Zusammenarbeit, Investitionen und Regulierung hat.

 

G77  Konferenz in DohaDie Position des G77 und Chinas auf der 11. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Konvention gegen Korruption in Doha ist vor allem als politisches Signal zu verstehen. Im Kern ging es weniger um technische Detailfragen der Korruptionsbekämpfung als um die Verteidigung staatlicher Souveränität und multilateraler Entscheidungsprozesse. Der Zusammenschluss von mehr als 140 Staaten positionierte sich damit bewusst gegen Ansätze, die Antikorruptionspolitik mit einseitigen Sanktionen, Konditionalitäten oder extraterritorialen Maßnahmen verknüpfen.

Aus Sicht des G77 stellt Korruption zwar eine ernsthafte Bedrohung für Sicherheit, Stabilität, Rechtsstaatlichkeit und Entwicklung dar. Ihre Bekämpfung dürfe jedoch nicht als Instrument geopolitischen Drucks eingesetzt werden. Die wiederholte Warnung vor einseitigen Sanktionen richtet sich implizit gegen westliche Instrumente wie gezielte Finanzsanktionen oder Magnitsky-Gesetze, die von vielen Staaten des Globalen Südens als politisch selektiv wahrgenommen werden. Im Zentrum steht die Sorge, dass Antikorruptionsnormen bestehende Machtasymmetrien eher verfestigen als abbauen.

Besonders deutlich wird dieser Konflikt bei der Frage der Rückführung veruntreuter Vermögenswerte. Der G77 fordert deren bedingungslose Rückgabe an die Herkunftsstaaten und lehnt externe Auflagen ab, die souveräne Entscheidungsrechte einschränken könnten. Dem steht die Praxis vieler Industrieländer gegenüber, Vermögensrückführungen an Reformauflagen und Kontrollmechanismen zu knüpfen. Damit treffen zwei unterschiedliche Ordnungsvorstellungen aufeinander, eine souveränitätsorientierte Entwicklungslogik und eine governance-orientierte Risikokontrolle.

Auch die Forderung nach einer stärkeren und aus dem regulären Haushalt der Vereinten Nationen finanzierten Überprüfung der Konventionsumsetzung ist politisch aufgeladen. Sie zielt darauf ab, die Antikorruptionsarchitektur fest im multilateralen System zu verankern und sie unabhängiger von freiwilligen Beiträgen einzelner Staaten zu machen. Kritische Stimmen befürchten jedoch, dass ein rein zwischenstaatlicher Überprüfungsmechanismus an Durchsetzungskraft verlieren könnte.

Für Deutschland und die Europäische Union ist diese Debatte von unmittelbarer Relevanz. Sie betrifft sowohl die Legitimität eigener Antikorruptions- und Sanktionsinstrumente als auch die Zusammenarbeit mit Schwellen- und Entwicklungsländern in Bereichen wie Investitionsschutz, Rohstoffpolitik und Finanzmarktregulierung. Die Konferenz von Doha macht deutlich, dass Korruptionsbekämpfung längst kein rein technisches Governance-Thema mehr ist, sondern Teil einer umfassenderen Auseinandersetzung über globale Ordnung, Regelsetzung und Machtverteilung.